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# taz.de -- Sudan droht der Zerfall: Zwei Armeen und zwei Regierungen
> Nach ihren jüngsten militärischen Rückschlägen will die aufständische RSF
> eine eigene Regierung gründen. Teile der zivilen Opposition sind dabei.
Bild: Abdul Rahim Dagalo (Mitte) bei der Zeremonie zur Unterzeichnung der Sudan…
Kairo taz | Seit fast zwei Jahren kämpfen in Sudan [1][General Mohamed
Hamdan Dagalo, kurz „Hametti“], Anführer der paramilitärischen Rapid
Support Forces (RSF), und [2][General Abdelfattah al-Burhan], Staatschef
und Leiter des sudanesischen Militärs (SAF), in einem [3][blutigen Krieg]
gegeneinander. Jetzt gibt es nicht nur zwei kämpfende Armeen, sondern auch
zwei rivalisierende Regierungen.
Die international anerkannte Regierung Burhan residiert in Port Sudan am
Roten Meer. [4][Am 22. Februar unterzeichneten in Kenias Hauptstadt
Nairobi] zahlreiche militärische Gruppen sowie politische und zivile
Organisationen eine Gründungscharta für eine von Hametti geleitete
Gegenregierung, die in den kommenden Wochen zustande kommen soll. Die
„Gründungsallianz für Sudan“ fordert die Errichtung eines autonomen Staat…
in den von den RSF kontrollierten Gebieten.
Zuvor hatte sich die zivile Koalition Taqaddum, die die wichtigsten zivilen
politischen Kräfte Sudans – darunter der ehemalige Übergangspremierminister
[5][Abdalla Hamdok] – vereint, gespalten. Taqaddum erklärte sich neutral
und setzte sich seit Kriegsbeginn stets für Frieden durch Verhandlungen mit
der RSF ein. Anhänger des Militärs warfen ihr daher vor, die RSF zu
unterstützen. Die kürzliche Spaltung der Koalition beruhte tatsächlich auf
einer solchen Unterstützung eines Teils ihrer Mitglieder. Während die eine
Hälfte um Hamdok weiterhin um Neutralität bemüht ist, stellte sich die
andere Hälfte in Nairobi offiziell an die Seite Hamettis.
Dieser präsentiert sich als Befreier der unterdrückten ländlichen Gebiete
Sudans. Seit Kriegsbeginn inszeniert er sich als Bekämpfer einer
islamistisch geprägten Militärregierung. In der Charta ist jetzt die Rede
vom Aufbau eines „säkularen, demokratischen und nicht zentralisierten
Staates“. Sudans ehemaliger Informationsminister Ibrahim Elmirghani von der
Demokratischen Unionspartei (DUP), Mitunterzeichner der Charta, nennt die
geplante Regierung eine „Regierung für Frieden und Einigkeit“.
## Sudan, ein gespaltenes Land
Diese Rhetorik ist historisch bedingt. Seit seiner Unabhängigkeit 1956 ist
das multiethnische Sudan sozial, politisch und wirtschaftlich gespalten in
ein herrschendes Zentrum in der Hauptstadt Khartum – Heimat der Eliten –
und die politisch unterdrückten und wirtschaftlich ausgebeuteten ländlichen
Regionen. Das führt immer wieder zu bewaffneten Konflikten in den
ländlichen Regionen Sudans, bei denen religiöse und ethnische Herkünfte
instrumentalisiert werden.
[6][Darfur, im Westen Sudans], ist eine solche Region. Aus ihr stammt
RSF-Anführer Hametti. „Hametti inszeniert sich als Erlöser der
Marginalisierten“, erklärt die politische Aktivistin Najda Mansour, die
selbst aus Darfur stammt. Dass seine Regierungspläne Frieden brächten,
davon könne man jedoch nicht ausgehen. Wie ihre Vorgängermiliz Janjaweed
begeht die RSF auch im jetzigen Krieg ethnisch motivierte Massenmorde.
Deshalb überrascht besonders ein Unterzeichner der RSF-Charta:
Rebellenführer Abdelaziz al-Hilu aus der ebenfalls unterdrückten Region der
[7][Nuba-Berge] im südlichen Sudan. Er führt die Sudanesische
Volksbefreiungsarmee SPLA-Nord an, der einstige nordsudanesische Flügel der
südsudanesischen Befreiungsbewegung SPLA, die 2011 Südsudan in die
Unabhängigkeit führte. Al-Hilu gilt als radikaler Demokrat und hatte die
Revolution gegen Sudans Militärdiktatur 2019 unterstützt.
Seit Kriegsbeginn haben die SPLA-N ihre Gebiete vor bewaffneten Übergriffen
verteidigt, sich aber keiner Seite angeschlossen. Nun unterstützen sie die
RSF. „Man muss davon ausgehen, dass al-Hilu eine Taktik verfolgt“, sagt
Mansour. Zuletzt waren die Nuba-Berge aufgrund von Hungersnot in den
Schlagzeilen: Die Armee hatte Hilfslieferungen in die Region blockiert.
## Steht die Armee vor dem Sieg?
Die RSF-Regierungsgründungsinitiative kommt zu einem Zeitpunkt, in dem
Sudans Armee Erfolge erzielt und einige RSF-kontrollierte Gebiete
zurückerobert hat, so etwa die Hauptstadt Khartum. Dieser Umstand lässt
einige Menschen glauben, die Armee unter Burhan stehe [8][kurz vor dem
militärischen Sieg]. In diesem Fall könnte Hamettis Schritt einen Rückzug
in die noch von ihm kontrollierten Gebiete bedeuten. Die
Kriegsentwicklungen der letzten zwei Jahre zeigen jedoch, dass sich die
militärischen Kräfteverhältnisse häufig und schnell verändern.
Die Regierung Burhan in Port Sudan beschuldigt die Vereinigten Arabischen
Emirate, wichtigster ausländischer Unterstützer der RSF, die Exilregierung
aufbauen zu wollen, um den Krieg zu verlängern. Sie beschuldigte auch
Kenias Präsident William Ruto, sich durch die Duldung der
Regierungsproklamation in Nairobi an „einer Verschwörung“ zu beteiligen,
und zog kurzerhand ihren Botschafter aus Kenia ab.
Die Gründungsallianz streitet dies ab. „Wir sind keine Parallelregierung
und keine Exilregierung, wir sind die rechtmäßige Regierung“, sagte al-Hadi
Idris gegenüber Reuters. Idris ist Anführer der Sudanesischen
Befreiungsarmee (SLA), ein Zusammenschluss verschiedener Rebellengruppen
aus Darfur und Unterstützer der geplanten Regierung. Andere Rebellengruppen
in Darfur unterstützen hingegen die Armee.
Es ist davon auszugehen, dass es sich bei Hamettis Regierungsbildung um den
Versuch einer internationalen Legitimation handelt. Sie verstetigt, wovor
viele schon lange warnen: die Möglichkeit einer weiteren Teilung Sudans.
Ähnlich wie im [9][geteilten Libyen] würden dann Burhan und die Armee die
Herrschaft im Zentrum und Norden Sudans übernehmen, die RSF-Regierung die
westlichen und südlichen Landesteile. Wie auch in Libyen ist es
unwahrscheinlich, dass eine solche Spaltung Frieden bringen würde.
5 Mar 2025
## LINKS
[1] /Vertreibung-aus-Sudan/!6039061
[2] /Umsturz-im-Sudan/!5588495
[3] /Schwerpunkt-Krieg-in-Sudan/!t5930698
[4] https://sudantribune.com/article297786/
[5] /Ruecktritt-von-Hamdok/!5823355
[6] /Die-Vorgeschichte-des-Kriegs-in-Sudan/!5943944
[7] /Humanitaere-Katastrophe-im-Sudan/!5111388
[8] /Sudans-Krieg-steht-vor-der-Entscheidung/!6065155
[9] /Wege-aus-der-Krise-in-Libyen/!5994912
## AUTOREN
Saskia Jaschek
## TAGS
Schwerpunkt Krieg in Sudan
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