| # taz.de -- Digitalpolitik im Koalitionsvertrag: Überwachung, Datenschatzsuche… | |
| > Was hat Schwarz-rot vor in Sachen Digitales? Ein neues Ministerium – und | |
| > einiges, was Bürgerrechtler:innen erschrecken lässt. | |
| Bild: Mehr Überwachung – davon findet sich einiges im Koalitionsvertrag | |
| Berlin taz | Nach der Vorstellung des Koalitionsvertrags von Union und SPD | |
| warnen Akteur:innen aus der Zivilgesellschaft vor digitalpolitischen | |
| Rückschritten – und deutlichen Verschlechterungen in Sachen Überwachung und | |
| Grundrechte. | |
| „Der Koalitionsvertrag, den die schwarz-schwarz-rote Regierung abschließen | |
| will, strotzt so vor Überwachungsvorhaben, dass jeder Einzelne betroffen | |
| sein wird“, schreibt der Chaos Computer Club: „Ob man im Netz kommuniziert, | |
| Auto fährt oder Fotos mit Gesichtern ins Netz stellt: All das soll | |
| massenhaft aufgezeichnet und bei Bedarf ausgewertet werden.“ Dazu komme ein | |
| Paradigmenwechsel: Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung solle | |
| „auf den Scheiterhaufen, Datennutzung und der ganze ‚KI‘-Quatsch sollen | |
| Priorität bekommen“. | |
| Die künftige Koalition hat in ihrem Vertrag unter anderem folgendes | |
| vereinbart: Datennutzung solle vor Datenschutz gehen und so „Datenschätze | |
| gehoben“ werden. Diverse digitale Überwachungsmaßnahmen sind geplant, unter | |
| anderem mittels biometrischer Merkmale, und auch die gerichtlich schon mal | |
| gekippte [1][Vorratsdatenspeicherung] soll wieder kommen. Mit einer | |
| geplanten Speicherung der IP-Adressen über drei Monate gehen die | |
| Verhandlungsparteien dabei deutlich über das hinaus, was [2][bislang in der | |
| Debatte] war. | |
| „Statt Verantwortung für eine grundrechtsbasierte Digitalpolitik zu | |
| übernehmen, die Menschen befähigt und demokratische Werte schützt, planen | |
| CDU/CSU und SPD die Einführung der anlasslosen und massenhaften | |
| Vorratsdatenspeicherung, die Ausweitung der Quellen-TKÜ | |
| (Telekommunikationsüberwachung - die Red.), automatisierte Datenanalysen | |
| und biometrische Abgleiche mit allen im Internet verfügbaren Daten“, | |
| kritisiert Svea Windwehr, Co-Vorsitzende des digitalpolitischen Vereins | |
| D64. Es sei ein Irrglaube, dass mehr Überwachung mehr Sicherheit bedeutet: | |
| „Der Koalitionsvertrag höhlt Grundrechte aus, schafft neue | |
| Sicherheitsrisiken und ist deshalb nicht verantwortungsvoll, sondern | |
| verantwortungslos.“ | |
| ## Künstliche Intelligenz von Landwirtschaft bis Justiz | |
| Eines der Themen, das an vielen Stellen des Koalitionsvertrags auftaucht: | |
| [3][Künstliche Intelligenz] (KI). Sie soll die Verwaltung effizienter | |
| machen, in Landwirtschaft und Justiz eingesetzt werden und für | |
| Wirtschaftswachstum sorgen. Dabei will sich die künftige Regierung unter | |
| anderem auf EU-Ebene dafür einsetzen, dass die Regeln für Unternehmen, die | |
| KI entwickeln und nutzen, geschwächt werden. | |
| „Bei Bürokratieabbau und Regulierungsvereinfachungen, wie sie | |
| beispielsweise bei der Umsetzung der KI-Verordnung geplant sind, muss immer | |
| mitgedacht werden, dass dann auch Menschen- und Verbraucherrechte verloren | |
| gehen können“, sagt Pia Sombetzki von der NGO Algorithmwatch. Zudem dürfe | |
| bei [4][KI der Ressourcenverbrauch, etwa was Strom und Rohstoffe für die | |
| Hardware angeht], nicht aus den Augen verloren werden. | |
| Sombetzki warnt außerdem vor dem Einsatz von KI in der Verwaltung: „Was | |
| dabei schiefgehen kann, zeigten in den letzten Jahre zahlreiche Beispiele | |
| aus europäischen Nachbarländern.“ Besondere Schlagzeilen machte | |
| beispielsweise ein Fall aus den Niederlanden: Hier hatte eine | |
| algorithmenbasierte Entscheidung über Kindergeld einen Teil der | |
| Anspruchsberechtigen rassistisch diskriminiert. Die niederländische | |
| Regierung musste schließlich ein Bußgeld in Millionenhöhe zahlen. | |
| ## Datenschutz schwächen | |
| Grundsätzliche Änderungen plant die kommende Regierung im Bereich | |
| Datenschutz: Kleine und mittlere Unternehmen will sie von den Regeln der | |
| Datenschutz-Grundverordnung ausnehmen. Zur Einordnung: Als klein gelten | |
| Unternehmen laut einer EU-Definition, wenn sie weniger als 50 Beschäftigte | |
| und maximal 10 Millionen Euro Jahresumsatz haben. Mittlere Unternehmen | |
| haben weniger als 250 Beschäftigte und maximal 50 Millionen Euro | |
| Jahresumsatz. | |
| Diese Pläne kritisiert der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv): | |
| „Vereinfachungen und Deregulierung dürfen aber nicht zu Lasten des | |
| Datenschutzniveaus gehen“, heißt es in einer Analyse des Verbands zum | |
| Koalitionsvertrag. Die pauschale Ausklammerung kleiner und mittlerer | |
| Unternehmen sei nicht mit EU-Recht vereinbar. | |
| Die Aufsicht über eventuelle Datenschutz-Verstöße soll zudem bei der | |
| Bundesbehörde zentralisiert werden. Das kritisiert Tom Jennissen vom Verein | |
| Digitale Gesellschaft: „Eine Zentralisierung der Datenschutzaufsicht würde | |
| zu ihrer massiven Schwächung führen – was auch so beabsichtigt sein | |
| dürfte.“ | |
| In Union und SPD dominiere die Erzählung vom Datenschutz als Bremse, sagt | |
| Jennissen. „Das ist so öde wie gefährlich, denn ohne einen effektiven | |
| Datenschutz sind wir nicht nur staatlichen Übergriffen, sondern den | |
| Zumutungen von Big Tech noch unmittelbarer ausgesetzt.“ | |
| Statt einer Schwächung brauche es konstruktive Ansätze, die Wirtschaft und | |
| Zivilgesellschaft beim Umgang mit sensiblen Daten unterstützen. Dass zudem | |
| geplant ist, Bürger:innen nicht mehr zustimmen zu lassen, wenn der Staat | |
| ihre Daten nutzt, sondern sie nur die Möglichkeit haben sollen, hinterher | |
| zu widersprechen, bezeichnet Jennissen als Entmündigung. | |
| Lob kommt dagegen aus der Wirtschaft: „Der Koalitionsvertrag setzt wichtige | |
| Impulse für einen wirtschaftlichen Aufbruch und hebt das Potenzial von | |
| Startups als Innovationsmotoren unserer Wirtschaft hervor“, erklärt Verena | |
| Pausder, Vorstandsvorsitzende des Startup-Verbands. Und der IT-Verband | |
| Bitkom attestiert dem Koalitionsvertrag „digitalpolitisch insgesamt ein | |
| hohes Ambitionsniveau“. Doch nun komme es darauf an, dass die Vorhaben auch | |
| finanziert würden – sonst bleibe es bei Absichtserklärungen. | |
| 18 Apr 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Svenja Bergt | |
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