# taz.de -- Proteste in der Türkei: Istanbul bleibt vorerst CHP-regiert | |
> Das Stadtparlament der Metropole einigt sich auf einen Vertrauten des | |
> inhaftierten İmamolğu als Statthalter. Die Regierung verschärft ihre | |
> Rhetorik. | |
Bild: Eine auffällige Erscheinung: Ein als Derwisch gekleideter Demonstrant in… | |
Istanbul taz | Das Stadtparlament von Istanbul ist am Mittwoch der Gefahr | |
einer Zwangsverwaltung zuvorgekommen. Mit großer Mehrheit wählte es den | |
bisherigen Stellvertreter des inhaftierten Bürgermeisters Ekrem İmamoğlu, | |
Nuri Aslan, zu seinem kommissarischen Vertreter. Er besetzt den Posten | |
solange İmamoğlu im Gefängnis ist und seine Amtsgeschäfte nicht ausüben an. | |
Der 56-jährige CHP-ler Nuri Aslan ist ein langjähriger Vertrauter des | |
Bürgermeisters, der schon mit ihm zusammen gearbeitet hat, als İmamoğlu | |
noch Bezirksbürgermeister des Stadtteils Belikdüzü war. | |
Die CHP hat in der Stadtverordnetenversammlung 185 Sitze, die AKP 122. | |
Aslan wurde im dritten Wahlgang mit einfacher Mehrheit gewählt. Die CHP | |
hofft, mit dieser Wahl der Gefahr, dass die Regierung in Istanbul einen | |
staatlichen Zwangsverwalter einsetzt, entgegentreten zu können. Im Kampf um | |
die Kontrolle über die Metropole Istanbul hat Erdoğan bislang nicht nur | |
İmamoğlu ins Gefängnis sperren lassen, sondern auch weitere | |
Bezirksbürgermeister Istanbuls. | |
Im Bezirk Sisli hat der Innenminister einen Zwangsverwalter einsetzen | |
lassen. Entscheidend ist aber die Kontrolle der übergeordneten | |
Groß-Istanbul-Verwaltung, sowohl was die politische Gestaltung als auch den | |
Zugriff auf die Finanzen angeht. | |
Unterdessen empfängt [1][İmamoğlu im G]efängnis fast jeden Tag Besucher | |
seiner Partei. Am Mittwoch machte ihm der Bürgermeister von Ankara, Mansur | |
Yavas, seine Aufwartung. Yavas sagte anschließend, er habe mit İmamoğlu | |
darüber gesprochen, wie wichtig die Wiederherstellung der Gewaltenteilung | |
im Land sei. Yavas kritisierte auch, dass mittlerweile über 1.000 | |
Demonstranten nach ihrer Festnahme auch in die Untersuchungshaft gesteckt | |
wurden – eine reine Abschreckungsmaßnahme, um den Menschen Angst | |
einzujagen, weiterhin auf die Straße zu gehen. | |
Auch für [2][JournalistInnen wird es immer gefährlicher], über die Proteste | |
zu berichten. Offiziell ist die Rede von elf festgenommenen | |
Medienschaffenden, darunter auch ein Fotograf der Nachrichtenagentur AFP. | |
Von diesen elf JournalistInnen sind sieben bereits ins Gefängnis geschickt | |
worden. Demgegenüber spricht die türkische Journalistengewerkschaft von | |
insgesamt 26 JournalistInnen, die seit Beginn der Proteste vor einer Woche | |
landesweit festgenommen wurden. | |
Zur Unterstützung der Protestierenden haben eine Reihe von bekannten | |
türkischen Schriftstellern – unter ihnen auch Orhan Pamuk – eine Erklärung | |
veröffentlicht, in der sie die fortgesetzte Rechtlosigkeit im Land | |
kritisieren. Die Regierung habe gegen den Willen Istanbuls einen zivilen | |
Putsch mithilfe der Justiz durchgeführt. Die Proteste dagegen seien völlig | |
legitim: „Wir gehen auch auf die Straße, wir protestieren auch gegen diesen | |
zivilen Putsch der Regierung.“ | |
Unterdessen verschärft Präsident Recep Tayyip Erdoğan noch seine Rhetorik | |
gegen den angeblichen „Straßenterror“ der Opposition. Vor seiner Fraktion | |
in Ankara kündigte er an, die Gangart weiter zu verschärfen. „Unsere | |
härtesten Schläge kommen noch“, sagte er. | |
Der CHP-Vorsitzende Özgür Özel hat am Dienstagabend angekündigt, dass die | |
[3][täglichen Kundgebungen] vor dem Istanbul Rathaus nun erst einmal | |
beendet werden. Mit der Wahl eines Vertreters für İmamoğlu sei die | |
Situation im Rathaus ja zunächst geklärt. Für die kommenden Feiertage zum | |
Ende des Ramadan kündigte Özel eine Großkundgebung an, die am Samstag auf | |
einem der größten Versammlungsplätze Istanbuls im Stadtteil Maltepe | |
stattfinden soll. | |
26 Mar 2025 | |
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## AUTOREN | |
Wolf Wittenfeld | |
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