| # taz.de -- Smartphones im Leben von Kindern: Verblödende Zeitfresser | |
| > Mich gruselt, wenn ich sehe, wie Kinder im Sekundentakt Videos vom | |
| > Bildschirm wischen. Sie verpassen so viel von dem, was sie eigentlich tun | |
| > sollten. | |
| Bild: Sich in echt zu verabreden war früher mal: Smartphones prägen Kinderleb… | |
| Ab dem Zeitpunkt, an dem unser Sohn Willi das Laufen lernte, wurde vieles | |
| Schwieriger – zum Beispiel größere Familienfeste. Trotzdem schleppten wir | |
| ihn und uns lange auf diese Veranstaltungen. Während die anderen sich | |
| unterhielten, versuchten wir schichtweise, Willi mit Liedern und | |
| Fingerspielen am Tisch zu beschäftigen, penibel darauf achtend, dass keine | |
| Gläser oder andere Wurfgeschosse in seinen Einflussbereich gestellt wurden. | |
| Meist war die Zeit, die Willi schaffte, auf dem Stuhl zu sitzen, schon | |
| vorbei, bevor das Essen auf dem Tisch war. Also lief einer von uns | |
| durchgehend hinter ihm her und versuchte zu verhindern, dass er heiße | |
| Kaffees vom Tisch zog oder auf die Straße lief. Enge Räume mit vielen | |
| Menschen, die einem dabei die Laufwege versperrten oder sogar noch dachten, | |
| wir könnten uns nebenbei mit ihnen unterhalten, waren der reine Horror für | |
| uns. | |
| Damit wir auch essen oder uns um seine kleine Schwester kümmern konnten, | |
| legten wir für Willi eine Decke auf den Boden und er bekam ein Tablet, auf | |
| dem er das Dschungelbuch schaute. Mein Kind auf Festen vor die Glotze zu | |
| setzen, kam mir wahnsinnig deprimierend vor. Ich wünschte, Willi hätte mit | |
| anderen Kindern spielen können. Aber weder war er dazu in der Lage noch | |
| hatten diese ein Interesse daran. | |
| Ich habe viele schöne Erinnerungen aus meiner Kindheit an Familienfeiern. | |
| Wenn das Herumsitzen bei den Erwachsenen endgültig zu langweilig wurde, | |
| nahmen wir Kinder erst schüchtern Kontakt auf und rannten dann meist schon | |
| kurze Zeit später so laut um die Tische, dass wir zum Spielen rausgeschickt | |
| wurden. Immer wenn es gerade richtig toll war, wollten die Eltern nach | |
| Hause. | |
| Dass mein behindertes Kind das nicht erleben konnte, ist traurig, aber | |
| daran trägt keiner die Schuld. Olivia wollte immer gerne mit den anderen | |
| Kindern spielen, aber dass viele Eltern auch ihren unbehindertern Kindern | |
| ihre Handys in die Hand drückten, um sie zu beschäftigen, machte die | |
| Kontaktaufnahme oft schwierig. | |
| Das war vor über zehn Jahren. Mittlerweile bekommen viele Grundschüler | |
| sogar eigene Smartphones gekauft, die sie bald an fast allem hindern, was | |
| Kindern eigentlich tun sollten: spielen, toben, schnitzen, klettern, | |
| basteln, träumen. Mich gruselt es, wenn ich im Bus sehe, wie Kleinkinder | |
| neben ihren Eltern im Sekundentakt Videos mit Kinderliedern oder | |
| Trickfilminhalte vom Bildschirm wischen oder wie Schüler auf dem Pausenhof | |
| in Gruppen zusammengesunken mit dem Kopf im 90-Grad-Winkel zum Körper auf | |
| ihre eigenen Displays starren. Sie sprechen nicht miteinander, sehen sich | |
| nicht an, schauen nicht herum, bewegen sich nicht. | |
| Ich kann nicht begreifen, wieso wir ständig darüber diskutieren, ob die | |
| Inhalte, die unsere Kinder konsumieren, nun schädlich sind oder nicht. Bis | |
| dazu Langzeitstudien vorliegen oder die Inhalte wirklich reguliert werden, | |
| ist doch eine ganze Generation [1][verblödet] und krank. Ist doch egal, | |
| wenn noch nicht exakt wissenschaftlich belegt ist, was genau der | |
| Medienkonsum mit einem kindlichen Gehirn macht – wir sehen doch deutlich, | |
| was unsere Kinder in dieser Zeit alles [2][NICHT mehr tun]. Wir müssen sie | |
| schützen vor Produkten, die von den mächtigsten Tech-Unternehmen einzig | |
| dafür entwickelt werden, sie [3][süchtig zu machen], um mit ihnen Geld zu | |
| verdienen. Kein Wunder, dass Eltern das kaum regulieren können. | |
| Von mir aus sollten Smartphones nicht nur in den Schulen, sondern am besten | |
| gleich für alle Kinder unter 16 [4][verboten werden]. Wenn keiner ein Handy | |
| hat, haben auch alle wieder Zeit und Lust zum Verabreden und niemand wird | |
| mehr gemobbt, weil die Eltern so vernünftig sind, sich nicht die Büchse der | |
| Pandora ins Haus zu holen. | |
| Apropos Eltern: Für uns sollte auch ein Handyverbot gelten, wenn wir mit | |
| unseren Kindern zusammen sind. Die verlorene Zeit mit ihnen lässt sich | |
| niemals wieder nachholen. | |
| 2 Jun 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Birte Müller | |
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