# taz.de -- Digital Markets und Digital Services Act: Das Internet wird viellei… | |
> In diesen Wochen werden die beiden EU-Plattformgesetze wirksam – oft | |
> zugunsten von Nutzer:innen. Was sich ändert und was das im Detail | |
> bedeutet. | |
Bild: Dürften nach Fertigstellung des aktuellen iOS-Updates etwas weniger exkl… | |
Manchmal zeigen sich große Veränderungen im Kleinen. Zum Beispiel für | |
Nutzer:innen von [1][Apples] iOS-Geräten. Mit der Version 17.4 des | |
Betriebssystems macht Apple das zuvor Undenkbare: Es öffnet sein System für | |
alternative App-Stores. | |
Und nicht nur das: Das Bezahlen über die NFC-Funktion, bislang Apple Pay | |
vorbehalten, können dann auch andere Apps anbieten. Auch Browser anderer | |
Hersteller – zum Beispiel Mozillas Firefox – dürfen auf das iPhone, auch | |
wenn sie nicht, wie bislang, auf Apples Safari basieren. | |
Es ist, als würde der goldene Käfig der Apple-Welt aufgesägt. Und die | |
iOS-Nutzer:innen bekommen die Chance, sich auch in der Welt außerhalb des | |
Apple-Käfigs zu bewegen. | |
Apple führt diese Neuerungen nicht freiwillig ein. Sie sind eine Konsequenz | |
aus dem [2][Digital Markets Act (DMA), dem Gesetz über digitale Märkte], | |
eine der beiden großen Plattformregulierungen der EU. Das andere ist der | |
[3][Digital Services Act (DSA]), das Gesetz über digitale Dienste. | |
Für beide gilt: In diesen Wochen und Monaten werden immer mehr Regelungen | |
aus den beiden Gesetzen wirksam – und kommen auch bei den Nutzer:innen | |
an. Der DMA hat den Markt und den (fehlenden) Wettbewerb im Blick. | |
## Mehr Wahlmöglichkeiten | |
Er macht Vorgaben für die größten Anbieter, die Gatekeeper, also | |
Torwächter. Das Apple-Beispiel zeigt exemplarisch den Kern des DMA: Er soll | |
dafür sorgen, dass die Gatekeeper weniger Macht haben und dafür alternative | |
Anbieter einfacher nutzbar sind und größere Chancen bei dem Markteintritt | |
haben. | |
„Der DMA gibt den Verbrauchern mehr Wahlmöglichkeiten“, sagt Miika Blinn, | |
Digitalexperte beim Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Mehr | |
Wahlmöglichkeiten heißt aus Verbraucherschutzsicht: sinkende Preise. | |
Das könnte etwa für iOS-Nutzer:innen zum Tragen kommen. Denn bislang | |
kassierte Apple zum Beispiel bei Käufen innerhalb einer App – etwa dem | |
Abschluss eines Abos – bis zu 30 Prozent Provision. Fällt diese weg, | |
könnten die Anbieter ihre Produkte entsprechend billiger anbieten. | |
„Verbraucher müssen das Recht haben, alternative Dienste als Standard | |
einzurichten und vorinstallierte Apps auf dem Handy zu löschen, so sie | |
nicht zwingend notwendig für das Funktionieren des Betriebssystems sind“, | |
sagt Blinn. Auch der Punkt Datenportabilität könnte für Nutzer:innen | |
interessant werden. | |
Darauf könnte sich zum Beispiel berufen, wer von X, ehemals Twitter, zu | |
einem anderen Anbieter wie Mastodon oder Bluesky wechseln und die Kontakte | |
und geposteten Inhalte transferieren möchte. | |
Auch für Nutzer:innen des populären Messenger-Dienstes [4][Whatsapp | |
könnte in den kommenden Monaten eine zentrale Änderung kommen:] die | |
Möglichkeit, über die App auch mit Nutzer:innen anderer | |
Messenger-Dienste zu kommunizieren. Das Zauberwort des DMA ist | |
„Interoperabilität“. Die großen Diensteanbieter müssen auf Antrag von | |
kleineren ihre Schnittstellen öffnen, damit kleiner und großer Dienst | |
interoperabel werden. | |
## Beschwerdemanagement wird Muss | |
Die Interoperabilität wird schrittweise verordnet: Von Text-, Bild- und | |
Videonachrichten und Dateien an Einzelpersonen bis zu Sprach- und | |
Videotelefonie, die erst in drei Jahren möglich sein muss. Allerdings haben | |
die EU-Gremien die Rechnung ohne die kleineren Anbieter gemacht. | |
Die als datenschutzfreundlich bekannten Messenger Signal und Threema | |
beispielsweise haben in der Vergangenheit bereits abgewunken. Ihr Argument: | |
Eine Öffnung ihrerseits zu Whatsapp würde die Datensicherheit ihrer | |
Nutzer:innen schmälern. | |
Frisch im Februar sind die Regeln des DSA vollständig wirksam geworden. Die | |
Regeln gelten nicht mehr nur für die sehr großen Onlineplattformen mit | |
jeweils mehr als 45 Millionen aktiven Nutzer:innen, wie Google, Facebook | |
oder Tiktok. | |
Auch alle anderen Onlineplattformen müssen sich jetzt anschließen, außerdem | |
Internetanbieter und Hosting-Unternehmen an die Regeln halten, egal, ob sie | |
national oder international tätig sind. | |
Zu den Regeln gehören Vorgaben, wie schnell die Plattformen | |
Falschinformationen und Hassrede entfernen und gegebenenfalls Profile | |
sperren müssen, und dass besonders sensible persönliche Daten – etwa zu | |
sexueller Orientierung oder Religionszugehörigkeit – nicht die Basis für | |
Werbung sein dürfen. | |
Plattformen müssen ein Beschwerdemanagement einrichten und Marktplätze wie | |
Amazon müssen ernsthaft etwas gegen Betrug und Produktfälschungen | |
unternehmen. Bei Nichteinhaltung drohen den Unternehmen Strafen in Höhe von | |
bis zu sechs Prozent des globalen Umsatzes. | |
## Es gibt noch viel Nachholbedarf | |
Gegen Tiktok hat die EU-Kommission jüngst ein Verfahren eingeleitet. Es | |
gehe um Mängel in den Punkten „Jugendschutz, Transparenz bei Werbung, | |
Datenzugang für Forscher sowie Risikomanagement in Bezug auf süchtig | |
machendes Design und schädliche Inhalte“, teilte die Kommission mit. | |
Alltagsrelevant ist auch das Verbot von sogenannten Dark Patterns. Das sind | |
Designelemente etwa in Apps oder auf Webseiten, die Nutzer:innen | |
manipulieren. Zum Beispiel ist die Schaltfläche für die Einwilligung zum | |
Datensammeln groß und grün mit dem Wort „Okay“, die fürs Ablehnen klein … | |
grau in der Ecke platziert. Der vzbv kam allerdings in einer ersten Bilanz | |
im Dezember zu einer ernüchternden Bilanz. Große Anbieter wie Amazon | |
nutzten diese Tricks weiterhin. | |
Auch Deutschland ist im Verzug: Das Gesetz, das die nationale Umsetzung des | |
DSA regelt, hätte bis zum 17. Februar fertig sein müssen – doch das | |
Gesetzgebungsverfahren läuft noch. Das Gesetz soll unter anderem die | |
Grundlage für eine zentrale Koordinierungsstelle legen, bei der sich | |
Nutzer:innen beschweren können. | |
Bei einer Anhörung im Digitalausschuss des Bundestages in der vergangenen | |
Woche kritisierten die geladenen Expert:innen noch zahlreiche Details | |
des Gesetzentwurfs – von einem fehlenden Schutz für Whistleblower:innen, | |
die auf Verstöße gegen die DSA-Vorgaben hinweisen, bis zur Regelung, wer im | |
zuständigen DSA-Gremium der EU Deutschland vertritt und das Stimmrecht hat. | |
Momentan ist Deutschland dort, mangels Rechtsgrundlage, noch mit Gaststatus | |
unterwegs. | |
29 Feb 2024 | |
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## AUTOREN | |
Svenja Bergt | |
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