# taz.de -- EU plant mehr Schutz für Nutzer:innen: Digital ist noch zu unfair | |
> Wer im Netz unterwegs ist, ist ständig Zielscheibe von Werbung und | |
> Manipulationen. Die EU-Kommission will das mit einem neuen Gesetz | |
> verbessern. | |
Bild: „Unser Verhalten wird gelenkt in Richtung schnelles Kaufen und schnelle… | |
Berlin taz | Jetzt buchen, nur noch ein Apartment frei, schreit die | |
Online-Reiseplattform. Drehe das Glücksrad und bekomme vielleicht einen | |
Rabatt auf deinen Einkauf, lockt das Shopping-Portal. Cookie-Einstellungen? | |
Groß und grün leuchtet der Okay-Button, klein und grau versteckt sich in | |
der Ecke ein „Nein Danke“. | |
Es sind Muster, die praktisch alle, die im Internet unterwegs sind, zur | |
Genüge kennen: Dark Patterns heißen sie, dunkle Muster. Denn sie sollen | |
durch geschicktes Design die Nutzenden zu einer bestimmten Handlung | |
bewegen, die im Sinne des Anbieters ist: das Apartment jetzt buchen, | |
möglichst oft auf die Seite des Shopping-Portals surfen und bei den Cookies | |
alles abnicken. | |
Eigentlich sind Dark Patterns bereits verboten. [1][Der Digital Services | |
Act (DSA) der EU] legt fest, dass Betreiber von Webseiten die | |
Nutzer:innen nicht täuschen oder manipulieren dürfen. Dass die | |
Webseiten-Betreiber Dark Patterns dennoch häufig einsetzen, liegt laut den | |
Verbraucherzentralen daran, dass bisher die Rechtsprechung fehlte: Die | |
Gerichte müssten entscheiden, welche Praktiken als Dark Patterns | |
einzustufen sind. | |
Die EU-Kommission jedenfalls hat Dark Patterns als eines der großen | |
Probleme ausgemacht, unter denen Verbraucher:innen im Netz leiden – und | |
will aktiv werden über den DSA hinaus. Die Logik dahinter ist ganz im Sinne | |
der Tradition der EU. Zu deren Kernaufgaben gehört die Förderung des | |
Binnenmarktes. | |
Wenn nun aber Unternehmen in der Breite Nutzer:innen manipulieren und so | |
zu Entscheidungen bewegen, die mehr im Interesse der Firmen als der | |
Verbraucher:innen sind, dann könnte das „zu einem Vertrauensverlust | |
seitens der Verbraucherinnen und Verbraucher führen“. So heißt es in einer | |
Arbeitsunterlage der EU-Kommission, mit der sie ein neues | |
Verbraucherschutzgesetz anstößt: den Digital Fairness Act. | |
## Digital Fairness Check | |
Es sind nicht nur Dark Patterns, die die Kommission in dem neuen Gesetz | |
adressieren will. Um herauszufinden, wo Nachbesserungsbedarf ist, hatte sie | |
im vergangenen Jahr den Digital Fairness Check gestartet. Dabei wurde | |
untersucht, ob die drei wichtigsten europäischen Verbraucherrichtlinien | |
auch Lösungen für die Probleme des digitalen Zeitalters bieten. Die | |
Antwort: Nicht so richtig. | |
In einem „[2][Mission Letter“], einer Art grober Aufgabenplan, den | |
EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen an ihre neuen Kommissar:innen | |
verschickt hat, skizziert sie das Vorhaben für den neuen Justiz-Kommissar | |
Michael McGrath folgendermaßen: „Sie werden ein Gesetz zur digitalen | |
Fairness entwickeln, um gegen unethische Techniken und Geschäftspraktiken | |
im Zusammenhang mit Dark Patterns vorzugehen, gegen Marketing von | |
Social-Media-Influencern, gegen die süchtig machende Gestaltung digitaler | |
Produkte und Online-Profiling, insbesondere wenn die Schwächen der | |
Verbraucher für kommerzielle Zwecke ausgenutzt werden.“ Auch wenn die | |
Details noch unklar sind: Es soll schnell gehen. Noch für dieses Jahr ist | |
die öffentliche Konsultation geplant, Ende des Jahres könnte dann der | |
Gesetzentwurf stehen. | |
## Widerstand aus der Wirtschaft | |
In der Wirtschaft wird das Vorhaben nicht gerade mit Begeisterung | |
aufgenommen. So fordert etwa der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel | |
(bevh), von neuen Regeln abzusehen. Stattdessen solle die EU das geltende | |
Recht konsequenter umsetzen – und zum Beispiel stärker gegen Verstöße von | |
Händlern in Nicht-EU-Staaten vorgehen. Ähnlich sieht man das beim | |
Digital-Verband Bitkom: Neue Regeln würden die Wettbewerbsfähigkeit | |
europäischer Plattformen beeinträchtigen. | |
„Die EU hat tatsächlich in der letzten Legislaturperiode einige | |
Digital-Regulierungen gemacht – aber davor eben sehr lange nichts“, sagt | |
Stefanie Grunert, Expertin für Handel und Recht beim Verbraucherzentrale | |
Bundesverband (vzbv). Dass die EU-Kommission nun Nachbesserungsbedarf in | |
Sachen Verbraucherrecht erkenne, sei erst einmal sehr gut. Nun komme es | |
einerseits darauf an, dass auch die konkrete Ausgestaltung des Gesetzes für | |
alle Beteiligten Klarheit schaffe. Und andererseits darauf, nicht nur gegen | |
die von der Kommission ins Spiel gebrachten Punkte wie manipulative Designs | |
und Influencer-Marketing vorzugehen. Sondern weitere Bereiche in den Blick | |
zu nehmen. | |
Dazu gehöre etwa, dass Online-Plattformen immer noch nicht ausreichend | |
haftbar seien für die Produkte, die über sie verkauft werden. Und dass bei | |
Bewertungen von Nutzer:innen längst nicht immer unterschieden werde | |
zwischen Bewertungen von echten Kund:innen – und solchen, die ein Produkt | |
kostenlos zugeschickt bekommen haben und es daher tendenziell wohlwollender | |
bewerten. | |
## Was ist mit dem Klimaschutz? | |
Noch weiter geht die NGO Campact. Sie fordert: digitale Fairness müsse auch | |
den Klimaschutz berücksichtigen. „Die Digitalisierung als Ganzes schadet | |
dem Klima momentan mehr als sie nutzt“, sagt der Aktivist und | |
Kommunikationsberater Friedemann Ebelt. „Müllfluencing“ sei es, was im | |
Internet heute Standard sei: „Unser Verhalten wird gelenkt in Richtung | |
schnelles Kaufen und schnelles Konsumieren von Inhalten.“ | |
Ebelt zufolge müsse die EU den Anbietern im ersten Schritt Transparenz | |
verordnen. Was verbraucht eine Webseite, eine Plattform, eine KI und die | |
dahinterstehende Infrastruktur an Strom? Und aus welchen Quellen kommt | |
dieser? Dabei glaubt Ebelt gar nicht unbedingt, dass Nutzer:innen sich | |
großartig daran orientieren würden. Aber eine entsprechende | |
Transparenzpflicht würde Anbieter dazu verpflichten, genauer hinzuschauen – | |
und darüber hinaus belastbare Zahlen zu liefern, die Aufschluss darüber | |
geben könnten, wie weit die Digitalisierung eigentlich von ökologischer | |
Fairness entfernt ist. | |
17 Mar 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Digital-Markets-und-Digital-Services-Act/!5992274 | |
[2] https://commission.europa.eu/document/download/907fd6b6-0474-47d7-99da-4700… | |
## AUTOREN | |
Svenja Bergt | |
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