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# taz.de -- Ralf Stegner zum SPD-Mitgliederentscheid: „Die Sieger wären imme…
> Der SPD-Linke Ralf Stegner will dem Koalitionsvertrag zustimmen. Er
> versteht zwar das Nein der Jusos, warnt aber vor den Folgen einer
> Ablehnung.
Bild: Ralf Stegner auf der bundesweiten Demonstration der deutschen Friedensbew…
taz: Herr Stegner, wird die SPD-Basis den Koalitionsvertrag durchwinken?
Ralf Stegner: Kritiklos durchwinken eher nicht. Aber sie wird ihn am Ende
billigen. Denn anders als bei den letzten beiden Großen Koalitionen gibt
es diesmal keine demokratische Alternative. Wenn Schwarz-Rot scheitert,
nutzt das den Rechtsradikalen. Schwarz-Blau, eine von der AfD tolerierte
Minderheitsregierung oder Neuwahlen, bei denen CDU und die SPD eins auf die
Mütze kriegen würden – die Sieger wären immer die Rechtsextremen. Das kann
und wird die SPD nicht zulassen.
taz: Es gibt also keine Alternative. Aber reicht das als Grund aus, vier
Jahre lang zu regieren?
Stegner: Wir haben 16 Prozent bekommen, nicht 36. Damit können wir keine
Bürgerversicherung und keine Vermögensteuer durchsetzen. Aber wir haben in
Anbetracht des miserablen Wahlergebnisses einen ordentlichen
Koalitionsvertrag verhandelt.
taz: [1][Die Jusos kritisieren, dass Schwarz-Rot Politik gegen
Sozialhilfeempfänger und Flüchtlinge machen wird]. Zu Recht?
Stegner: Es wäre komisch, wenn sich die Jusos für Friedrich Merz begeistern
würden. Ich komme aber zu einem anderen Ergebnis. Wir haben bei Arbeit,
Rente, Miete, Gesundheit eine Menge SPD-Programmatik durchgesetzt. Bei
Migration und Bürgergeld ist die Rhetorik des Koalitionsvertrags
unionsfreundlicher als die Substanz. Die Union hat suggeriert, man könne
beim Bürgergeld Milliarden einsparen, indem man den Schwächsten viel nimmt.
Das Verfassungsgericht hat da klare Grenzen gesetzt. Ordentliche Löhne,
bezahlbare Mieten – dann sparen wir Milliarden Bürgergeld. Ich verstehe die
Kritik der Jusos, teile sie aber nicht.
taz: Der Koalitionsvertrag ist, kaum beschlossen, [2][zwischen Union und
SPD schon umstritten, etwa beim Mindestlohn,] der Mütterrente oder der
Steuersenkung für Normalverdiener. Ist der Koalitionsvertrag schlecht
verhandelt?
Stegner: Nein, ist er nicht. Dass es Streitigkeiten über die Auslegung
gibt, ist nach so einem harten Wahlkampf normal. Aber es darf so nicht
weitergehen. Wir dürfen öffentlich nicht so zerstritten auftreten, wie es
die Ampel tat. Das werden wir auch nicht tun. Der Streit wird sich
auflösen. Wenn wir investieren, wird es Wachstum geben, die Beschäftigung
und Steuereinnahmen werden steigen und die Sozialtransfers geringer
ausfallen. Manches finanziert sich selbst.
taz: Ist es nicht doch ernster? Lars Klingbeil hat versprochen, bei diesem
Koalitionsvertrag werde es, anders als bei der Ampel, keine
unterschiedlichen Ausdeutungen geben. Aber beim Mindestlohn sagt Merz: Es
gibt keinen gesetzlichen Automatismus für 15 Euro. Die SPD ist empört. Wie
kommt das zustande?
Stegner: Bei Merz gibt es beim Timing von Interviews Luft nach oben. Es war
nicht klug, das kurz vor dem SPD-Mitgliedervotum zu sagen. Ich halte manche
Aufgeregtheit derzeit für flüchtig. Manche wollen sich mit Blick auf Posten
profilieren oder der Parteibasis, die man im Wahlkampf auf den Baum gejagt
hat, gefallen. Der Koalitionsvertrag steht. Wir werden ihn umsetzen.
taz: Niemand ist nach der SPD-Wahlniederlage zurückgetreten. Parteichef
Klingbeil hat Aufarbeitung und personelle Konsequenzen angekündigt – aber
damit nicht sich gemeint …
Stegner: Es war nötig, jetzt Handlungsfähigkeit zu zeigen. Die
Aufarbeitung muss allerdings noch folgen. Nach diesem katastrophalen
Ergebnis kann man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen …
taz: Genau das tut die SPD-Führung doch. Aufarbeitung irgendwann – und ohne
mit der Wimper zu zucken, macht das Personal ungerührt weiter.
Stegner: Wir müssen jetzt nach vorne sehen. Wenn wir nicht Richtung
Einstelligkeit fallen wollen, müssen wir das aufarbeiten. Das fordert die
Parteibasis ein. Zudem ist die Weltlage sehr herausfordernd. Die Welt
wartet nicht auf die SPD.
taz: Haben Sie nicht den Eindruck, dass die SPD dringend eine Phase der
Regeneration in der Opposition braucht?
Stegner: Nein. Das ist ein Irrtum. Man regeneriert sich nicht in der
Opposition. In Bayern hat die SPD dazu seit Jahrzehnten die Möglichkeit.
Das wirkt nicht besonders attraktiv. Umgekehrt zeigen Rheinland-Pfalz,
Hamburg, Niedersachsen, Saarland und Bremen, dass Regieren und eine aktive
Partei keine Gegensätze sind. Wir könnten aber ein bisschen mehr
sozialdemokratische Leidenschaft gebrauchen, als wir sie in der letzten
Zeit an den Tag gelegt haben.
taz: Sollten Mitglieder der Parteiführung also keine Posten im Kabinett
übernehmen? Um ungebundener sozialdemokratische Leidenschaft verströmen zu
können?
Stegner: Das fällt leichter, wenn der Parteivorsitzende oder die
Parteivorsitzende eigenständiger sind. Zwingend finde ich die Ämtertrennung
aber nicht.
taz: Was muss die Partei tun, um den Fall in die Bedeutungslosigkeit zu
verhindern?
Stegner: Wir müssen bei Arbeit, Gesundheit, Miete, Rente, Pflege
praxistaugliche, gerechte Lösungen haben. Wir dürfen Migration oder
Friedenspolitik nicht den Populisten überlassen. Wir müssen eine Sprache
sprechen, die verstanden wird. Wir müssen Volkspartei bleiben, also
unterschiedliche Typen aus unterschiedlichen Milieus aushalten. Wir müssen
mehr Leidenschaft zeigen, und weniger Technokratie.
taz: Und das kann die jetzige Parteiführung?
Stegner: Ich gehöre nicht zu denen, die öffentlich Parteifreunde
beschimpfen oder kritisieren. Aber klar ist: Das Wahlergebnis war nicht
gut.
17 Apr 2025
## LINKS
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[2] /Diskussion-ueber-Mindestlohn/!6079006
## AUTOREN
Stefan Reinecke
## TAGS
Koalitionsvertrag
SPD
Jusos
Ralf Stegner
Mitgliederentscheid
Regierungsbildung
Schwarz-rote Koalition
SPD
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