# taz.de -- Aktivist über Aufmerksamkeit für Sudan: „Wir wollen erzählen, … | |
> Seit April 2023 ist im Sudan Krieg. Im Hamburg versucht Mohamed Elfatih | |
> Ahmed auf die Situation aufmerksam zu machen. | |
Bild: Machtkampf im Sudan: Jugendliche gehen Ende August 2024 durch eine von Ge… | |
taz: Herr Ahmed, aus welcher Gegend im Sudan kommen Sie? | |
Mohamed Elfatih Ahmed: Ich komme aus dem Bundesstaat Al-Dschazira. Ich bin | |
dann vor einigen Jahren in die Ukraine gegangen, um dort Medizin zu | |
studieren. Als der Ukraine-Krieg ausbrach, kam ich nach Hamburg und lebe | |
hier mittlerweile seit mehr als zwei Jahren. | |
taz: Im [1][April 2023 ist dann der Krieg im Sudan ausgebrochen]. Wie haben | |
Sie das erlebt? | |
Ahmed: Es war von Anfang an sehr schwierig für mich und alle sudanesischen | |
Bürger. Ich habe erst mal darüber nachdenken müssen, wie ich meiner Familie | |
im Sudan helfen kann und habe mich in Hamburg um eine Arbeitserlaubnis | |
bemüht, um meine Familie finanziell zu unterstützen. Die Erlaubnis habe ich | |
aber bis heute nicht bekommen. Ich habe dann mit vielen Freunden gesprochen | |
und gemeinsam überlegt, wie wir helfen können. So kam es zu der Idee, die | |
Gruppe „Talk About Sudan“ zu gründen. | |
taz: Der Krieg im Sudan wird auch als „der vergessene Krieg“ bezeichnet. | |
Wann haben Sie gemerkt, dass die Aufmerksamkeit für die Geschehnisse im | |
Sudan fehlt? | |
Ahmed: Von Anfang an. Die Medien haben nicht genug auf die Situation im | |
Sudan aufmerksam gemacht. Irgendwie ist das Thema nicht so interessant für | |
Europa. Es gibt nicht viele Bilder, weil das Land für Journalisten sehr | |
unzugänglich ist. Dort eine Kamera zu haben, ist schlimmer als eine Waffe. | |
Außerdem lag der Fokus der Berichterstattung beim Ukraine-Krieg und seit | |
dem 7. Oktober auch auf dem Konflikt zwischen Israel und Palästina. | |
taz: Obwohl sich im Sudan laut einem [2][Bericht des International Rescue | |
Committee] (IRC) in diesem Jahr wieder die größte humanitäre Krise der Welt | |
abspielt. | |
Ahmed: Der Sudan ist fünfmal so groß wie Deutschland. Die humanitäre Krise | |
ist größer als die in der Ukraine, in Palästina, im Libanon und in Somalia | |
zusammen. Natürlich sind alle diese Kriege schlimm, aber wir wollen, dass | |
die Leute auch wissen, was in unserem Land passiert. | |
taz: Was ist das Ziel von Talk About Sudan? | |
Ahmed: Wir wollen den Menschen erst mal erzählen, was in unserem Heimatland | |
gerade los ist. | |
taz: Wer ist bei Talk About Sudan organisiert? | |
Ahmed: Es hat mit mir angefangen. Ich habe im Herbst eine Kundgebung bei | |
der Polizei angemeldet und direkt viel Unterstützung bekommen von Bekannten | |
und anderen aktivistischen Gruppen. Zum Beispiel von der Black Community | |
und der Partei Die Linke, die das Ankündigungsplakat der Kundgebung auf | |
ihrer Website gepostet hat. In der Gruppe sind wir jetzt ungefähr 14 Leute. | |
Aber es gibt auch viele weitere, die uns immer wieder unterstützen. | |
taz: Welche Aktionen haben Sie außerdem auf die Beine gestellt? | |
Ahmed: Wir treffen uns zweimal die Woche im Internationalen Zentrum B5 in | |
St. Pauli. Wir haben einen Filmabend organisiert und weitere Kundgebungen. | |
Jeden Samstag kochen wir gemeinsam Essen und verteilen es im B5 auf | |
Spendenbasis. Die Gewinne gehen alle an Organisationen, die im Sudan Essen | |
verteilen. Wir wollen Schritt für Schritt außerhalb Hamburgs eine | |
sudanesische Community aufbauen, uns vernetzen. Außerdem ist Instagram | |
unsere Hauptplattform, um Informationen aus dem Sudan zu teilen. | |
taz: Woher bekommen Sie selber Ihre Informationen? | |
Ahmed: Wir haben Kontakt zu unseren Familien und es gibt auch | |
internationale Channels, in denen über das Thema geredet wird. | |
taz: Wie viel Zeit nimmt die Arbeit für Talk About Sudan gerade ein? | |
Ahmed: Eigentlich meine ganze Zeit. Weil ich auch die ganze Zeit mit vielen | |
Leuten über das Thema rede und mich sowieso damit beschäftige. Ich | |
übernehme momentan fast alles, was die Organisation angeht. | |
taz: Warum? | |
Ahmed: Ich will nicht so viel Druck auf die anderen in der Gruppe laden. | |
Aus anderen Projekten, in denen ich engagiert war, weiß ich, dass viele | |
Leute aufgegeben haben, weil die Themen sehr hart und sehr, sehr emotional | |
sind. Also versuche ich, das meiste auf meinen Rücken zu nehmen. | |
taz: Wie schaffen Sie es, so vieles alleine zu tragen? | |
Ahmed: Ich habe nichts anderes momentan. Und ich habe auch nichts, was ich | |
machen kann. Als ich aus der Ukraine hergekommen bin, hatte ich für sechs | |
Monate eine [3][Fiktionsbescheinigung]. | |
taz: Also nur eine vorübergehende Aufenthaltsgenehmigung. | |
Ahmed: Ja, ich habe nach Ablauf der sechs Monate einen Abschiebungsbescheid | |
bekommen. Ich wusste nicht, was ich mit meiner Zukunft machen soll. | |
Deswegen habe ich erst mal eineinhalb Jahre lang einen | |
Bundesfreiwilligendienst gemacht bei einer Beratungsstelle für Geflüchtete | |
und in der Gastronomie. Ich habe Vollzeit 40 Stunden gearbeitet und hatte | |
keine Zeit, an meinem C1-Niveau zu arbeiten. | |
taz: Sprachniveau C1 bräuchten Sie, um Ihr Studium fortsetzen zu dürfen. | |
Ahmed: Genau und ein Konto mit mindestens 10.000 Euro. Ich habe versucht, | |
mein Bestes zu geben. Aber es hat sich nicht viel geändert. Ich bin | |
geduldet. Ich habe seit fünf Monaten einen Arbeitsvertrag, aber habe noch | |
keine Arbeitserlaubnis erhalten. Ich habe vier Jahre Medizin studiert. Mir | |
fehlen noch vier Semester, aber ich darf nicht weiter studieren. Und ich | |
habe in Deutschland mehr Diskriminierung erlebt als in den vier Jahren in | |
der Ukraine. | |
taz: Möchten Sie davon mehr erzählen? | |
Ahmed: Seit wir aus der Ukraine geflohen sind, werden wir anders behandelt. | |
Ukrainische Geflüchtete haben einen sichereren Aufenthaltstitel erhalten, | |
obwohl wir vor dem gleichen Krieg geflohen sind. Dann ist da einmal die | |
Bürokratie: Mein Abitur wurde im Gegensatz zur Ukraine hier nicht | |
anerkannt. Und auch die alltäglichen Situationen: In der Ukraine wurde ich | |
nie als „Migrant“ angesehen. Seit ich die Grenze überquert habe, ist das | |
ständig Thema – ob durch die [4][AfD], im Fernsehen oder durch Blicke und | |
Kommentare auf der Straße. | |
taz: Sie kamen in die Ukraine, um zu studieren, mussten von dort fliehen, | |
obwohl Sie eigentlich kurz vor Ihrem Abschluss standen. Hier wird Ihnen | |
keine Möglichkeit gegeben weiterzustudieren. Wie halten Sie das durch? | |
Ahmed: Ich dachte irgendwann: Okay, obwohl alles schlecht und schlimm bei | |
mir läuft, kann ich vielleicht mit der Organisation „Talk About Sudan“ | |
zumindest etwas Gutes machen. Ich werde immer inspiriert von vielen | |
Menschen. | |
taz: Von wem? | |
Ahmed: Von Leuten, die für das Recht und gegen systematische | |
Diskriminierung gekämpft haben. | |
taz: Was wünschen Sie sich? | |
Ahmed: Dass noch viel mehr Leute versuchen, uns zu unterstützen. Wir wollen | |
auch mehr lernen. Zum Beispiel wie man einen Verein organisiert, denn wir | |
gründen gerade einen. Und ich wünsche mir, dass der Krieg und die Notlage | |
im Sudan ernster genommen werden. Die Menschen im [5][Sudan] und auch wir | |
wollen einfach Sicherheit und wir wollen einfach leben. | |
7 Mar 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Schwerpunkt-Krieg-in-Sudan/!t5930698 | |
[2] https://www.rescue.org/de/land/sudan | |
[3] https://welcome.hamburg.de/einreise-und-aufenthalt/hinweise-zur-aufenthalts… | |
[4] /Schwerpunkt-AfD/!t5495296 | |
[5] /Sudan/!t5010699 | |
## AUTOREN | |
Marie Dürr | |
## TAGS | |
Sudan | |
Schwerpunkt Krieg in Sudan | |
Hamburg | |
Aktivismus | |
Schwerpunkt Flucht | |
Social-Auswahl | |
Der Hausbesuch | |
Schwerpunkt Krieg in Sudan | |
Schwerpunkt Krieg in Sudan | |
Schwerpunkt Krieg in Sudan | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Der Hausbesuch: Für gute Nachrichten sorgen | |
Stefan Maier berichtete jahrelang aus Kriegsgebieten in Afrika, | |
Zain-Alabidin Al-Khatir floh 2013 aus dem Sudan. Nun tun sie gemeinsam | |
Gutes. | |
Sudan droht der Zerfall: Zwei Armeen und zwei Regierungen | |
Nach ihren jüngsten militärischen Rückschlägen will die aufständische RSF | |
eine eigene Regierung gründen. Teile der zivilen Opposition sind dabei. | |
Ausgangssperre in Südsudan nach Unruhen: Der Krieg in Sudan erreicht Südsudan | |
Südsudan hängt ökonomisch von Sudans Regierung ab, insbesondere im | |
Ölsektor. Aber es hat sich politisch mit der aufständischen RSF-Miliz | |
verbündet. | |
USA sprechen von Völkermord in Sudan: Genozidvorwurf gegen den Anführer der R… | |
Angehörige der aufständischen RSF-Miliz in Sudan „haben Genozid begangen“, | |
erklärt Antony Blinken. Die USA verhängen Sanktionen gegen RSF-nahe Firmen. |