# taz.de -- Sinkende CO₂-Emissionen: Aber in China! | |
> Die chinesische Regierung sorgt dafür, dass die CO₂-Emissionen sinken. | |
> Erleben wir eine neue Ära im Kampf gegen die Erderhitzung? | |
Bild: Auf der Auto Shanghai: Chinas jüngste Generation kann sich über weniger… | |
Berlin taz | Es könnte die beste Nachricht des Jahres sein: In China, dem | |
weltgrößten CO₂-Emittenten, sinkt der Treibhausgasausstoß. Bleibt das so, | |
dann ist auch der Gipfel der weltweiten CO₂-Emissionen erreichbar. Dann | |
sehen Indien, die Philippinen, Brasilien, dass nicht nur reiche | |
Industriestaaten wachsen und ihre Emissionen reduzieren können. Dann | |
funktioniert das „Aber China stößt immer mehr CO₂ aus“-Argument nicht m… | |
Kurz: Dann sind wir in einer neuen Ära des Kampfs gegen die Erderhitzung. | |
Aber in China – dieses Argument gibt es ja auch – gehen weiterhin neue | |
Kohlekraftwerke ans Netz. Von einer globalen Führungsrolle im Klimaschutz | |
will die Führung der Kommunistischen Partei nicht sprechen. Und der | |
Handelskonflikt mit den USA bringt noch mal alles durcheinander. Kann der | |
chinesische Emissionsgipfel des Frühjahrs ein nachhaltiger Erfolg sein? | |
Lauri Myllyvirta sagt: Ja. Er ist China-Analyst beim Centre for Research on | |
Energy and Clean Air (Crea) und hat den Emissionsrückgang [1][in einem | |
Beitrag im Fachportal CarbonBrief] festgestellt. „Wenn die aktuellen Trends | |
beim Erneuerbaren-Zubau, dem E-Auto-Verkauf und der Energienachfrage sich | |
fortsetzen, dann sind die Bedingungen für einen strukturellen | |
Emissionsgipfel da“, sagt er. | |
„Strukturell“ heißt, dass nicht wie nach der Finanzkrise 2008 die | |
Emissionen zurückgehen, weil die Wirtschaft einbricht und weniger Energie | |
verbraucht wird. Sondern dass die Erneuerbaren so stark wachsen, dass sie | |
die steigende Nachfrage nach Strom abdecken und, mehr noch, Fossile aus dem | |
Strommix verdrängen: Während chinesische Unternehmen und | |
Verbraucher*innen im ersten Quartal 2025 nach 2,5 Prozent mehr Strom | |
verlangten als im Vorjahr, nahmen die Emissionen aus der Stromerzeugung um | |
5,8 Prozent ab – weil trotz dieser wachsenden Nachfrage weniger Kohle und | |
Gas verbrannt wurden. | |
## Gigantische Subventionen und ein harter Wettbewerb | |
[2][2024 brachte China] Windkraftanlagen mit einer Leistung von 80 Gigawatt | |
ans Netz, neue Solaranlagen steuerten schwindelerregende 278 Gigawatt bei – | |
[3][in Deutschland waren es etwa 20]. In China gingen 2023 und 2024 zwei | |
Drittel der Leistung der weltweit installierten Wind- und Solarkraft ans | |
Netz, in Europa ein Achtel. Zieljahr der chinesischen Regierung für den | |
Emissionsgipfel ist 2030. Das Tempo, mit dem das Land auf Erneuerbare baut, | |
hat ihr fünf Jahre Vorsprung beschert. | |
Erreicht hat die chinesische Regierung das nicht wie in der EU durch einen | |
hohen CO₂-Preis, den die CDU „Leitinstrument“ ihrer Klimapolitik nennt, | |
sondern durch gigantische Subventionen, kombiniert mit einem harten | |
Wettbewerb zwischen einheimischen Firmen. | |
„Das ‚Aber China‘-Argument war schon immer grundfalsch“, sagt Claudia | |
Kemfert, Energieökonomin am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung | |
(DIW). Chinesische Firmen gingen auf grünen Märkten „wahnsinnig aggressiv“ | |
vor: Durch die extrem niedrigen Preise entstehe ein „ruinöser Wettbewerb“. | |
Aber an der chinesischen Dominanz bei Erneuerbaren- und E-Autos sehe man, | |
dass „sie ernten, was sie säen“, sagt Kemfert. In Deutschland hingegen | |
hätten die Regierungen die Unternehmen und Arbeitsplätze ziehen lassen, | |
statt sie ebenfalls zu fördern. „ ‚Aber China‘ müsste eigentlich | |
umgewandelt werden in ‚Seht mal nach China‘ “, sagt Kemfert. | |
„Die Zentralregierung in Peking scheint ein Geschäftsmodell für einen | |
'nachhaltigen’ CO₂-Rückgang zu wollen“, erklärt Wanyuan Song, | |
China-Expertin bei CarbonBrief. In China funktioniere die | |
Zentralregierung wie der Kopf, der Pläne vorgibt. Die Provinz- und | |
Stadtregierungen seien „Arme und Beine“, die, mit einiger Freiheit, für die | |
Umsetzung zuständig sind, sagt Song. Sie förderten die Ansiedlung von Wind- | |
und Solarparks oder Batteriefabriken, um die lokale Wirtschaft zu stärken | |
und Zieleinhaltungen an ihre Vorgesetzten melden zu können. | |
## Kohle geht nur mit den Erneuerbaren zusammen | |
Das kann dazu führen, dass Daten manipuliert werden. „Ich habe kein | |
Vertrauen in einzelne Datenquellen“, sagt Myllyvirta, „deswegen ziehe ich | |
mir Daten aus verschiedenen Quellen.“ Er sei sicher, dass seine Ergebnisse | |
stimmen, weil der Energiesektor sie antreibt. Dass Myllyvirta sich darüber | |
Gedanken machen muss, zeigt aber: Politik in China ist, wie Song es nennt, | |
„undurchsichtig“. Und da kommt die Kohle ins Spiel. | |
[4][Einer Erhebung von Crea zufolge] begannen in China 2024 die Bauarbeiten | |
für Kohlekraft-Projekte mit einer Kapazität von 94,5 Gigawatt. Das ist zwar | |
deutlich weniger als bei Erneuerbaren, aber macht 93 Prozent der weltweiten | |
Kohle-Baustarts aus. Weil Strom aus Wind und Sonne deutlich billiger ist, | |
werden diese Kraftwerke sich kaum je rechnen. | |
Um das zu verstehen, muss man die Äußerungen der Nationalen | |
Entwicklungs- und Reformkommission kennen, die für die Wirtschaftsplanung | |
verantwortlich ist. Sie spreche viel von „Energiesicherheit“, sagt Song. | |
Gemeint ist: Nur Kohle und Erneuerbare zusammen könnten den rasant | |
wachsenden Strombedarf Chinas decken. | |
Und dann sind da die USA, der weltgrößte Ölförderer. Die Rivalität der | |
beiden Weltmächte macht Kohle für China noch wichtiger, denn die | |
Chemieindustrie versucht, Ölimporte mit heimischer Kohle zu ersetzen. Der | |
Sektor ist deshalb der Einzige, dessen CO₂-Ausstoß im Frühjahr nicht | |
gesunken ist. Der Konflikt kann aber auch Emissionen verringern. Denn um | |
die sehr exportorientierte Wirtschaft vor Trumps Zöllen zu schützen, setzt | |
die chinesische Regierung auf mehr Konsum im eigenen Land statt wie bisher | |
auf Exportindustrie und Infrastrukturinvestitionen. | |
„Konsum privater Haushalte ist weniger emissionsintensiv“, sagt Myllyvirta. | |
Die Chines*innen würden dann zum Beispiel mehr Geld für ihre Gesundheit | |
ausgeben, sich ein iPhone oder neue Sneaker kaufen. Das sei besser fürs | |
Klima als neue Brücken oder Fabriken. „Das ist manchmal schwer zu verstehen | |
für Umweltschützer im Westen, wo privater Konsum als Wurzel allen Übels | |
angesehen wird.“ | |
## Bis September will Peking ein neues Klimaziel ausgeben | |
Obwohl China sein Emissions-Gipfel-Ziel 2030 nach derzeitigem Trend | |
einhält, wird es sein Ziel wohl verfehlen, bis 2030 den CO₂-Ausstoß je | |
Dollar Wirtschaftsleistung um über 65 Prozent gegenüber 2005 zu reduzieren | |
– ein Ziel, seine Emissionen in absoluten Zahlen zu verringern, hat sich | |
das Land gar nicht erst gesetzt. „Um auf einen Kurs zu kommen, der auf | |
einer Linie mit dem Pariser Klimaabkommen ist, müsste China den Bau von | |
Kohlekraftwerken in diesem Ausmaß einstellen“, sagt Kemfert. Peking müsse | |
die Lücke einnehmen, die durch den Austritt der USA aus dem Abkommen auf | |
internationaler Bühne entstanden ist. | |
Nur ist die Regierung um Präsident Xi Jinping nicht scharf darauf. „China | |
hält sich damit zurück, von einer globalen Führungsrolle zu sprechen“, sagt | |
Song. Bis September muss Peking ein neues Klimaziel vorlegen. „Wie viel | |
Ehrgeiz die Regierung darin zeigt, wird enorme Auswirkungen auf den Kampf | |
gegen die Erderhitzung haben.“ | |
31 May 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://www.carbonbrief.org/analysis-clean-energy-just-put-chinas-co2-emiss… | |
[2] https://www.iea.org/reports/global-energy-review-2025/electricity | |
[3] https://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2025/2025… | |
[4] https://energyandcleanair.org/wp/wp-content/uploads/2025/02/CREA_GEM_China_… | |
## AUTOREN | |
Jonas Waack | |
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