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# taz.de -- Repression in der Türkei: Massen auf den Straßen – und in den K…
> Hunderttausende demonstrieren weiter in der Türkei, der Staat reagiert
> mit Gewalt und Festnahmen. Wer übernimmt nun die Kontrolle über Istanbul?
Bild: Mit Pfefferspray und Gummigeschossen gegen die Demonstrierenden – die t…
„Volksrevolution“ titelte die oppositionelle Zeitung Cumhuriyet am Montag
angesichts der Millionen, die den gesamten Sonntag über in der ganzen
Türkei gegen die [1][Verhaftung des Istanbuler Oberbürgermeisters Ekrem
İmamoğlu] protestiert hatten. Nicht nur in Istanbul – wo am Sonntagabend
vor dem Rathaus in Saraçhane erneut mehrere [2][Hunderttausend Menschen
demonstrierten] –, sondern auch in vielen kleinen Städten der Türkei gingen
praktisch in jeder Provinz des Landes die Menschen auf die Straße.
Selbst in der Heimatstadt des Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan, Rize am
Schwarzen Meer, marschierten Tausende durch die Stadt und forderten seinen
Rücktritt. Bisher hatte dessen AKP dort immer mit 70 Prozent und mehr die
Wahlen gewonnen.
Am Sonntag führte die CHP, die Partei İmamoğlus, außerdem eine Abstimmung
durch, mit der İmamoğlu zum Präsidentschaftskandidaten der Partei gewählt
wurde. Dabei gab es für Nichtparteimitglieder eine extra Urne, mithilfe
derer sie ihre Solidarität mit İmamoğlu bekunden konnten. Insgesamt
stimmten 15 Millionen Menschen für İmamoğlu ab, 1,7 Millionen davon sind
Parteimitglieder der CHP.
Um die Proteste zu unterbinden, geht die Polizei immer radikaler vor. Es
gab Hunderte Verletzte, die durch Reizgas und Schlagstock teils so lädiert
wurden, dass sie ins Krankenhaus kamen. Am Sonntag wurden außerdem weitere
323 Menschen festgenommen. Insgesamt sind nach offiziellen Angaben seit
Beginn der Proteste am letzten Mittwoch 1.133 Verdächtige wegen „illegaler
Aktivitäten“ festgenommen worden.
## Proteste gehen weiter
Am frühen Montagmorgen ging die Polizei dann gegen missliebige Journalisten
vor. Wie die Journalistengewerkschaft Basin-Is mitteilte, wurden 10
ReporterInnen von oppositionellen TV- und Printmedien im Morgengrauen in
ihren Wohnungen festgenommen, darunter der bekannte Kolumnist der Zeitung
Birgün Barış Ince gemeinsam mit seiner Frau.
Wie seit der Festnahme von İmamoğlu am letzten Mittwoch gingen am Montag
außerdem die Massenproteste gegen die Verhaftung des Istanbuler
Oberbürgermeisters weiter. Ein Schwerpunkt neben dem Rathaus in Saraçhane
war das Rathaus des Istanbuler Bezirkes Şişli.
Am Tag der Verhaftung von İmamoğlu wurden neben ihm selbst 91 Personen aus
seinem Umfeld und dem der Istanbuler CHP festgenommen, darunter auch der
Bezirksbürgermeister von Şişli, Resul Emrah Şahan. Şahan muss ebenfalls in
U-Haft. In Şişli hat Präsident Recep Tayyip Erdoğan nun im Kleinen
getestet, was er offenbar auch für die gesamte Großstadt Istanbul vorhat:
Şişli bekam noch am Sonntagabend einen formal vom Innenminister
eingesetzten Zwangsverwalter, der Montagfrüh in Begleitung der Polizei sein
Amt antrat.
## CHP befürchtet Einsetzung von Zwangsverwalter
Seit Ekrem İmamoğlu bei der Wahl 2019 Istanbul gewann und damit die
25-jährige Herrschaft der AKP und ihrer islamistischen Vorgängerpartei
beendete, versucht Erdoğan die Stadt mit allen Mitteln wieder unter seine
Kontrolle zu bekommen. Nachdem İmamoğlu in drei Wahlen gezeigt hat, dass er
an der Urne durch Erdoğan und seine Vertreter nicht zu schlagen ist,
erfolgte nun seine Verhaftung, Einweisung in die U-Haft und Suspendierung
vom Amt.
Die [3][CHP-Spitze um Parteichef Özgür Özel] befürchtet nun, dass Erdoğan
wie in Şişli einen vom ihm ernannten Zwangsverwalter einsetzen will, um die
Stadt mit Gewalt wieder unter seine Herrschaft zu bringen.
Laut Gesetz wäre das möglich, wenn der Amtsinhaber wegen Zusammenarbeit mit
Terroristen angeklagt ist. Nun taucht dieser Vorwurf im gesamten Konvolut
der Anschuldigungen durch die Staatsanwaltschaft zwar auch auf, der
Haftrichter hat İmamoğlu aber „nur“ wegen der Korruptionsvorwürfe in die
U-Haft in das berüchtigte Gefängnis nach Silivri geschickt, wo schon
etliche andere Kritiker Erdoğans einsitzen.
Ginge es nach Recht und Gesetz, könnte die CHP, die im Stadtparlament eine
komfortable Mehrheit hat, nun einen kommissarischen Bürgermeister aus ihren
Reihen wählen, bis die Vorwürfe gegen İmamoğlu geklärt sind. Doch wird der
Wille des Volkes ausreichen, um die Zwangsverwaltung Istanbuls zu
verhindern?
24 Mar 2025
## LINKS
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## AUTOREN
Wolf Wittenfeld
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