# taz.de -- Bremen erlässt Handyverbot an Schulen: Schneller als alle anderen | |
> Ab Montag gilt an Bremer Schulen ein überraschend fix angeordnetes | |
> Handyverbot. Es ist das erste bundesweit und aus wissenschaftlicher Sicht | |
> sinnvoll. | |
Bild: Ab Montag heißt es an Bremer Schulen: Handys aus und weg | |
Bremen taz | Bremen führt ein allgemeines Handyverbot an Schulen ein. Schon | |
ab Montag soll an allen Schulen bis zur zehnten Klasse die Regel gelten: | |
Mitgeführte Handys müssen „während des gesamten Schultags auf dem | |
Schulgelände ausgeschaltet und nicht sichtbar aufbewahrt werden“. Bei | |
„unzulässiger Nutzung“ können schulische Ordnungsmaßnahmen greifen, | |
einschließlich des „vorübergehenden Einbehaltens des Geräts“ – gemeint… | |
bis zum Ende des Schultags. | |
Bremen ist damit das erste Bundesland, das eine entsprechende Regelung | |
einführt – wenn auch nur für die Stadt Bremen. Bremerhaven darf selbst | |
entscheiden und hat sich unter FDP-Schuldezernent Hauke Hilz erst einmal | |
gegen den Vorstoß gestellt. | |
Eine Handybegrenzung leuchtet intuitiv ein: Wer auf eine eingehende | |
Nachricht aufmerksam wird, will wissen, was los ist. Selbst, wer nicht | |
direkt auf das Gerät schaut, sondern bis zur Pause wartet, dürfte abgelenkt | |
sein. Auch wissenschaftlich ist der Effekt vielfach bewiesen. Die Uni | |
Paderborn etwa hat im Sommer 2023 in einer Studie aufgezeigt, dass selbst | |
ein ausgeschaltetes Handy auf dem Tisch der Aufmerksamkeit schadet. | |
Studienteilnehmer*innen arbeiteten langsamer und unkonzentrierter, | |
wenn ein Handy auch nur in Sichtweite war. | |
Wer sich die Nutzung des Smartphones selbst verbietet, so eine Erklärung, | |
muss für diese Impulskontrolle die „exekutive Funktion“ seines Gehirns | |
belasten – den Arbeitsspeicher sozusagen, der dann für andere Aufgaben | |
fehlt. Ein Verbot von oben könnte also das Gehirn entlasten, wenn man der | |
Paderborner Studie folgt. | |
## Ursprünglich wollte Bremen kein Verbot | |
Dass Bremen Vorreiter werden würde, war kaum abzusehen: Eigentlich hatte | |
Hessen die Nase vorn, im März hatte dort die schwarz-rote Koalition ein | |
Handyverbot zum neuen Schuljahr angekündigt. Bremens rot-grün-rote | |
Koalition dagegen hatte im Februar noch klargestellt: Handyverbot, das | |
braucht es nicht. Schließlich würde die Handynutzung schon in den | |
Schulordnungen geregelt. Anlass war damals ein Antrag der CDU. | |
Drei Monate später sieht Bildungssenatorin Sascha Aulepp (SPD) das offenbar | |
anders: Ohne den Umweg über die Bürgerschaft als gesetzgebendes Organ, hat | |
sie das schnelle pauschale Handyverbot mit Zwei-Wochen-Frist per Erlass | |
verfügt. | |
Koalitionspartner und Schulleitungen wurden von dem Sinneswandel Mitte Mai | |
überrascht. Vor allem die Bremer Schülerschaft zeigt wenig Verständnis für | |
den Vorstoß. Die Bremer Gesamtschülervertretung (GSV) hat aus dem Anlass | |
heraus eine Pressemitteilung heraus gegeben – die erste seit zwei Jahren. | |
„Politischer Aktionismus, der auf mediale Wirkung zielt“ sei die | |
Entscheidung der Senatorin, „ein rein politisches Ding“, welches die | |
„tatsächlichen Bedürfnisse und Lebensrealitäten von Schüler*innen nicht | |
ausreichend berücksichtige“. | |
Noch Anfang des Jahres hatte es ein Gespräch mit der Bildungssenatorin | |
gegeben, schreibt die GSV. „Man hat uns damals ziemlich klar gesagt, dass | |
die Senatorin sich gegen dieses Verbot positioniert. Genau deshalb finden | |
wir es falsch, dass ohne uns nun eine solche Entscheidung getroffen wird | |
und das auch noch ohne uns in Kenntnis zu setzen.“ | |
## Linke kritisiert Koalitionspartner | |
Das kritisieren auch die Koalitionspartner. „Ich bin nicht für eine | |
uneingeschränkte Handynutzung“, sagt Miriam Strunge, die bildungspolitische | |
Sprecherin der Fraktion Die Linke, „aber warum führt man ein Verbot von | |
oben ein, während man sonst Demokratiebildung an Schulen fordert?“ Ihres | |
Erachtens hätten viele Schüler*innen ein Problembewusstsein für das | |
Thema Handynutzung. „Sie könnten selbst Regeln erarbeiten“, so Strunge. | |
„Das wäre demokratischer – und die Regeln würden dann vielleicht auch | |
besser akzeptiert.“ | |
„Aktionistisch“ findet auch Achim Kaschub als Vorsitzender der Bremer | |
Schulleitervereinigung den Erlass. Viel zu wenig Zeit bekämen die Schulen | |
für die Umsetzung: Ordnungsmaßnahmen für Verstöße müssen die Schulen selb… | |
erarbeiten – eigentlich bis Montag, allerdings sollte der Erlass im | |
Wortlaut erst am Mittwoch an die Schulleitungen verschickt werden. | |
„Ich finde auch ein Tempolimit super, aber es ist schon sinnvoll, so etwas | |
dann einzuführen, wenn man weiß, welche Konsequenzen ein Verstoß haben | |
soll“, so Kaschub. „So richtig nervös“ sei er trotzdem nicht. Denn es ist | |
ja nicht so, als hätten die Schulen bisher stillschweigend akzeptiert, dass | |
da unterm oder überm Tisch Nachrichten verschickt oder Fotos geliket | |
werden. Auch für die Pausen haben [1][fast alle Schulen bereits Regelungen | |
zur Handynutzung.] | |
Kaschubs eigene Schule, die Oberschule an der Hermannsburg zum Beispiel: Da | |
gibt es eine Handyzone in einem Flur, während einer Pause dürfen Acht- bis | |
Zehntklässler dort unter Aufsicht ihr Handy nutzen. „Das haben sich die | |
Schüler in der Schulkonferenz erstritten“, erzählt Kaschub. „Eigentlich | |
funktioniert das mit der Handyzone auch ganz gut.“ | |
Senatorin Aulepp hat sich intensiv mit dem Thema befasst und vorab mit | |
vielen Experten gesprochen. Die schnelle Umsetzung innerhalb von zwei | |
Wochen sei sinnvoll: „Die Entscheidung, das Handyverbot bereits zum 1. Juni | |
einzuführen, ermöglicht es (…), die Maßnahme noch vor dem | |
Schuljahreswechsel umzusetzen, ohne den ohnehin vollen Schuljahresanfang | |
zusätzlich zu belasten“, begründet die Behörde den schnellen Start. | |
„So erhält die gesamte Schulgemeinschaft ausreichend Zeit, sich auf das | |
Verbot einzustellen und es in den Schulalltag zu integrieren. Eine | |
Umsetzung kann dann im nächsten anstehenden Gremienlauf der Schulen | |
vorgenommen werden, sodass pünktlich zu Beginn des kommenden Schuljahres | |
Klarheit herrscht.“ | |
Vielleicht wollte man auch einfach das erste Bundesland sein. Denn landauf, | |
landab, in [2][Berlin], Niedersachsen, [3][Hamburg], | |
[4][Schleswig-Holstein] wird dieses Jahr über [5][das Thema diskutiert]. | |
Mecklenburg-Vorpommern etwa hat sich entschieden, dass die Politik | |
gemeinsam mit Schüler*innen, Eltern und Schulleitungen eine Regelung zur | |
Smartphone-Nutzung finden soll. Die neue Bundesbildungsministerin Karin | |
Prien (CDU) hat es auf die bundespolitische Agenda gebracht. Und: Hessen | |
führt ab nächstem Schuljahr ein Verbot ein. Wer noch Vorreiter sein will, | |
muss schnell handeln. | |
Das politische Geplänkel rund um die Einführung lenkt davon ab, was das | |
Handyverbot am Ende bringen soll. Manche Kritiker*innen – im Bremer | |
Fall die FDP – beschweren sich, dass die Medienbildung so aus der Schule | |
verdrängt werde. Allerdings gibt es weiterhin digitale Endgeräte gibt im | |
Unterricht. Alle Schüler*innen in Bremen haben während der Pandemie ein | |
kostenloses IPad bekommen, das für die Schule genutzt wird. Und zur | |
Medienbildung kann letztlich auch gehören, dass ein Handy zwischendurch mal | |
weg ist. | |
„Im Februar hieß es noch, unser Antrag sei ‚überflüssig‘ und das Probl… | |
gebe es nicht. Heute übernimmt Bildungssenatorin Aulepp unsere Forderung | |
fast wortgleich“, schreibt für die CDU deren bildungspolitische Sprecherin | |
Yvonne Averwerser. „Der Sinneswandel der Senatorin ist nicht durch neue | |
Erkenntnisse motiviert, [6][die Studienlage war auch im Februar schon | |
eindeutig.] Was sich geändert hat, ist wohl die politische Wetterlage.“ | |
30 May 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Schule-ohne-Social-Media/!6073272 | |
[2] /Smartphones-im-Unterricht/!6059869 | |
[3] /Zocken-unter-der-Schulbank/!6056784 | |
[4] /Schleswig-Holsteins-Bildungsministerin/!6086722 | |
[5] /Handyverbote-an-Schulen/!6044189 | |
[6] /Suchtberater-ueber-digitale-Medien/!6077907 | |
## AUTOREN | |
Lotta Drügemöller | |
## TAGS | |
Senat Bremen | |
Bremen | |
Schule | |
Bildung | |
Handy | |
Smartphone | |
Verbot | |
Schwer mehrfach normal | |
Medienregulierung | |
Oldenburg | |
Bildungspolitik | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Smartphones im Leben von Kindern: Verblödende Zeitfresser | |
Mich gruselt, wenn ich sehe, wie Kinder im Sekundentakt Videos vom | |
Bildschirm wischen. Sie verpassen so viel von dem, was sie eigentlich tun | |
sollten. | |
Altersbeschränkung für Social Media: „Nicht warten, bis der Staat etwas mac… | |
Danny Schmidt gibt Workshops für Medienkompetenz an Schulen. Im Interview | |
erklärt er, warum er Social Media erst ab 16 Jahren erlauben würde. | |
Suchtberater über digitale Medien: „Ein Handyverbot ist sinnvoll“ | |
Mediensucht wird oft spät erkannt. Auch, weil digitale Medien zum Alltag | |
gehören. Suchtberater Oliver Poelmann erklärt, worauf Eltern achten | |
sollten. | |
Schule ohne Social Media: Und jetzt bitte Telefone wegpacken | |
In einem bundesweit einzigartigen Projekt verbannt die Stadt Solingen | |
Smartphones aus den fünften Klassen aller Schulen. |