# taz.de -- Suchtberater über digitale Medien: „Ein Handyverbot ist sinnvoll… | |
> Mediensucht wird oft spät erkannt. Auch, weil digitale Medien zum Alltag | |
> gehören. Suchtberater Oliver Poelmann erklärt, worauf Eltern achten | |
> sollten. | |
Bild: Kontrolle über den eigenen Komsum verloren: Mediensucht wird oft später… | |
taz: Herr Poelmann, wann spricht man von einer Mediensucht? | |
Oliver Poelmann: Wenn jemand die Kontrolle über den eigenen Medienkonsum | |
verloren hat. Wenn alles andere in den Hintergrund gerät und es | |
[1][negative psychosoziale Folgen] hat, im Beruf, in der Schule, in der | |
Beziehung. Die Folgen sind den Betroffenen bewusst, sie machen aber | |
trotzdem weiter. | |
taz: Wie unterscheidet sich die Mediensucht von anderen Süchten? | |
Poelmann: [2][Mediensucht] wird häufig später erkannt. Das liegt daran, | |
dass digitale Medien im Alltag kaum wegzudenken sind. Die gesellschaftliche | |
Akzeptanz ist hoch. Da fällt es schwer, den Konsum ganz einzustellen. Man | |
muss wirklich einen Umgang damit finden. | |
taz: Wie gelingt der Weg aus der Sucht? | |
Poelmann: Das ist ganz individuell. Viele machen eine Therapie, dort werden | |
Pläne und Regeln erarbeitet. Grundsätzlich ist es wichtig, sein eigenes | |
Konsumverhalten zu reflektieren. Wie oft konsumiere ich – und vor allem: | |
Warum? Wenn man sich Sorgen um seinen Konsum macht, sollte man sich Grenzen | |
setzen. Wenn man die nicht einhalten kann, dann hat man vielleicht ein | |
Problem. Es ist auch wichtig, für körperlichen und seelischen Ausgleich zu | |
sorgen. Echte Kontakte zu pflegen. Digitale Medien als Bereicherung sehen, | |
ohne sich von ihnen kontrollieren zu lassen. | |
taz: Wie können Eltern ihre Kinder an digitale Medien heranführen? | |
Poelmann: Indem sie die psychosoziale Reife der Kinder beachten und die | |
Geräte, die Nutzungsdauer und die Inhalte anpassen. Man kann | |
Kindersicherungen einsetzen, die Schutz vor unangemessenen Inhalten bieten. | |
Wichtig ist auch, ein echtes Interesse daran zu haben, was die Kinder gerne | |
konsumieren – und aus welchem Antrieb heraus. Es ist sinnvoll, darüber mit | |
den Kindern zu sprechen. Auch über Cybermobbing, Fake-News und Pornographie | |
sollte man sprechen und deutlich machen, dass das Kind sich immer an einen | |
wenden kann, wenn es verstörende Inhalte gesehen hat. Hilfreich ist es | |
auch, ein gutes Vorbild zu sein. Kinder gucken sich nun mal sehr viel von | |
den Eltern ab. | |
taz: Es wird debattiert, ob E-Sport als gemeinnützig anerkannt werden und | |
Förderungen erhalten soll. Wie stehen Sie dazu? | |
Poelmann: Gemeinnützigkeit bedeutet für mich, dass es dem Wohl der | |
Allgemeinheit dienen soll. Ich stehe dem derzeit noch kritisch gegenüber. | |
Um beim E-Sport erfolgreich zu sein, ist es wie bei jedem anderen Sport | |
auch: Man muss viel üben. Der Einstieg erfolgt oft mit 13 oder 14 Jahren, | |
und dann fand [3][vorher ja schon Training] statt. Das heißt, das Gehirn | |
wird in jungen Jahren stark beansprucht. Die Spiele haben starke Wirkung | |
auf unser Belohnungssystem. Bei vielen Eltern besteht meiner Erfahrung nach | |
derzeit noch eine Unwissenheit, was das anrichten kann. | |
taz: Was kann es denn anrichten? | |
Poelmann: Ich stelle mir eben die Frage, ob diese ganz jungen E-Sportler | |
sich nicht selbst antrainieren, ihr natürliches Bedürfnis nach Anerkennung, | |
Erfolg, Selbstwirksamkeit und sozialen Kontakten verstärkt auf digitale | |
Weise zu befriedigen. Sich also durch das Zocken eine Befriedigung | |
verschaffen. Und das ergibt eben einen sehr schmalen Grat zur Sucht. | |
taz: Ebenfalls viel diskutiert sind Handyverbote an den Schulen. | |
Poelmann: Ein solches Verbot halte ich für sinnvoll. Ich kenne kaum eine | |
Schule, die kein Problem mit der Smartphone-Nutzung und seinen Folgen hat. | |
Das zeigt sich an Unkonzentriertheit, Inhalte bleiben bei den Kindern nicht | |
mehr hängen. Darunter leidet die Bildung. Wenn keine Smartphone-Nutzung | |
angesagt ist, beobachte ich, dass es in den Pausen lebhafter ist. Die | |
Kinder spielen miteinander. Echte soziale Kontakte und Interaktionen werden | |
gefördert. | |
taz: Australien verbietet unter 16-Jährigen bald Social Media. Ist das | |
sinnvoll? | |
Poelmann: Ich finde das ganz gut. Dass [4][Instagram, TikTok, Snapchat und | |
Co] in Deutschland ab 13 Jahren erlaubt sind, ist zu früh. Wenn ich schaue, | |
was mir da für Videos entgegenkommen, die zum Teil stark in eine sexuelle | |
Richtung gehen, Gewaltvideos und Horror. Eine Regelung für Jugendliche ab | |
16 Jahren halte ich für sinnvoll. Oder man schafft Alternativen, die für | |
Jüngere geeignet sind. Die eben genannten Apps sind es nicht. | |
10 Apr 2025 | |
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## AUTOREN | |
Charlina Strelow | |
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