# taz.de -- Künstliche Intelligenz in der Medizin: Ambivalente Datenmassen | |
> KI in der Medizin ist überlegen, wenn es um winzige Abweichungen geht. | |
> Aber ihr Einsatz kann auch zu weit gehen. Zwei KI-Projekte in Kiel und | |
> Hannover. | |
Bild: KI-Einsatz im Unfallkrankenhaus Berlin: Eine Radiologin betrachtet Gehirn… | |
Welcher Leberfleck ist harmlos, welcher birgt Krebs-Potenzial? Bei welchen | |
frisch Operierten droht die Gefahr einer Infektion? Kann in Zukunft die | |
Technik die Entlassungsbriefe für die Patient:innen schreiben und so | |
Ärzt:innen entlasten? | |
Die Möglichkeiten für künstliche Intelligenz (KI) in der Medizin sind | |
vielfältig. Im Norden werden einige Verfahren bereits getestet. Im Fokus | |
stehen aber auch ethische Fragen. „Maia“ heißt die neue Mitarbeiterin, die | |
[1][seit Januar am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) zum | |
Einsatz kommt]. Der Name steht für „Medical Artificial Intelligence | |
Assistant“, Medizinische KI-Assistent:in. | |
Das System erfasst alle Vorerkrankungen sowie aktuelle Werte von | |
Patient:innen und kann daraus bisher nicht diagnostizierte Krankheiten | |
ableiten oder [2][auf Risiken hinweisen] – etwa, ob nach einer Operation | |
die Gefahr besteht, dass die Patient:in beim Gang zur Toilette stürzen | |
könnte. | |
Dieser Einsatz direkt für die Versorgung von Kranken sei etwas Besonderes, | |
sagt Dirk Schädler, Professor für Operative Intensivmedizin am Kieler | |
Uniklinikum. Denn „die meisten KI-Projekte in Deutschland bewegen sich im | |
Bereich der Forschung und Entwicklung“, sagt Schädler, zu dessen | |
Schwerpunkten Telemedizin und neue Technologien wie Virtual Reality in der | |
Klinik gehören. | |
Bereits im Jahr 2022 startete die Uni ein Pilotprojekt, um Maia zu testen. | |
Dazu arbeitete das UKSH mit dem Hamburger Software-Unternehmen Tiplu | |
zusammen, eine Firma, die speziell für den Medizinbereich technische | |
Lösungen entwickelt. „Künstliche Intelligenz kann vieles nicht. Aber bei | |
Entscheidungen alle Informationen im Blick behalten und jede Eventualität | |
berücksichtigen, liegt in ihrer Natur“, heißt es auf der [3][Homepage des | |
Unternehmens]. | |
Alle Informationen im Blick behalten – in der Arbeit mit großen | |
Datenmengen, also „Big Data“, liegt die Stärke von KI in der Medizin. Das | |
Fraunhofer Institut für Kognitive Systeme in München listet eine ganze | |
Reihe von Bereichen auf, in denen diese Fähigkeit sinnvoll angewendet | |
werden kann. Dazu gehören die Überwachung chronischer Krankheiten ebenso | |
wie das Datenmanagement im Krankenhaus. Roboter-Chirurgen sollen präzise | |
schneiden und behandeln lernen, indem sie auf einen großen Datenschatz | |
zurückgreifen können. | |
Der Vergleich schier unendlicher Einzelbilder macht die KI auch überlegen, | |
wenn es darum geht, Abweichungen zu erkennen. In Schleswig-Holstein soll | |
diese Fähigkeit unter anderem bei der Brustkrebsvorsorge zum Einsatz | |
kommen. Frauen, die wegen familiärer Vorbelastung ein erhöhtes Risiko | |
tragen, werden in das Programm der Qualitätsgesicherten Mamma-Diagnostik | |
(QuaMaDi) aufgenommen. Dieses Projekt läuft seit 2001. Bisher schauten sich | |
mindestens zwei Ärzt:innen die Bilder an. Zukünftig soll eine KI einen | |
Teil der Arbeit übernehmen. | |
Doch kann der Einsatz der neuen Technik auch zu weit gehen? Welche | |
[4][ethischen und rechtlichen Fragen] stellen sich hier eigentlich? Und wie | |
verändert sich das Verhältnis zwischen Ärzt:innen und Patient:innen | |
durch den Einsatz des digitalen Docs? | |
## Orientierungshilfe aus Hannover | |
Um Fragen wie diese zu beantworten, veranstaltete die [5][Medizinische | |
Hochschule Hannover] unter der Überschrift „Mein Doktor, die KI und ich“ | |
eine Reihe von Workshops und Diskussions-Foren. Am Ende der | |
[6][Veranstaltungsreihe], die vom Niedersächsischen Ministerium für | |
Wissenschaft und Kultur gefördert wurde, stehen eine Reihe von Tipps, die | |
Ärzt:innen und Patient:innen „eine praktische Orientierungshilfe für | |
den Umgang mit KI-basierten Systemen bieten“ sollen, heißt es in einer | |
Pressemitteilung der Hochschule. | |
„Die Handlungsempfehlungen basieren auf einem intensiven Dialogprozess“, | |
erläutert Projektleiter Frank Ursin, wissenschaftlicher Mitarbeiter am | |
Institut für Ethik, Geschichte und Philosophie der Medizin. Rund 170 | |
medizinische Laien und Expert:innen beteiligten sich an den | |
Veranstaltungen, aus denen die Forschungsgruppe dann die Kernpunkte | |
herauskristallisierte. Zu den Ratschlägen an die Erkrankten gehört, dass | |
sie Informationen über KI einfordern und nachfragen sollten, wie die | |
Technik ihnen konkret helfen könne. Am besten mit gezielten Fragen, etwa | |
„Wie zuverlässig sind die Ergebnisse der KI?“ Auch Datenschutz müsse eine | |
Rolle spielen. | |
Außerdem – auch das war ein Ergebnis der Workshop-Reihe: Trotz aller neuen | |
Daten besteht weiter das Recht auf Nicht-Wissen und der Verzicht auf zu | |
viele Details über Therapie und Heilungschancen. Die wichtigste Empfehlung | |
für die Ärzt:innen lautet: Die Verantwortung bleibt bei ihnen, auch wenn | |
eine noch so gute KI eine Therapie vorschlägt: „Die KI entbindet nicht von | |
der Sorgfaltspflicht, sondern ergänzt Entscheidungen um datenbasierte | |
Empfehlungen“, sagt Ursin. Dies sollten die Behandler:innen auch so | |
erklären und Risiken und Unsicherheiten nicht verschweigen. | |
12 May 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://www.uksh.de/Service/UKSH_News/Pressearchiv/2025/KI_Unterst%C3%BCtzu… | |
[2] /KI-in-der-Medizin/!6021180 | |
[3] https://tiplu.de/ | |
[4] /Kuenstliche-Intelligenz-in-der-Medizin/!6020548 | |
[5] https://www.mhh.de/ | |
[6] https://www.mhh.de/institute-zentren-forschungseinrichtungen/institut-fuer-… | |
## AUTOREN | |
Esther Geißlinger | |
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