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# taz.de -- Neues Album von Meese X Hell: Proletmürb mit Mami und Hell
> DJ Hell hat gemeinsam mit dem bildenden Künstler Jonathan Meese ein Album
> aufgenommen. „Gesamtklärwerk Deutschland“ soll eine Ode an Kraftwerk
> sein.
Bild: Entsteht hier höhere Unterkultur? DJ Hell und Jonathan Meese
Vor ein paar Monaten erzählte mir ein Freund begeistert beim Essen, er habe
gehört, der Musiker Helmut Josef Geier alias DJ Hell würde Gespräche fast
ausschließlich mit drei Phrasen bestreiten, da eine von ihnen immer
funktionieren würde. Diese lauteten „Zu Recht“, „Da hab ich ein gutes
Gefühl“ und „Ich versteh’ die Frage nicht“. Wo genau er das herhatte,
wusste er nicht mehr. Es war auch egal, wir lachten alle herzlich,
irgendjemand nannte die Taktik „genial“.
Nun hat [1][besagter DJ Hell] ein neues Album veröffentlicht – zusammen mit
dem bildenden Provokationskünstler Jonathan Meese, der für seinen humorigen
Umgang mit Faschosymbolen, Kuscheltieren, Adidas-Jogginganzügen, hitleriger
Kunstsprache und seiner Mutter bekannt ist.
„Gesamtklärwerk Deutschland“ heißt das gute Stück, das die Süddeutsche …
prompt als „sensationelle Hymne, eine Hommage an die Kunst“ in den Himmel
hob.
Auch anderswo überschlägt sich das Feuilleton mit Lob, wie sonst nur auf
den voll geblurpten Plakaten internationaler Showevents. Fragt man
nichtschreibende Menschen nach ihrer Meinung zu den soeben releasten sieben
Tracks, sagen die meisten schlicht: „Geil.“
Dabei ist es schon die zweite Kooperation der beiden Herren, deren
Debütalbum, „Hab keine Angst, hab keine Angst, ich bin deine Angst“ schon
vor vier Jahren bei Buback erschienen ist und damals überraschend leicht
und poppig daherkam, trotz lautem „Kunst ist Chef“-Getöse und düsteren,
peitschenden Beats.
Fiepender Retrosound
Auf „Gesamtklärwerk Deutschland“ ist alles anders und bleibt doch gleich.
[2][Eine Ode an Kraftwerk soll es diesmal sein, da darf der Sound natürlich
ein bisschen retro klingen]. Wummernde Bässe und viel Vocoderstimme,
fiepende Robotersounds aus einer Zeit, in der man noch dachte, Roboter
würden irgendwann allen die Arbeit abnehmen und dabei blecherne Geräusche
machen.
Auch das Cover ist in verblichene Farben getaucht, ein alles überragender
Pylon als gigantische Verneigung in Richtung der Düsseldorfer
Elektronikpioniere darf nicht fehlen. [3][Gestaltet hat es der Maler Daniel
Richter, ein sogenannter Erzfreundaddy] von Meese. Vor dem Pylon finden
sich Nadelwald und brutalistische Klärwerksarchitektur, das Ganze nimmt
natürlich einen „evidenten Bezug zum ambivalenten Deutschlandbild“, das der
Künstler Jonathan Meese auf dem Album ausmalt, so behauptet es zumindest
der Waschzettel.
[4][Über den mürben Klängen deutschtümelt Jonathan Meese, was das Zeug
hält, aber nicht wie im bayerischen Bierzelt, sondern so, wie man es in
Berlin-Mitte macht. „Ich bin Kunstdeutsch, ich bin Deutschkunst, Deutsche
rein, Deutsche raus“], heißt es etwa mit großer Dringlichkeit beim Track
„Gesamtkunstwerk Deutschland“; sein Titel ist übrigens eine
Wortkombination, die Meese seit Jahren nicht müde wird zu wiederholen, und
bei Weitem nicht das einzige sich bekannt anfühlende Element in dieser
energischen Mischung unterer Hochkultur. Oder, um es wie Meese zu sagen,
höherer Unterkultur?
Zwischen Original und Fälschung
Zu Selbstreferenzen und genannten Anlehnungen gesellen sich im Verlauf des
Albums marschierende DAF-Beats und die fragile Stimme von Brigitte „Mami“
Meese, der Mutter des Malers. „Hallo, hallo lieber Freund, ich bin müde, du
auch?“, fragt sie mit sonorer Stimme, und man möchte meinen, zu Recht. Das
Album an einem Stück zu hören, ist erschöpfend, zu sehr mäandert die Musik
zwischen dem Original (Kraftwerk) und der richtigen Fälschung (Fraktus). Zu
evident ist der ambivalente Bezug der beiden Künstler zur Selbstironie, die
man ihnen einfach nicht abnehmen will.
„Wir müssen die Prolls der Kunst werden“, forderte Meese vor ein paar
Jahren in seinem Stück „Monosau“ an der Berliner Volksbühne. Mit
„Gesamtklärwerk Deutschland“ haben es Meese X Hell nun wirklich geschafft.
19 Apr 2025
## LINKS
[1] /DJ-Hell-ueber-Love-Parade-Unglueck/!5138472
[2] /Nachruf-auf-Florian-Schneider-Esleben/!5683501
[3] /Interview-mit-Malerstar-Daniel-Richter/!5908967
[4] /Theaterstueck-Monosau-in-Berlin/!5914261
## AUTOREN
Hilka Dirks
## TAGS
Musik
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Jonathan Meese
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