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# taz.de -- Ungarn schränkt Geschlechtervielfalt ein: Bunter Dorn in Orbáns A…
> Viktor Orbán zementiert das Zwei-Geschlechter-Dogma in der ungarischen
> Verfassung. Doch die Verschärfungen reichen über die LGBTIQ+-Community
> hinaus.
Bild: Polizeibeamte blockieren Protestierende während einer LGBTQ+ Demonstrati…
Bis zuletzt wurde dagegen protestiert, doch es half nichts:
Montagnachmittag machte Ungarn einen weiteren großen Schritt Richtung
Autoritarismus. Die Regierungsmehrheit von Viktor Orbán ließ die Verfassung
ändern, zum mittlerweile 15. Mal seit seinem Amtsantritt 2010. Dabei ging
es dem ungarischen Premier aber nicht um die schlechte Wirtschaftslage, die
massiven Probleme im Gesundheits- und Schulwesen oder die himmelschreiende
Korruption.
Nein, es geht um Orbáns Leibthema LGBTIQ+. Schon bisher waren Bücher wie
Harry Potter oder Ausstellungen wie [1][World Press Photo] nur Erwachsenen
zugänglich, zu anstößig sind sie laut Regierung. Schon bisher mussten
Eltern bei der Geburt ihres Kindes das Geschlecht als Junge oder Mädchen
festlegen – unabänderlich. Schon bisher durften gleichgeschlechtliche Paare
keine Kinder adoptieren.
## Entweder-Oder
Seit Montag schreibt die Verfassung nun auch vor, dass es in Ungarn nur
noch zwei Geschlechter gibt. Es sei die Pflicht des Staates, den
rechtlichen Schutz dieser „natürlichen Ordnung“ zu garantieren. „Das
Geburtsgeschlecht eines Menschen ist die biologische Grundausstattung, die
– in Übereinstimmung mit der Schöpfungsordnung – entweder männlich oder
weiblich sein kann“, heißt es im Gesetzestext. Damit wurde mit einem
Federstreich die Existenz von Transgender- und intersexuellen Personen
geleugnet. Welche Folgen diese Änderung in der Praxis hat, lässt sich noch
nicht abschätzen.
Ab sofort gilt der „Kinderschutz“ damit als oberstes Ziel in der
Verfassung. Der entsprechende Zusatzartikel besagt, dass das Recht des
Kindes auf moralische, körperliche und geistige Entwicklung Vorrang vor
fast allen anderen Rechten hat, einschließlich des Rechts, sich friedlich
zu versammeln.
Dies ermöglicht es der Regierung, [2][das kürzlich beschlossene Verbot von
Pride-Paraden] durchzusetzen. Polizei und Gerichte können sich nun darauf
berufen, wenn sie eine LGBTIQ-Versammlung auflösen oder – sie können sie
gar nicht erst zulassen.
## Gesetz kann willkürlich ausgelegt werden
Doch das ist nicht alles. Die jüngsten Verschärfungen sind kaum zu
überschätzen, denn sie reichen weit über die LGBTIQ+ -Gemeinde hinaus. NGOs
warnen, dass das Gesetz willkürlich ausgelegt werden kann und im Grunde
alle Proteste damit untersagt werden können.
Vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte würde eine solche
Einschränkung der Versammlungsfreiheit wohl nicht bestehen – diesen
anzurufen dauert aber Jahre, das weiß Orbán. Und selbst dann könnte er die
dortige Entscheidung ignorieren.
Die Verfassungsänderung darf deshalb als ein weiterer Versuch Orbáns
interpretiert werden, von den mannigfaltigen Problemen Ungarns abzulenken.
Zuvor hatte er dazu bereits den [3][israelischen Ministerpräsidenten
Benjamin Netanjahu], gegen den ein internationaler Haftbefehl aussteht,
nach Budapest eingeladen.
Angesichts des rasanten Aufstiegs seines Herausforderers Péter Magyar wird
Orbán zunehmend nervös, denn Magyar führt bereits die meisten Umfragen an.
Bereits in einem Jahr finden Parlamentswahlen statt, für Orbán zweifellos
die heikelsten.
## Verbot könnte Zivilgesellschaft weiter mobilisieren
Für Andrea Pető, Politologin an der CEU Wien, geht es Orbán vor allem
darum, Angst und Ausgrenzung zu schüren. Mit den Änderungen im
Verfassungsrang erweitere er zudem polizeiliche Befugnisse und baut laut
Pető auch einem Regierungswechsel vor: Dadurch will er es einer allfälligen
neuen Regierung so schwer wie möglich machen, die Fidesz-Politik
rückabzuwickeln – denn eine Verfassungsmehrheit wird Herausforderer Magyar
wohl nicht erreichen.
Die ungarische Zivilgesellschaft lässt sich davon bisher nicht
einschüchtern. „Mit diesem Verbot könnte die Regierung jene erst recht zur
Teilnahme bewegen, die zuvor noch gezögert haben“, vermutet Pető sogar.
Bereits am Sonntag hatten Tausende in Budapest protestiert. Vor der
Parlamentsabstimmung am Montag versuchten Oppositionspolitiker und andere
Demonstranten dann, die Einfahrt zu einem der Parkhäuser des Parlaments zu
blockieren. Die Polizei entfernte sie gewaltsam. Auch zu neuerlichen
Protesten wurde bereits aufgerufen. Die Pride-Parade soll wie geplant am
28. Juni stattfinden – womöglich größer denn je.
15 Apr 2025
## LINKS
[1] /World-Press-Photo-Ausstellung-in-Ungarn/!5967150
[2] /Ungarn-auf-Abwegen/!6076711
[3] /Besuch-in-Budapest/!6076586
## AUTOREN
Florian Bayer
## TAGS
Ungarn
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