Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Neues Einkaufszentrum in Hamburg: Fürs Shoppen gehen wir über Lei…
> Nach Verzögerungen hat in der Hamburger Hafencity das
> „Westfield“-Einkaufszentrum eröffnet. Es war zuvor Europas wohl
> tödlichste Baustelle.
Bild: „Menschenleben vor Profitgier!“: Kundgebung der Gewerkschaft IG BAU, …
Hamburg taz | Erfolgsgeschichten haben doch eigentlich andere Zutaten. Als
am Dienstagnachmittag erstmals auch ganz normale Leute reindurften in
Hamburgs neuestes und größtes Einkaufszentrum, das „Westfield“ im
Überseequartier, da hatte dieses [1][Bau- und Stadtentwicklungsprojekt] vor
allem durch Rückschläge auf sich aufmerksam gemacht. Viel später als einst
geplant ist die Mall fertig geworden, die so sehr gar keine sein möchte,
zumindest keine wie alle anderen. Schließlich entstand hier nicht ein
einzelnes Gebäude mit Ladenstraße und ein bisschen Drumherum, eher schon
die Behauptung eines echten Stadtteils direkt am Wasser, zugänglich auch
nach Ladenschluss – was die Läden angeht, halt nur bis zu den
Schaufenstern.
Ursprünglich sollte sie 2021 fertig sein, später standen Eröffnungstermine
im April sowie im Oktober 2024 im Raum. Der kolossale Neuling soll
erkennbar mehr Bedürfnisse befriedigen als etwa die [2][Europa-Passage in
der Innenstadt], eines der jüngsten Hamburger Shopping-Dickschiffe (rund
120 Geschäfte auf 30.000 Quadratmetern, dazu Büro- und Parkgeschosse), dem
es fortan Konkurrenz macht: Im Hafen werden künftig auch Kreuzfahrtschiffe
abgefertigt, es entstanden Wohnungen, Büros und Hotellerie, ein
süddeutscher Betreiber hat Hamburgs vorerst größtes Multiplex eröffnet
(zehn Säle, knapp 2.200 Sitzplätze), auch das – in Norddeutschland – „e…
dauerhafte Ausstellungszentrum für immersive Kunst“ kam unter.
Wo nun also ganz besonders viele Quadratmeter bereitstehen „für
Einzelhandel, Gastronomie, Unterhaltung und Kultur“, klaffte jahrelang
[3][eine von Anfang an von Widerstand begleitete Baustelle], die sich
auszeichnete auch durch eine wenig präsentable Spitzenposition: Es war
europaweit die mit den meisten zu Tode gekommenen Arbeitern.
Mindestens sechs Menschen starben nach Gewerkschaftsangaben bei
Unglücksfällen auf dem letzten großen Bauplatz des neuen Stadtteils: Fünf
albanische Arbeiter starben, als im Herbst 2023 ein Baugerüst aus dem
achten Obergeschoss in einen Fahrstuhlschacht stürzte. Nicht lange davor
hatten die Behörden die Baustelle kontrolliert und [4][diverse Mängel bei
der Arbeitssicherheit] festgestellt. So fehlten Absturzsicherungen,
Verkehrswege waren den Angaben nach nicht sicher begehbar, die persönliche
Schutzausrüstung der Arbeiter gegen einen Absturz nicht auf ihre Funktion
geprüft. Ferner beklagten die Kontrolleure zu wenig weisungsbefugtes
Aufsichtspersonal mit Deutsch-Kenntnissen.
„Kollegen, deren Familien bis heute keine Entschädigung, geschweige denn
eine Aufklärung darüber erhielten, wie es zu den regelmäßigen Unglücken auf
der Baustelle kam“: Das schreibt die Gewerkschaft IG BAU in einer aktuellen
Mitteilung anlässlich der „Westfield“-Fertigstellung. Ein weiterer Mann,
ein Rumäne, war schon im Januar 2022 bei den Arbeiten zu Tode gekommen.
Ferner waren [5][mehrere Menschen bei mehreren Unglücksfällen schwer
verletzt] worden.
Kaum ein Thema, wenn es nun feierlich werden soll: „Das Gedenken an die
sechs Arbeiter“, mutmaßten am Vorabend der Mall-Eröffnung auch [6][die
Hamburger Bürgerschafts-Linken], werde „im offiziellen Programm wohl kaum
eine Rolle spielen“. Weshalb die Rede des Ersten Bürgermeisters Peter
Tschentscher (SPD), all das Bänder-Durchschneiden und Korkenknallen und
Zu-Sonderkonditionen-die-ersten-Tüten-Befüllen am Nachmittag auch begleitet
werden sollte durch Protest gleich zweier Gewerkschaften.
Ab dem späten Vormittag wollte die IG BAU unter dem Motto „Ihre Mall –
unser Grab“ mit einer Mahnwache im Stadtteil an die umgekommenen Kollegen
erinnern, am Nachmittag, in etwa zur selben Zeit, wie sich die Mall-Pforten
öffnen sollten, sollte daraus dann eine „Große Kundgebung“ werden. Daran
nahmen bis zu 100 Menschen teil, in Redebeiträgen erinnerten junge
Handwerker, aber auch eine Studierende der Hafencity-Universität an die
strukturellen Hintergründe der Todesfälle: Subunternehmer-Dickicht und die
Preisdrückerei durch einen Konzern, der im vergangenen Jahr rund anderthalb
Milliarden Euro Umsatz gemacht habe.
„Keine Party auf Kosten der toten Arbeiter!“, so überschrieb wiederum die
Freie Arbeiter*innen-Union (FAU) ihren [7][Aufruf, die Feierstimmung zu
trüben] durch selbst organisierte, dezentrale Aktionen –
Formulierungsvorschläge für Plakate oder Sprechchöre lieferte sie gleich
mit: „Ein Denkmal für die Verstorbenen!“ etwa, „Für Streiks bei schweren
Unfällen!“, oder die Forderung: „Kontrolle der Unternehmen statt
Illegalisierung der Arbeitenden!“ So richtig bemerkbar waren am Nachmittag
noch keine solcher Aktionen; aber die Eröffnungsfeierlichkeiten sollten ja
auch noch bis 22 Uhr dauern.
Das Gelingen des Projekts hatte vor rund zehn Jahren Bürgermeister Olaf
Scholz (SPD) zur Chefsache gemacht: Frühere Investoren für die Entwicklung
des prominenten Hafencity-Grundstücks waren abgesprungen, es drohte eine
neuerliche Hängepartie [8][wie schon bei der Elbphilharmonie]. Scholz
gewährte dem einzig interessierten Unibail-Rodamco-Westfield-Konzern das
Doppelte an Einkaufsfläche, vermutlich wurden auch weitere Wünsche erfüllt:
Alles, auf dass die Sache bloß gelinge (und die brachliegende Fläche
verschwinde); eine Erfolgsgeschichte halt, und sei es zu einem hohen Preis.
8 Apr 2025
## LINKS
[1] /Klotzen-mit-Kloetzen/!5421638
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Europa_Passage
[3] /Umstrittenes-Einkaufszentrum/!5516188
[4] /Baustellen-Unfall-in-Hamburgs-Hafencity/!5974413
[5] https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/Bau-des-Hafencity-Einkaufszentrums-M…
[6] https://www.die-linke-hamburg.de/aktuelles/termine/detail/gedenkkundgebung-…
[7] https://hamburg.fau.org/2025/03/25/keine-party-auf-kosten-der-toten-arbeite…
[8] /Ambivalente-Elbphilharmonie/!5368753
## AUTOREN
Alexander Diehl
## TAGS
Hamburg
Hafencity
Baubranche
Arbeitsschutz
Gewerkschaft
Einkaufszentrum
Stadtentwicklung
wochentaz
Wahl in Hamburg 2025
Hamburg
Lesestück Recherche und Reportage
## ARTIKEL ZUM THEMA
„Westfield Hamburg-Überseequartier“: Junge Frauen mit eckigen Tüten
In bester Hamburger Hafenrand-Lage hat ein globaler Konzern einen Stadtteil
im Stadtteil errichten lassen, der keiner ist.
Bauprojekte in Hamburg: Ruinierte Landschaften unter Rot-Grün
Den roten Teppich haben SPD und Grüne der Immobilienwirtschaft ausgerollt.
Holsten-Areal, Esso-Gelände und Elbtower zeigen, wie naiv das mitunter war.
Baustellen-Unfall in Hamburgs Hafencity: Lange Mängelliste vor dem Einsturz
Fünf Arbeiter starben bei einem Unfall auf einer Baustelle in der Hamburger
Hafencity. Kurz zuvor stellten Kontrolleure Mängel beim Arbeitsschutz fest.
Mall-Sterben in Berlin: Kurz vor Ladenschluss
Berlin ist Hauptstadt der Shoppingcenter. In vielen Häusern stehen Läden
leer. Was heißt das für eine Stadt, der es an Platz fehlt?
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.