| # taz.de -- Aktivist über Katastrophe in Sudan: „Das bereitet mir schlaflose… | |
| > Mohamed Hassan leitet eine Menschenrechtsorganisation in Sudan. Er | |
| > kritisiert den Zerfall seines Landes und den US-Hilfsstopp mit | |
| > humanitären Folgen. | |
| Bild: Besonders kritisch ist die Lage im Vertriebenenlager ZamZam nahe der Stad… | |
| Taz: Herr Hassan, wie sehen Sie die derzeitige Entwicklung in Sudan? | |
| Mohammed Hassan: Wir sind in einer absolut kritischen Phase. In den | |
| vergangenen Wochen haben sich zahlreiche Gruppen in Kenias Hauptstadt | |
| Nairobi getroffen, um [1][eine Exil-Regierung zu gründen] und eine Art | |
| Verfassung auszuformulieren für einen „Neuen Sudan“. Darunter war nicht nur | |
| die paramilitärische RSF, sondern auch andere Organisationen wie Sudan | |
| People's Liberation Movement-North (al-Hilul), SPLM North, die | |
| al-Hadi-Gruppe und verschiedene SLM-Fraktionen, also alles kleine | |
| Rebellengruppen, die bislang mit der Regierungsarmee im Konflikt lagen. | |
| Beteiligt haben sich auch politische Parteien wie die National Umma Party | |
| des früheren Premierministers. Sie alle wollen zusammen eine neue Regierung | |
| bilden. Aber nicht im ganzen Land. Wir sehen derzeit, wie die RSF-Truppen | |
| [2][sich aus der Hauptstadt Khartum zurückziehen] und sich in Süd-Darfurs | |
| Hauptstadt Nyala zusammenziehen. | |
| Taz: Befürchten Sie, dass das Land in zwei Teile gespalten wird? | |
| Mohammed Hassan: Das scheint derzeit das Ziel der RSF zu sein, ja. Wir | |
| beobachten, wie die RSF den Internationalen Flughafen in Nyala ausbaut und | |
| dort täglich schwere Maschinen landen, aus Dubai oder anderen Ländern, die | |
| Waffen und Munition liefern und umgekehrt Rinder, Ziegen oder auch | |
| Mineralien und Gold exportieren, um diese Waffen zu bezahlen. Die | |
| RSF-Führung richtet sich dort nun ein, baut Verteidigungsstellungen auf. | |
| Nyala wird also die neue Hauptstadt des RSF-Gebietes: militärisch, | |
| administrativ und auch ökonomisch. | |
| Taz: Was bedeutet dies für die humanitäre Lage der Menschen in Sudan? | |
| Mohammed Hassan: Die Situation war bereits extrem schlimm. Doch seitdem die | |
| US-Administration im Januar angekündigt hat, die [3][Entwicklungsagentur | |
| USAID dicht zu machen], sind wir nun an einem kritischen Punkt angelangt. | |
| Von einem Tag auf den anderen fehlte plötzlich vielen | |
| Nothilfe-Organisationen das Geld, vom Roten Kreuz bis hin zum | |
| UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR. Betroffen sind vor allem die Vertriebenen in | |
| den Lagern, die jetzt keine Lebensmittel und keine Gesundheitsversorgung | |
| mehr erhalten. Ich habe vor wenigen Tagen erst Informationen von unseren | |
| Leuten erhalten aus dem Lager Kalma außerhalb von Nyala in Süd-Darfur. Dort | |
| mussten die Hilfswerke die Lebensmittelrationen um 70 Prozent pro Person | |
| kürzen. Die Leute hungern. | |
| Taz: Die Lage ist besonders kritisch im Vertriebenenlager ZamZam nahe der | |
| Stadt el Fasher, die von der RSF umzingelt und belagert wird. Was hören Sie | |
| von dort? | |
| Mohammed Hassan: Dort spitzt sich die Lage gefährlich zu. Die RSF hat die | |
| Stadt el Fasher und das Lager ZamZam eingekesselt und beschießt die | |
| Menschen von außerhalb. Fast täglich sterben dort in ZamZam laut unserer | |
| Statistik durchschnittlich 20 Menschen durch Geschosse. Aufgrund der | |
| katastrophalen Sicherheitslage haben sich nun Hilfswerke wie Ärzte ohne | |
| Grenzen oder das Welternährungsprogramm endgültig aus ZamZam zurückgezogen. | |
| Jetzt werden die Menschen nicht mehr versorgt. Es gibt keine Medikamente, | |
| keine Nahrungsmittel mehr. | |
| Erst gestern erhielten wir Videos, in welchen ein Arzt in der | |
| Gesundheitsstation erklärt, dass er die Wunden der Verwundeten nicht | |
| versorgen kann. Die Schulen im Lager können den Kindern kein Mittagessen | |
| mehr geben und es gibt nicht einmal mehr Baby-Nahrung. Ich habe ein Video | |
| von einer Frau mit Baby erhalten. Das Kind ist gerade einmal einen Tag alt. | |
| Doch die Mutter ist so schwach, dass sie keine Brustmilch hat. | |
| Laut unseren Statistiken sterben nun täglich in ZamZam fünf bis sechs | |
| Kleinkinder an Mangelernährung. Die Menschen können nicht einmal mehr | |
| fliehen. Sie sind umzingelt und die RSF lässt sie nirgendwo hingehen. Viele | |
| haben sich nun Tunnel gebaut und Höhlen im Wüstensand, um sich vor den | |
| Bomben zu schützen. Doch dort ist es sehr heiß. Die Leute sind extrem | |
| traumatisiert. | |
| Taz: Ihre Organisation ist eine der wenigen, die das Leid im Sudan | |
| dokumentiert. Sind Sie ebenso betroffen von der Streichung der Hilfsgelder? | |
| Mohammed Hassan: Die ganze sudanesische Zivilgesellschaft ist davon | |
| betroffen, wir alle haben bislang vor allem Geld aus den USA erhalten. Wir | |
| hatten bislang vier verschiedene Geldgeber, die alle über USAID finanziert | |
| wurden. Von einem Tag auf den anderen erfuhren wir, dass all unser Geld | |
| einfach weg ist, ohne dass wir Alternativen planen konnten. Ich musste | |
| meine Leute entlassen. In Darfur hatten wir 15 Angestellte. 10 davon musste | |
| ich direkt kündigen, den anderen kann ich nun kein Transport- oder | |
| Telefongeld mehr zahlen, um Lager zu besuchen oder Interviews mit | |
| Vertriebenen zu führen. | |
| In Südsudan haben wir ein Büro mit drei Angestellten. Diese drei musste ich | |
| direkt entlassen, den Mietvertrag kündigen und auch hier in Kampala fahren | |
| wir nun alles herunter. Den 12 Angestellten hier kann ich nun für drei | |
| Monate nur 40 Prozent des Gehalts auszahlen, dann stehen sie auf der | |
| Straße. Erst vor wenigen Tagen habe ich den Mietvertrag gekündigt. Nach der | |
| Kündigungsfrist in drei Monaten machen wir alles dicht. Selbst ich habe nun | |
| kein Gehalt mehr und weiß nicht, wie es weitergeht. Das bereitet mir | |
| schlaflose Nächte. | |
| Taz: Was bedeutet all dies für die Lage im Sudan? | |
| Mohammed Hassan: Es wird wahrscheinlich alles noch viel schlimmer werden. | |
| Wir sehen, dass sich der Machtkampf zwischen den Kriegsparteien verschärft. | |
| Die humanitäre Katastrophe nimmt nun aufgrund der Entscheidung Trumps | |
| extreme Ausmaße an: Aber dann ist am Ende niemand mehr da, um diese | |
| Eskalation zu dokumentieren. | |
| 11 Mar 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Simone Schlindwein | |
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