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# taz.de -- Protestbewegung in der Türkei: Alle hinter İmamoğlu
> Dem jungen CHP-Chef Özgür Özel ist es gelungen, das ganze Land in
> Solidarität und Widerstand zu einen.
Bild: Das verteidigen, was vom Rechtsstaat übrig ist
„Verliert nicht den Mut. Wir lassen uns nicht unterkriegen. Hand in Hand
werden wir diesen Schlag, diesen schwarzen Fleck auf unserer Demokratie
ausmerzen. Ich stehe aufrecht, ich werde mich nicht beugen. Alles wird
gut.“ Mit diesem Statement wandte sich der frisch entmachtete Istanbuler
Oberbürgermeister [1][Ekrem İmamoğlu] an die türkische Bevölkerung,
unmittelbar, nachdem das Gericht am Sonntagvormittag die Untersuchungshaft
gegen ihn angeordnet hatte.
Und die Reaktion ist überwältigend. Lange Schlangen bildeten sich vor den
Parteilokalen der sozialdemokratisch-kemalistischen CHP überall in der
Türkei. Just für diesen Sonntag hatte die Partei İmamoğlus die interne Wahl
für den Präsidentschaftskandidaten angesetzt und angesichts der aktuellen
Entwicklung symbolisch auch für Nichtparteimitglieder geöffnet.
Kaum jemand hatte mit einem solchen Andrang gerechnet. In manchen
Stadtteilen Istanbuls bildeten sich kilometerlange Schlangen und
regelrechte Verkehrsstaus. Die Stimmung unter den WählerInnen war durchaus
kämpferisch. „Das ist ein Putsch von oben“, sagte ein älterer Mann vor dem
CHP-Parteilokal im Stadtteil Üsküdar. „Das werden wir nicht hinnehmen.“
Seit der Festnahme İmamoğlus am Mittwochmorgen ist die Türkei im Aufruhr,
weit mehr, als vorher zu erwarten gewesen war. Dazu hat auch die CHP einen
guten Teil beigetragen. Insbesondere der neue [2][Parteichef Özgür Özel],
der sich nach der Wahlniederlage bei der Präsidentschaftswahl 2023 in einer
Kampfabstimmung gegen den langjährigen Vorsitzenden Kemal Kılıçdaroğlu
durchgesetzt hatte, ist in den letzten Tagen über sich hinausgewachsen.
Gleich am Mittwochmittag hat er sein Hauptquartier von Ankara in das
Istanbuler Rathaus in Saraçhane verlegt und koordiniert von dort die
Proteste gegen die Festnahme İmamoğlus.
## Weg von der Beamtenmentalität
Kamen am Mittwochabend zunächst einige tausend Menschen zum Protest vor das
Rathaus, wurden es in den folgenden Tagen immer mehr. In der Nacht von
Samstag auf Sonntag sollen es rund eine halbe Million Menschen gewesen
sein, obwohl der von Präsident Erdoğan ernannte Gouverneur von Istanbul
noch am Mittwoch ein generelles Versammlungs– und Demonstrationsverbot für
die gesamte Stadt verhängt hatte.
Es nutzte nichts. Nicht nur vor dem Rathaus, auch in vielen anderen
Stadtteilen gingen die Menschen auf die Straße. Auch in anderen Städten des
Landes, darunter die Hauptstadt Ankara, in Izmir, in Antalya, Antakya und
selbst in AKP-Hochburgen wie Konya oder Sivas.
Özgür Özel ist gemeinsam mit Ekrem İmamoğlu als neues, junges Führungsduo
der Partei gelungen, die CHP aus ihrer bräsigen Beamtenmentalität
herauszuholen und vielen Leuten wieder die Hoffnung zu geben, dass eine
andere Türkei als die von Erdoğan möglich ist. Ausdruck davon waren bereits
die Kommunalwahlen im März 2024, bei denen die CHP nicht nur Istanbul nach
2019 erneut gewinnen konnte, sondern auch Ankara, Izmir, Bursa und alle
weiteren Millionenstädte der Türkei mit nur einer Ausnahme in Konya
eroberte.
Für den erfolgreichen Widerstand der CHP gegen Erdoğans Willkürherrschaft
trägt aber auch der alte, eher nationalistisch geprägte Parteiflügel um
Mansur Yavas, den Bürgermeister von Ankara, bei. Yavas, parteiinterner
Konkurrent İmamoğlus, hatte vor zwei Jahren mit [3][rassistischen Ausfällen
gegen syrische Flüchtlinge Wahlkampf] gemacht. Jetzt setzt er ganz auf die
Solidarität mit İmamoğlu. So ist die Partei im Moment wohl auch zur
Überraschung von Erdoğan in der Lage, Menschen zu mobilisieren, die ihr
bislang skeptisch gegenüberstanden.
23 Mar 2025
## LINKS
[1] /Tuerkische-Regierung-gegen-Opposition/!6076877
[2] /Tuerkische-Opposionspartei-CHP/!5970882
[3] /Stichwahl-in-der-Tuerkei/!5933069
## AUTOREN
Wolf Wittenfeld
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