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# taz.de -- Architektur der Moderne in Berlin: Blick in beide Richtungen
> Eine Ausstellung im Mitte Museum zeigt die architektonischen Visionen der
> Moderne im Osten und Westen Berlins – und wie diese heute bewohnt werden.
Bild: Gute Aussicht aus dem „QP-61-Wohngebäude, Mollstraße, KMA II – #2�…
„Vor die beiden jüngst in der Stalinallee gebauten, architektonisch sehr
unschönen Häuser könnte man in der Linie der Straßenfront Reihen von 30-
bis 40-jährigen Bäumen pflanzen, die die schlechte Architektur unsichtbar
machen“, schreibt der Moskauer Chefarchitekt Alexander Wlassow am
23.12.1951 im SED-Organ „Neues Deutschland“.
Eine ganze Seite widmet das ND dem architektonischen Prestigeobjekt. Unter
der ins Detail gehenden Kritik, so findet Wlassow „die Gestaltung der
Erdgeschosse trocken und uninteressant“, ist der Entwurf einer Fassade des
Kollektivs Paulich abgedruckt.
Daneben stellt das [1][Mitte Museum] Postkarten mit filigranen Zeichnungen
der geplanten Wohnblöcke aus, die unter der Losung „Wer so baut, will den
Frieden“ ab 1952 in der DDR als Werbemittel für das nationale
Aufbauprogramm eingesetzt werden. Das dritte spannende Zeitdokument der
Ausstellung „Duett der Moderne“ ist ein von Karl-Heinz Wirth aus der
Vogelperspektive gezeichneter Plan, der Berlins baulichen Zustand vom
Hansaviertel bis zum Ernst-Reuter-Platz 1957 detailliert dokumentiert.
Im Vorfeld der im selben Jahr stattfindenden Interbau, in der [2][die von
internationalen Architekten gestaltete Neubebauung des Hansaviertels] der
Öffentlichkeit vorgestellt wurde, gab es 14 Enteignungsverfahren,
informiert der Begleittext und zitiert dabei den damaligen Westberliner
Bausenator Karl Mahler: „Die Interbau ist ein klares Bekenntnis zur
westlichen Welt. Sie soll zeigen, was wir unter modernem Städtebau
verstehen, im Gegensatz zum falschen Prunk der Stalinallee.“
Fotografien von Bettina Cohnen
Damit ist das Spannungsfeld der Ausstellung „Duett der Moderne“ im Mitte
Museum umrissen. Ihr Ausgangspunkt sind Fotografien von Bettina Cohnen, die
sie seit 2022 im Hansaviertel und an der Karl-Marx-Allee gemacht hat.
Großformatige Abzüge öffnen in der Schau den Blick in acht Wohnungen der
zwei Viertel.
Zu jeder Wohnung gibt es eine Info-Karte, die das Gebäude
architekturhistorisch einordnet, detailliert beschreibt und als Grundriss
zeigt. So steht das 1952 von Hermann Henselmann entworfene Hochhaus an der
Weberwiese mit seiner repräsentativen Strenge und Monumentalität
exemplarisch für den sozialistischen Klassizismus, während Oscar Niemeyers
siebenstöckiges Gebäude an der Altonaer Straße sich auf eine scheinbar
schwebende Konstruktion von V-förmigen Betonpfeilern stützt und so ein
offenes Erdgeschoß propagiert.
Der Impuls der Ausstellungskuratoren Hendrik Bohle und Jan Dimog von „The
Link“, einem Büro für Architektur- und Baukulturvermittlung, die
architektonischen Meisterleistungen am Ostberliner Prachtboulevard und am
Hansaplatz zusammen zu würdigen, geht auf. Weil man genau beschreibt,
behutsam einordnet und sich gleichzeitig anschaut, wie sie jetzt genutzt
werden.
Schaut man mit dem Blick der Fotografin Bettina Cohnen in die Wohnung im
Hochhaus an der Weberwiese und sieht sich die acht Fotos an, dann bleibt
das Auge erst mal an vielen Details hängen. Wie dem Fahrrad, das an der
Wand hängt. Dann aber fällt das hohe Fenster auf, das viel Licht in die
Wohnung lässt.
Menschen in ihrer Bewegung
Cohnen geht es um das konkrete Leben in den Wohnungen. So fotografiert sie
dort erst, nachdem sie die BewohnerInnen kennengelernt hat – die sind dann
auch vor Ort und kommen immer wieder mit aufs Bild. Nicht wenige Bilder,
die mit einer analogen Kamera aufgenommen wurden, haben etwas bewusst
Flüchtiges. Menschen werden in ihrer Bewegung aufgenommen, im Gegensatz zur
Statik der Architektur.
So fotografiert Cohnen im Wohnzimmer des Mehrfamilienhauses (Architekt:
Paul Schneider-Esleben) in der Klopstockstraße durch das große
Panoramafenster den kleinen Garten und die, die sich dort aufhalten.
Das Hansaviertel wurde fast vollständig durch Luftangriffe zerstört. „Duett
der Moderne“ zeigt auch einige der ab 1947 entstandenen Fotos: Eine
Bestandsaufnahme des Bezirks Tiergarten. Für uns heute ist es die
Möglichkeit, den Grad der Zerstörung zu erfassen. Am Weg zum
Oscar-Niemeyer-Haus stand bis 1943 das Haus Altonaer Straße 6. Heute
erinnert hier ein Stolperstein an die Familie Holländer, die 1938 von hier
in die Niederlande floh und 1944 von dort ins Konzentrationslager
Bergen-Belsen deportiert wurde.
15 Apr 2025
## LINKS
[1] /Berliner-Kultur-von-Kuerzungen-bedroht/!6054078
[2] /Hansaviertel-in-Berlin-wird-60-Jahre-alt/!5422425
## AUTOREN
Katja Kollmann
## TAGS
Ausstellung
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Architektur
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Schwerpunkt Utopie nach Corona
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Architektur
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