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# taz.de -- Der Hausbesuch: Für gute Nachrichten sorgen
> Stefan Maier berichtete jahrelang aus Kriegsgebieten in Afrika,
> Zain-Alabidin Al-Khatir floh 2013 aus dem Sudan. Nun tun sie gemeinsam
> Gutes.
Bild: Stefan Maier (l.) und Zain-Alabidin Al-Khatir. Um sie herum Erinnerungsst…
Stefan Maier hatte die Idee und die Mittel, Zain-Alabidin Al-Khatir das
Wissen und die Kontakte. Zusammen mit anderen sind sie heute
„Hoffnungsmacher“.
Draußen: Die Wohnung gehört zu einem Mehrfamilienhaus in Stuttgart-Bad
Cannstatt, es liegt an einer verkehrsberuhigten Straße. Hinter dem Haus ist
ein großer Obstgarten, um den sich Stefan Maiers Partnerin Birgit Kurz
kümmert. Das Neckarstadion, das jetzt MHP-Arena heißt, ist drei Kilometer
Luftlinie entfernt. Wenn der VfB ein Tor schießt, jubelt zuerst der
Nachbar, der einen Streamingdienst abonniert hat. Danach erfährt Stefan
Maier vom Reporter der Radiosendung „SWR1 Stadion“, was passiert ist. Erst
dann kommt der Beifall vom Stadion auch hier an.
Drinnen: Stefan Maier und Birgit Kurz leben in einer Drei-Zimmer-Wohnung im
Erdgeschoss. Die gemeinsame Tochter ist längst aus dem Haus, dafür ist
jetzt Platz für ein Büro. Neben der Terrassentür steht ein
Wasser-Ruder-Gerät, in den Regalen und an den Wänden finden sich viele
Erinnerungsstücke an den Sudan. Jahrelang hat Stefan Maier aus diesem Land,
in dem immer wieder Krieg herrscht, berichtet. Unter den Souvenirs im Regal
ist eine handgeschnitzte Giraffe. Mit der hat sich ein alter Mann
stellvertretend bei dem Reporter für Lebensmittel des World Food Programmes
bedankt, die in 100-Kilogramm-Säcken über seinem Heimatdorf abgeworfen
wurden.
Begegnung: Am Wohnzimmertisch sitzt Zain-Alabidin Al-Khatir. Der 33-Jährige
stammt aus Karakoulle in der sudanesischen Region Darfur und ist heute aus
Hildesheim angereist. Mit ihm zusammen verwirklicht Maier gerade seine
Pläne. Vor einer Weile beschloss der Rentner, im Sudan eine Schule bauen zu
wollen. „Ich hatte nur keine Ahnung, wie.“ Er habe allen davon erzählt und
sich damit selbst unter Druck gesetzt. „Auf einer Feier meinte ein
ehemaliger Klassenkamerad dann, dass seine Kollegin mit einem Sudanesen
befreundet sei – es war Zain.“ Die beiden kamen ins Gespräch und es stellte
sich heraus, dass in Al-Khatirs Heimatort tatsächlich eine Schule fehlte.
Außerdem hatte er seine Mutter seit zehn Jahren nicht mehr gesehen. Maier
zahlte Flüge und Hotel, gemeinsam machten sich die beiden auf die Reise.
Unterschriften: Kurz vor dem Abflug am Frankfurter Flughafen, im März 2023,
begegneten sich Al-Khatir und Maier zum ersten Mal. „Wir verstanden uns
sofort.“ Gemeinsam flogen sie über Istanbul und Khartum nach Al-Faschir,
der Provinzhauptstadt von Nord-Darfur. Dort trugen sie dem Ortsvorsteher
von Karakoulle ihr Anliegen vor, der willigte ein. Nachdem sie ein
geeignetes Grundstück mit Wasserstelle ausfindig gemacht hatten, gingen sie
zum zuständigen Bürgermeister. Auch er unterschrieb prompt. Im
Bildungsministerium in der Provinzhauptstadt schickte man sie von einer
Instanz zur nächsten, bis sie beim Minister persönlich landeten. Der
schrieb alles mit und sagte dann: „Wir unterstützen euch!“ In diesen Tagen
sieht Zain-Alabidin Al-Khatir auch endlich seine Familie wieder. Das sei
sehr bewegend gewesen, sagt er.
Drei Monate: „Wir konnten also sofort anfangen“, erzählt Maier. Ein Onkel
von Al-Khatir ist Bauingenieur und half den beiden bei der Umsetzung. Doch
kurz nachdem Al-Khatir und Maier zurück nach Deutschland geflogen waren,
brach in der Region Darfur ein neuer Bürgerkrieg aus. Zwei Generäle, die
vorher zusammen gegen den alten Machthaber [1][Omar Al-Baschir] gekämpft
hatten, führten nun Krieg gegeneinander. Die Einwohner von Karakoulle
bauten die Schule trotzdem weiter, auch weil das Dorf von den
Kampfhandlungen nicht unmittelbar betroffen war. Drei Monate später war die
Schule fertig.
Albträume: Wegen des neuen Bürgerkriegs kann Al-Khatir vorerst nicht in
seine alte Heimat reisen. Fliehen musste er bereits 2013. „Ich war
regierungskritisch und habe das öffentlich gemacht.“ Daraufhin durfte er
nicht studieren, sein Leben sei in Gefahr gewesen. Seine Fluchtgeschichte
ist lang. Zunächst erreichte er Ägypten, musste sich anderthalb Jahre in
Libyen durchkämpfen, erfuhr Ausbeutung und Gewalt. Er hatte Angst vor
Schleusern, brauchte sie jedoch, um über das Mittelmeer nach Italien zu
gelangen. Die Überfahrt dauerte drei Tage. Das Schiff war überfüllt, der
Sprit zu knapp – aber sie wurden gerettet, erzählt er. „Die Angst verfolgt
mich bis heute in meinen Träumen.“ Schweißgebadet wache er auf.
Chancen: Ein weiterer Schleuser verkaufte ihm ein Ticket nach München, er
wurde weitergeschickt nach Sonthofen, Osnabrück, Bramsche, Braunschweig.
Sein erster Asylantrag wurde abgelehnt, Sudanesen keine Bleibeperspektive
zugesprochen. Nach Klage und Anhörung vor Gericht bekam Al-Khatir eine
zunächst auf drei Jahre begrenzte Aufenthaltsgenehmigung, die dann um zwei
Jahre verlängert wurde. „Ich habe immer an meine Chance geglaubt.“ Auch
Stefan Maier bewundert ihn für sein Durchhaltevermögen. „Ich weiß nicht, ob
ich das geschafft hätte.“
Machen: Al-Khatir habe sich trotz allem in Deutschland gut aufgenommen
gefühlt. „Ich wollte ankommen.“ Schnell lernte er Deutsch, ergriff im
Berufsbildungszentrum Hildesheim alle Maßnahmen, die jungen Geflüchteten
dort angeboten wurden, absolvierte Praktika in sechs Berufen und
schlussendlich eine Ausbildung als Mechatroniker. Gerade macht er seinen
Meister. Beim MTV Hildesheim hat er Fußball gespielt und seit Kurzem auch
die C-Lizenz als Trainer. Über seine Flucht hat er ein Buch geschrieben:
„Ums Überleben kämpfen“. Im Oktober 2022 erhielt Al-Khatir zusätzlich zur
sudanesischen auch die deutsche Staatsangehörigkeit.
Zufall: Al-Khatir hat viel Durchhaltevermögen an den Tag legen müssen, auf
Stefan Maiers Lebensweg spielten wiederum eher Zufälle eine Rolle. Erst
studierte er Geisteswissenschaften, doch „da sind die Chancen auf
Arbeitslosigkeit groß“. Ein Freund riet ihm, bei einem Privatradio Reklame
zu sprechen. Schnell wurde er freier Mitarbeiter, bekam ein Volontariat.
Der Süddeutsche Rundfunk (SDR) wurde auf ihn aufmerksam, Meier bekam einen
Job im Landesstudio seiner Heimatstadt Ulm. Später wechselte er zur
Landesschau, erhielt schließlich ein Angebot von der Auslandsredaktion.
„Manchmal braucht es Umwege, um seinen Traumberuf zu finden“, sagt Maier
heute.
Hoffnungsmacher: Millionen Menschen sind im Sudan auf der Flucht. Viele
Schulen im Land sind aufgrund der Kämpfe geschlossen. Anders in
Karakoulle. Inzwischen gehen dort 90 Kinder ins zweite Schuljahr. „Darauf
sind wir ein bisschen stolz“, sagt Stefan Maier. Die Schule und das Gehalt
der Lehrer hat er zunächst von seinem Ersparten finanziert. Damit das Geld
auch weiterhin fließt, hat er einen Verein gegründet: [2][„Die
Hoffnungsmacher“]. In Zarat Umra, der nächstgelegenen Stadt, bezahlt dieser
Verein mithilfe von Spendengeldern zwei Klassen einer weiterführenden
Schule. Und bei ihrem Treffen jetzt telefonieren die beiden Männer mit
Freunden im Tschad. „Dort planen wir ein größeres Projekt, mit Waisenhaus,
Schule und Verwaltung“, erklärt Al-Khatir.
Verantwortung: Mit Spenden müsse sorgsam umgegangen werden, sagt Maier. Das
Geld komme auf verschlungenen Wegen vor Ort an, aber jeder Euro werde
dokumentiert, sagt er, organisiert von Arabyie, dem Bruder von Al-Khatir,
der hauptberuflich als Arzt am örtlichen Krankenhaus arbeitet.
Zukunft: Die Migrationsdebatte in Deutschland beunruhigt die beiden
Freunde. „Ich wäre nicht hier, hätte es diese neuen Pläne schon gegeben,
als ich kam“, sagt Zain-Alabidin Al-Khatir. Und Stefan Maier: „Zain ist
doch ein Musterbeispiel für gelungene Integration, von der alle profitieren
– nicht nur er selbst, sondern auch die deutsche Gesellschaft.“ Angst mache
ihnen zudem der militärische Konflikt im Sudan. Doch sie seien
zuversichtlich, dass ihr Engagement etwas bringt. Kinder, die friedlich zur
Schule gehen können, seien die Zukunft eines Landes. Dazu wollen sie
beitragen.
26 Mar 2025
## LINKS
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[2] https://diehoffnungsmacher.de/
## AUTOREN
Stefan Siller
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