# taz.de -- Abschottungspolitik: Union will Zusagen an Afghan*innen zurückzieh… | |
> Die CDU will gefährdete Menschen aus Afghanistan nun doch nicht mehr | |
> nach Deutschland holen. Aber ist das rechtlich überhaupt möglich? | |
Bild: Flüge wie dieser, der Flüchtende nach Halle brachte, gäbe es nach dem … | |
Berlin taz | Die Union will bereits getroffene Aufnahmezusagen für | |
gefährdete Afghan*innen erneut prüfen. „Ein neuer Bundesinnenminister | |
wird im Einzelnen prüfen, inwieweit diese Verwaltungsakte wieder | |
zurückgenommen werden können“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer | |
der Unionsfraktion, Thorsten Frei, vor Journalist*innen in Berlin. Auf | |
die Nachfrage, ob Ziel der Überprüfung sei, diese Zusagen zu widerrufen, | |
sagte Frei: „Wenn Sie mich persönlich fragen, würde ich das so prüfen.“ … | |
kann davon ausgehen, dass CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, der | |
wahrscheinlich Innenminister wird, das ähnlich sieht. | |
Damit ist zum ersten Mal ausgesprochen, was Menschenrechtsorganisationen | |
schon länger befürchten: CDU und CSU wollen auch solche Personen | |
zurücklassen, denen die Rettung über das Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan | |
schon fest versprochen war. Das Programm richtet sich an afghanische | |
Aktivist*innen, Journalist*innen, Homosexuelle oder auch einfach Frauen, | |
denen in ihrem Herkunftsland Verfolgung durch das Taliban-Regime droht. | |
Nach Angaben des Auswärtigen Amtes warten derzeit rund 2.600 Personen, die | |
eine Aufnahmezusage haben, noch auf die Evakuierung. Die meisten von ihnen | |
befinden sich im an Afghanistan angrenzenden Pakistan. Eingeflogen wurden | |
über das Programm bislang nur rund 1.400 Menschen, vor allem Frauen und | |
Kinder. Ursprünglich geplant waren viel höhere Aufnahmezahlen. | |
Die Union dringt schon länger auf ein Ende der Evakuierungen. In den | |
[1][Koalitionsverhandlungen] mit der SPD setzte sie durch, dass alle | |
Aufnahmeprogramme beendet werden sollen, „so weit wie möglich“. In den | |
letzten Monaten hatte die Union keine Chance ausgelassen, gegen die | |
[2][Evakuierung der Afghan*innen] zu ätzen. Frei betonte am Dienstag | |
erneut, dass Afghan*innen, die bereits in Pakistan sind und auf Zusagen | |
warten, „keine mehr bekommen“. Die humanitäre Migration nach Deutschland | |
habe ein Maß erreicht, das „jede Integrationskraft der Gesellschaft“ | |
übersteige, sagte der CDU-Politiker. | |
## Haltung der SPD unklar | |
Es ist unklar, wie die SPD zu den Plänen der Union steht, über das Ende des | |
Aufnahmeprogramms hinaus auch bereits ausgesprochene Aufnahmezusagen | |
zurückzunehmen. Der SPD-Parteiführung dürfte das Thema ungelegen kommen, | |
droht es doch vor dem [3][Mitgliederentscheid über die Koalition] für | |
weitere Unzufriedenheit zu sorgen. Aziz Bozkurt, Vorsitzender der AG | |
Migration und Vielfalt in der SPD, sagte der taz jedenfalls: „Ich hoffe, | |
dass Torsten Frei nur eine freidrehende Einzelstimme in der Union ist.“ Die | |
Zusagen müssten eingehalten werden. | |
Offen ist aber auch, ob der Widerruf der Aufnahmezusagen rechtlich | |
überhaupt möglich ist. Nach Aussage des Bundesinnenministeriums handelt es | |
sich bei den bereits erteilten individuellen Aufnahmezusagen um | |
Verwaltungsakte. Solche begünstigenden Verwaltungsakte können nach den | |
allgemeinen Regeln nicht ohne Weiteres widerrufen werden, wenn sie | |
rechtmäßig sind. | |
Möglich ist ein Widerruf unter anderem, wenn er in der Zusage ausdrücklich | |
vorbehalten war oder um schwere Nachteile für das „Gemeinwohl“ zu verhüte… | |
Laut Faeser-Ministerium enthalten die Zusagen für die Afghanen einen | |
„Widerrufsvorbehalt“. Die Zusagen können danach widerrufen werden, wenn | |
etwa Sicherheitsbedenken bestehen. Es käme dabei aber auf Bedenken im | |
Einzelfall an. Ein Widerruf aller Zusagen aufgrund allgemeiner | |
Sicherheitsbedenken dürfte nicht genügen. Das scheint auch Frei bewusst zu | |
sein, nicht ohne Grund spricht er von Prüfungen jedes einzelnen Falls. | |
Auch Menschenrechtsorganisationeb verwiesen am Dienstag auf die hohen | |
rechtlichen Hürden für einen Widerruf. Eine Sprecherin der Luftbrücke Kabul | |
sagte am Donnerstag der taz: Wir werden diese Menschen weiter unterstützen, | |
wenn nötig mit Klageverfahren gegen die Bundesregierung.“ Allein über einen | |
Entzug der Zusagen nachzudenken, sei „eine moralische und rechtsstaatliche | |
Bankrotterklärung“. Wiebke Judith, Rechtsexpertin bei Pro Asyl, sagte der | |
taz: „Das ist billiger Populismus auf dem Rücken von Menschen, die damit | |
weiterhin in Lebensgefahr bleiben.“ Deutschland habe sich den Menschen | |
gegenüber „rechtlich zur Aufnahme verpflichtet“. | |
Mitarbeit: Christian Rath | |
22 Apr 2025 | |
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## AUTOREN | |
Sabine am Orde | |
Frederik Eikmanns | |
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