# taz.de -- Neue Cafékette: Endstation Kaffeekultur | |
> Die LAP-Coffeeshops versprechen leckeren Kaffee für Menschen mit wenig | |
> Geld. Dabei sind sie vor allem eins: Himmlisch für Start-up-Bros. Ein | |
> Besuch. | |
Bild: Der Cappuccino kostet 2,50 Euro, der Espresso 1,50 Euro und kein Aufpreis… | |
Ich liebe Cafés. Nicht nur das Getränk, sondern auch den Ort. An einem | |
sonnigen Sonntag stundenlang an einem kleinen runden Tisch draußen sitzen, | |
Menschen beobachten, ein Getränk nach dem anderen, köstliches Gebäck, ein | |
Buch in der Hand. Das Leben kann so schön sein. Aber wie das so oft bei | |
schönen Dingen ist, sie kosten. | |
Doch die Lösung scheint ganz nah: [1][LAP Coffee.] Schneller als man | |
[2][Labubu] sagen kann, eröffnet LAP eine neue Filiale nach der anderen. In | |
den letzten zwei Jahren 15 Cafés in Berlin, vier in München und bald eins | |
in Hamburg. Der Grund für die Beliebtheit? Der Cappuccino kostet 2,50 Euro, | |
der Espresso 1,50 Euro und kein Aufpreis für Hafermilch. Wo findet man | |
sowas denn noch außerhalb von Italien? Und auch den beliebten Matcha gib’s | |
für vergleichsweise niedrige vier Euro. | |
Der Instagram-Vibe schreckt ein wenig ab, aber man will ja auch nicht | |
vorschnell urteilen. Ich packe mein Kreuzworträtsel ein und mache mich auf | |
den Weg. Nach 15 Minuten stehe ich auf einmal am Ende einer Schlange, die | |
um die Häuserecke reicht. | |
Hups! | |
Eigentlich müsste der LAP-Coffee-Hype einige Wochen nach der Eröffnung doch | |
bereits abgeklungen sein. Aber in dieser silbrig-blauen | |
Berliner-Start-up-Fantasie ist man ja nicht blöd. Damit die Schlangen bloß | |
nicht kürzer werden, gibt es eine simple Lösung: Kooperationen. Heute | |
anscheinend mit der Beauty-Marke Sol de Janeiro, einer sehr duftenden, sehr | |
teuren Body-Lotion. | |
## Gemütlich? Eher eine Goldgrube | |
Rasch wird klar: Es gibt was umsonst, beziehungsweise hätte es. Als ich | |
endlich an der Reihe bin, ist die kostenlose Goodiebag natürlich schon weg. | |
„Morgen wieder“, sagt die Mitarbeiterin in Sol-de-Janerio-Kanarien-Gelb. | |
Optisch ergibt das eine wunderbare Symbiose mit dem | |
LAP-Coffee-Ultramarine-Blau. Am Edelstahltresen angekommen winkt mich ein | |
blauer Mitarbeiter schnell durch. Ich zahle mit Karte, Trinkgeld 5, 10 oder | |
15 Prozent. Dazu laute House-Musik. Eher eine Szene-Bar als ein Café im | |
kalten Schein der Clean-Girl-Aesthetic. Sitzmöglichkeiten? Rar. Gemütlich? | |
Eher nicht. | |
Aus dem Hahn zapft die nächste Mitarbeiterin per Knopfdruck die Getränke. | |
Hier erschließt sich auch, warum der Kaffee noch auf pre-inflationärem | |
Preisniveau ist. Statt arbeitsaufwändiger Siebträger-Maschine setzt LAP auf | |
Vollautomaten. Böse Zungen würden behaupten, man schmecke dem Kaffee seine | |
Entstehung an, but who am I to judge. Ebenfalls preissenkend: die | |
Ersparnisse durch kleine Mietflächen und die Effektivität des reibungslosen | |
Massenprodukts. Denn fair sei der Kaffee trotzdem. Er stammt von einem | |
anderen Berliner Start-Up: 19grams. | |
Gegründet wurde LAP von zwei alten Hasen aus der Start-Up Szene, die sich | |
mit schnellen Geschäften auskennen: Neben Ralph Hage, der ehemals bei | |
Delivery Hero arbeitete und den inzwischen insolventen Lieferdienst Yababa | |
gründete, ist Tonalli Arreola beteiligt. Der war zuvor unter anderem bei | |
dem E-Skooter-Anbieter Lime in führender Position tätig. | |
Unterstützt werden die beiden von Geldgebern wie der deutschen Investorin | |
[3][Diana zur Löwen] oder dem US-Investor Insight Partners. Das Rezept für | |
den günstigen Kaffee besteht neben Nächstenliebe also vor allem aus einer | |
großen Portion Investitionskraft. Und mit meinem 2,50 Euro Cappuccino hab | |
ich nicht nur meinen eigenen Geldbeutel geschont, sondern auch den dieser | |
Finanz-Riesen gestärkt. | |
## Das Motto: „Warten, Zahlen, Gehen“ | |
LAP, das steht für „Life Among People“. Man möchte ein „Community Space… | |
sein. Space gibt’s ja schonmal nicht so viel hier im Laden und der Aspekt | |
der Kommunikation bezieht sich am ehesten auf die digitalen Plattformen, | |
die man nutzt, um in der Schlange wartend nicht nur der Vorderfrau auf den | |
Hinterkopf zu starren. Schnelle Massenabfertigung und kreativer | |
Begegnungsort, das geht eher schwierig zusammen. Statt „Coffee, Culture, | |
Kiez“ wohl eher „Warten, Zahlen, Gehen“. | |
Unbestritten: Günstiger, fairer Kaffee entlastet vor allem die Menschen, | |
die das Budget für sechs Euro Flat White nicht übrig haben. Aber was ist | |
der tatsächliche Preis? Umliegende Cafés können die Preissenkung nicht | |
mitgehen und das zuvor dagewesene italienische Café, der syrische | |
Supermarkt oder das vietnamesische Restaurant waren für die Menschen im | |
Kiez, die nicht zum Berliner Hipster-Milieu gehören, wahrscheinlich die | |
besseren „inviting spaces where people connect.“ | |
24 Aug 2025 | |
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## AUTOREN | |
Merle Zils | |
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