| # taz.de -- Reaktionen auf İmamoğlus Festnahme: Im Würgegriff des Erdoğan-R… | |
| > Deutsche Politiker finden nur wenig kritische Worte zur Verhaftung | |
| > İmamoğlus. Der Staatsstreich in der Türkei wirkt sich jedoch auch auf | |
| > Europa aus. | |
| Bild: Den Angriffen des Regimes trotzen nur die Demonstrierenden – so viel Ha… | |
| Lauwärmer als von Olaf Scholz, Ursula von der Leyen und Annalena Baerbock | |
| ließ sich der Protest gegen die [1][Verhaftung des Istanbuler | |
| Oberbürgermeisters Ekrem İmamoğlu] kaum formulieren: „Bedrückend für die | |
| Demokratie“, „äußerst besorgniserregend“, „Rückschlag für die Türk… | |
| In Sonntagsreden wird gern das moralische Projekt Europa und der alte | |
| Kontinent als Leuchtfeuer von Demokratie und Gewaltenteilung beschworen. Im | |
| Zweifelsfall siegen dann doch die nackte Interessen- und Geopolitik. | |
| [2][Statt den Staatsstreich einen Staatsstreich zu nennen], der das Land | |
| endgültig an den Kipppunkt zur Diktatur bugsiert, signalisierten drei | |
| wichtige Führer des Westens dem Autokraten in Ankara: Wir verurteilen Dich | |
| gemäß den diplomatischen Gepflogenheiten, mischen uns aber nicht ein. | |
| Die staatsmännische Leisetreterei hat ihren Grund. Sie nimmt Rücksicht auf | |
| die Türkei als Schutzschild gegen die Migration aus Mittelost, als Helfer | |
| für die Neuordnung Syriens nach dem Ausfall Russlands und des Iran. Ein | |
| eingebuchteter Oberbürgermeister, so sympathisch er auch gewesen sein mag, | |
| darf diese „strategische Partnerschaft“, so der Euphemismus für die | |
| Kumpanei mit einer immer unverhohleneren Diktatur, nicht behindern. | |
| Dieser moralischen Milchmädchenrechnung hat der Westen schon den seit 2017 | |
| inhaftierten Mäzen Osman Kavala geopfert. In der mutlosen Wortwahl von | |
| Berlin bis Brüssel spiegelt sich freilich auch die orientalistisch | |
| verzerrte Perspektive auf die muslimisch-asiatische Welt. Im Westen hält | |
| sich hartnäckig der Glaube, die „orientalische Despotie“, wie der Soziologe | |
| Karl August Wittfogel einst seinen legendären Klassiker zur politischen | |
| Staatstheorie betitelte, gehöre eben einfach zur genetischen | |
| Grundausstattung der Türkei. | |
| Als fiele das Land, ähnlich wie Turkmenistan, Tadschikistan oder | |
| Usbekistan, mit jedem Putsch eben wieder in einen gleichsam naturgegebenen | |
| Zustand zurück, nach dem Motto: Die Türken können nicht aus ihrer | |
| asiatischen Haut heraus. Das Autoritäre steckt einfach in ihrer DNA. | |
| Die Frage nach der Zukunft Europas | |
| Dabei ist die Frage nach den Zuständen in und der Zukunft der Türkei, die | |
| spätestens seit der Hundertjahrfeier der 1923 gegründeten Republik | |
| gebetsmühlenhaft beschworen wird, genaugenommen die Frage nach der Zukunft | |
| Europas. Die türkische Revolution gehört zu den drei historischen | |
| Umwälzungen des 20. Jahrhunderts. Anders als die Diktaturen des | |
| Proletariats in China und der Sowjetunion orientierte sich der Kemalismus | |
| aber an den Idealen von Aufklärung und Moderne. | |
| Den demokratischen und säkularen Rechtsstaat, samt europäischen Kleidern | |
| und lateinischem Alphabet, der jetzt unter dem islamisch-neoliberalen | |
| Würgegriff des Erdoğan-Regimes erodiert, hat das Land in Gestalt seines | |
| damaligen Staatsgründers Mustafa Kemal, seit 1934 genannt Atatürk, | |
| bekanntlich aus Europa importiert. | |
| Mitsamt seiner giftigen Nebenwirkung allerdings: dem übersteigerten | |
| Nationalismus und seiner Wahnidee einer ethnischen Homogenität. Mag die am | |
| Bosporus auch oft genug ein besonders fanatisches Antlitz zeigen, ist sie | |
| dennoch keine asiatische Besonderheit, sondern nur das zur äußersten Fratze | |
| entstellte Spiegelbild Europas, dessen zur Kenntlichkeit gebrachte | |
| Kehrseite. | |
| Zwar kann, wie schon 1918, die Befreiung der Türkei nur das [3][Werk ihrer | |
| eigenen Bevölkerung] sein. Doch wer glaubt, der finalen Abwicklung eines | |
| Kindes der Französischen Revolution durch einen Despoten nur achselzuckend | |
| mit rhetorischem Legalismus begegnen zu können, den dieser längst abgelegt | |
| hat, verrät sich am Ende selbst. Anders gesagt: Wenn die demokratische | |
| Türkei scheitert, scheitert auch Europa. | |
| 25 Mar 2025 | |
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| Ingo Arend | |
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