# taz.de -- Schwarz-rote Koalition: Als Kanzler muss sich Friedrich Merz versch… | |
> Nur noch ein Viertel der Bevölkerung ist mit seiner Arbeit zufrieden. | |
> Dabei hat Merz' Kanzlerschaft noch nicht einmal begonnen. Was er ändern | |
> müsste. | |
Bild: Friedrich Merz, Unions-Kanzlerkandidat und CDU-Bundesvorsitzender, sprich… | |
Als Friedrich Merz am Mittwoch am Redepult im Paul-Löbe-Haus steht, könnte | |
das ein großer Moment für ihn sein. Schwarz-Rot hat sich auf einen | |
Koalitionsvertrag geeinigt, bald werden Union und SPD ihn zum Kanzler | |
wählen. Doch Merz findet nicht die passenden Worte. In Spiegelstrichmanier | |
zählt er auf, was die künftige Koalition sich so alles vorgenommen hat. | |
Statt eines großen Bogens: Klein-Klein. | |
Merz hat seine Rolle als Kanzler noch nicht gefunden. Und eine | |
sinnstiftende Erzählung, die diese Koalition grundieren sowie beflügeln | |
kann, fehlt auch. „Verantwortung für Deutschland“ steht auf dem | |
Koalitionsvertrag, das klingt maximal uninspiriert. Und so lesen sich die | |
144 Seiten auch. | |
Nun kann man sagen: In diesen kritischen Zeiten, in denen die Demokratie | |
von außen und innen unter Beschuss steht, braucht das Land vor allem | |
Stabilität. Und eine Regierung in der politischen Mitte, die die Probleme | |
angehen will – das ist doch schon was. Das stimmt. Doch auch für den Erfolg | |
einer solchen Regierung braucht es mehr als einen Kanzler, der erst | |
gnadenlos polarisiert und dann mühsam vereinbarte Einzelmaßnahmen | |
auflistet. | |
Viele Jahre lang hat Merz politisch als „Anti“ funktioniert, das ist seine | |
Art, Politik zu machen. Erst stand er in Gegnerschaft zu Angela Merkel, als | |
diese noch Kanzlerin und CDU-Chefin war. Dann war er Gegenspieler zur | |
Ampel, den Grünen und SPD-Kanzler Olaf Scholz. Als Oppositionsführer hat | |
das funktioniert. | |
Im Wahlkampf aber ging Merz in seinem Populismus zu weit: Beim Thema | |
Schulden hat er nicht die Wahrheit gesagt und haltlose Versprechen bei | |
Migration, Sozialem und Steuererleichterungen gemacht. Das hat der Union | |
zwar den Wahlsieg, aber ein schlechtes Ergebnis eingebracht – mit nur einer | |
einzigen Koalitionsoption und starken Rechtsradikalen im Bundestag. | |
Merz’ Glaubwürdigkeit – von der gemeinsamen Abstimmung mit der AfD ohnehin | |
angeschlagen – hat noch weiter gelitten, die Zustimmungswerte sind | |
runtergerauscht: Laut Umfragen ist nur noch ein Viertel der Bevölkerung mit | |
seiner Arbeit zufrieden. Merz zieht geschwächt ins Kanzleramt. | |
Er muss jetzt den Schalter umlegen: das Polarisierende und Spalterische, | |
das Disruptive ablegen. Und sich stattdessen darauf besinnen, was ein | |
Kanzler einer lagerübergreifenden Koalition nun einmal tun muss, wenn | |
diese Erfolg haben will: nicht nur führen, sondern auch integrieren und | |
moderieren. | |
Das gilt nicht nur innenpolitisch, sondern auch mit Blick auf Europa, wo | |
Deutschland eine herausgehobene Rolle zukommt. Man könnte auch sagen: | |
[1][Merz muss sich verscholzen,] ein bisschen zumindest. Manche seiner | |
Anhänger*innen werden dann umso lauter „Verrat!“ schreien. Aber anders | |
wird es nicht gehen. Ob Merz das kann? Als Vorsitzender seiner Partei ist | |
ihm das intern zumindest zum Teil gelungen. | |
## Jetzt ist solide Arbeit nötig | |
Doch das Problem liegt weit tiefer als in Merz’ Persönlichkeit und seiner | |
Art, Politik zu machen. Die Christdemokratie steht, wie der Konservatismus | |
überall in Europa, unter dem Druck rechtsradikaler Populist*innen. Und | |
hier wie dort finden sie keine Antwort darauf. Die Union hat sich von der | |
AfD in einen populistischen Wahlkampf treiben lassen, hat sich ihr in Ton | |
und Inhalt angenähert, insbesondere bei der Migration, aber auch, was den | |
Umgang mit den Grünen, der Linken und der Zivilgesellschaft angeht. | |
Nach der Wahl und in Koalitionsverhandlungen ist sie wieder in der Realität | |
angekommen. Zwar hat sie [2][Verschärfungen etwa im Bereich Asy]l und beim | |
Bürgergeld durchgesetzt – auch weil die SPD weiß, dass ein Teil ihrer | |
Klientel genau das will. Erkennen musste die Union aber auch: Wer eine | |
demokratische Regierung will, muss Kompromisse machen. Und einsehen, dass | |
man nicht einfach alle Fortschritte zurückdrehen kann. | |
Nun ist die Lage der deutschen Christdemokratie im Vergleich zu anderen | |
konservativen Parteien in Europa bislang noch einigermaßen stabil. In | |
Umfragen hat die AfD aber gleichgezogen. Aufhalten wird die Union diesen | |
Trend nicht mit Populismus, Ressentiments und politischen Forderungen am | |
Rande der Legalität, die ihnen später Gerichte um die Ohren hauen. | |
Vielleicht aber mit dem, was man früher auch mit Konservatismus verband: | |
solider Arbeit in einer Koalition; Kompetenz beim Thema innere und äußere | |
Sicherheit; und dem Einsatz für einen Staat, der funktioniert. | |
Ansätze dafür stecken durchaus im schwarz-roten Koalitionsvertrag. Nicht | |
bei allem werden die gesellschaftliche Linke und Linksliberale klatschen, | |
sondern manches politisch bekämpfen und zu verhindern suchen. Aber so ist | |
das in der Demokratie. Wenn die Konservativen anständig bleiben, geht das | |
in Ordnung. | |
12 Apr 2025 | |
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## AUTOREN | |
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