| # taz.de -- Energiepolitik unter Katherina Reiche: Neue Ministerin für alte Wi… | |
| > Die Ankündigungen von Ressortchefin Katherina Reiche (CDU) zeigen, wohin | |
| > die Energiewende gehen soll: hin zu günstigem, fossilem Gas. | |
| Bild: Katherina Reiche macht jetzt Wirtschaft | |
| Berlin taz | Die neue Bundeswirtschaftsministerin ist [1][erst wenige Tage | |
| im Amt], ihr Kurs ist aber bereits klar: „Wirtschaft – das heißt Wohlstand | |
| und Sicherheit“, erklärte Katherina Reiche (CDU) am Freitag in ihrer ersten | |
| Regierungserklärung. Die Wirtschaft müsse „nach Jahren der Rezession“ | |
| wieder wachsen. „Die Menschen wollen wachsen“, so die 51-Jährige im | |
| Bundestag. Wachstumskritik, Degrowth, Suffizienz? „Egal wie laut diese | |
| Stimmen rufen, sie haben keine Mehrheit“. | |
| Das klingt nach dem uralten deutschen Geschäftsmodell mit der Formel | |
| „Billige Energie aus Russland plus Sicherheit durch die USA ergibt | |
| Exportweltmeister“. Aber: Garantierte Sicherheit durch die Vereinigten | |
| Staaten gibt es nicht mehr, auch kein billiges russisches Gas oder Erdöl. | |
| Für die „Sicherheit“ haben die Koalitionäre aber inzwischen die | |
| Schuldenbremse aufgehoben und eine halbe Billion Euro lockergemacht. | |
| [2][Für günstige Energie fühlt sich ab sofort Reiche verantwortlich.] | |
| [3][„Oberstes Ziel ist, Versorgungssicherheit zu garantieren, bezahlbare | |
| Preise sicherzustellen und die Wettbewerbsfähigkeit des Kontinents zu | |
| sichern“], erklärte die Brandenburgerin bei ihrem ersten Auftritt auf | |
| internationaler Bühne, dem EU-Rat für Wirtschaft und Finanzen in Warschau. | |
| „So wichtig der Ausbau der erneuerbaren Energien ist, so wichtig ist es, | |
| Systemsicherheit und Systemresilienz zu garantieren.“ Dabei verriet sie | |
| auch, wie Systemsicherheit geschaffen werden soll: mit einer | |
| „diversifizierten Gasversorgung“, also mehr Lieferungen beispielsweise aus | |
| Norwegen und den USA. | |
| Mehr Gaskraftwerke sollen zudem „bezahlbare Preise“ für Energie | |
| sicherstellen und dann Strom liefern, wenn Wind und Sonne nicht verfügbar | |
| sind. Im [4][Koalitionsvertrag] haben Union und SPD verabredet, die | |
| Kapazität „von bis zu 20“ Gigawatt ausschreiben zu wollen. In einer Rede am | |
| Tegernsee erklärte Reiche sogar, dass die Regierung „mindestens 20 Gigawatt | |
| Gaskraftwerke“ ausschreiben müsse, um Versorgungssicherheit zu garantieren. | |
| Kritiker werfen ihr deshalb schon jetzt Lobbyismus zugunsten der fossilen | |
| Gaswirtschaft vor. | |
| ## Politik für den Mittelstand | |
| „Versorgungssicherheit first“, sagt die Frau, [5][die vor einem Monat noch | |
| den Energiekonzern Westenergie leitete]. Dieser ist eine 100-prozentige | |
| Tochter des ehemaligen Fossilkonzerns Eon. Dazu gehört auch Westnetz, ein | |
| Unternehmen, das mit einem 24.000 Kilometer langen Gasnetz eine der größten | |
| Infrastrukturen Deutschlands betreibt. Je mehr in Wärmepumpen und | |
| Solardächer investiert wird, umso weniger wird dieses Netz genutzt, weniger | |
| Kunden müssen für die steigenden Kosten zur Aufrechterhaltung aufkommen. | |
| „Wir müssen uns anschauen, ob die Energiewende, so wie wir sie bislang | |
| gemacht haben, auf einem richtigen Weg ist“, sagte Reiche in ihren ersten | |
| Interviews als Ministerin. Die kennt sich gut in der Branche aus. Die Frau, | |
| die ein silbernes Jesuskreuz um den Hals trägt, war schon Staatssekretärin | |
| im Umwelt- und im Verkehrsministerium bevor sie 2015 als Cheflobbyistin in | |
| den „Verband kommunaler Unternehmen“ wechselte. Unter dem Dach des | |
| Verbandes haben sich viele Stadtwerke organisiert, die in Gaskraft | |
| investiert haben. Nach ihrem Wechsel aus der Politik in die Wirtschaft | |
| wurden vor zehn Jahren Übergangsfristen eingeführt, um das Spiel der | |
| Lobbyisten zu erschweren. | |
| Reiche sagt deutlich, für wen sie künftig Politik machen will: In der | |
| Regierungserklärung betonte sie, „den Mittelstand im Energiebereich“ | |
| entlasten zu wollen. Und: „Wir werden die Energiepolitik einem | |
| Realitätscheck unterziehen.“ Klimapolitik jedenfalls gehört nicht dazu, | |
| denn eine der ersten Amtshandlungen der neuen Regierung war, dem | |
| Bundesministerium für Wirtschaft und Klima (BMWK) per Organisationserlass | |
| aus dem Kanzleramt das K zu streichen: Klimaschutz hat ab sofort weniger | |
| mit Industriepolitik zu tun. Zuvor war bereits die Transformationspolitik | |
| aus dem Wirtschaftsressort ausgelagert worden. Die Frankfurter Allgemeine | |
| Zeitung urteilte, die neue Ministerin Katherina Reiche (CDU) sei eine | |
| „Ministerin für die alte Wirtschaft“. | |
| Man kann der SPD zugutehalten, dass sie den größten Quatsch verhindert hat, | |
| den die Union im Wahlkampf herausposaunte: eine Neuauflage der | |
| Atomstromproduktion, Fusionskraftwerke oder zurückgebaute Windparks, „weil | |
| Windräder hässlich sind“, wie es Kanzler Friedrich Merz vor dem Urnengang | |
| formulierte. „Der Koalitionsvertrag enthält ein klares Bekenntnis zur | |
| Energiewende“, erklärt Nina Scheer, bislang klimaschutz- und | |
| energiepolitische Sprecherin der SPD-Fraktion. Allerdings bremsen zu viele | |
| neue Gaskraftwerke den Umstieg auf Erneuerbare, statt ihn zu beschleunigen, | |
| betonen Kritiker. | |
| In der Debatte am Freitag kritisierte der bündnisgrüne Andreas Audretsch | |
| diesen „Gasboom“. Wirtschaftswachstum gegen Klimaschutz auszuspielen sei | |
| der falsche Weg. Viele Auto-, Chemie- und Stahlhersteller hätten sich | |
| aufgemacht, ihre Produktion auf „klimafreundlich“ umzustellen. Audretsch | |
| forderte: „Gehen Sie diesen Weg weiter!“ | |
| 18 May 2025 | |
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| Nick Reimer | |
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