# taz.de -- Frauen und Krieg: Krieg bleibt männlich | |
> Frauen sind weich und Männer hart – das ist ein Klischee. Und dennoch | |
> sind es Männer, die im 21. Jahrhundert Kriege führen. Frauen sind dabei | |
> Opfer. | |
Bild: Folgen eines männlichen Krieges: Frauen in der ukrainischen Stadt Pokrow… | |
Wäre eine Welt, in der vor allem Frauen regierten, friedvoller als die | |
Welt, die wir real haben – die in erster Linie von Männern beherrscht wird? | |
Wäre es eine Welt mit mehr Frieden und weniger Kriegen? | |
Gute Frage. Schwierige Frage. Der Blick in die Geschichte zeigt: Nein, im | |
Gegenteil. Frauen führen genauso oft und hart Kriege wie Männer. So | |
zumindest fassen [1][Oeindrila Dube und S. P. Harish, zwei | |
Politikwissenschaftler:innen aus Chicago und Montreal, ihre | |
jüngsten Forschungen] zusammen: Vom 15. bis zum 20. Jahrhundert waren | |
zahlreiche Königinnen in Kriege zwischen Staaten verwickelt, die | |
Wahrscheinlichkeit, dass Kriege von Frauen angeführt wurden, war den beiden | |
Forscher:innen zufolge sogar 27-fach höher als bei Kriegen von Königen. | |
Besonders häufig führten verheiratete Monarchinnen Kriegsheere an. | |
Dube und Harish untersuchten in ihrer Studie auch, ob die Königinnen durch | |
ihre Kriege sich und ihrem Land beweisen wollten, dass sie ebenbürtig sind, | |
dass sie es genauso draufhaben wie Männer. Ob sie – um es überaus steil zu | |
formulieren – aus egozentrischen, habgierigen und kolonialistischen Gründen | |
andere Länder und Völker überfallen. Dafür konnten Dube und Harish | |
allerdings keinen Beleg finden. | |
Nun ist das Bild einer friedvolleren und sanftmütigen Weiblichkeit und der | |
harten, angriffslustigen Männlichkeit ohnehin ein Klischee. Und doch ist es | |
nicht ganz falsch – so wie auch die Dube-Harish-Studie nicht auf das 21. | |
Jahrhundert zu übertragen ist. Die Welt wird gerade mit einer Unzahl von | |
Kriegen überzogen, und die wurden und werden einzig von Männern angezettelt | |
und vorangetrieben: der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, die | |
Kriege in Gaza und im Libanon, kriegerische Auseinandersetzungen in | |
Somalia, Mali, Haiti, Sudan und Südsudan, Myanmar – um nur einige | |
Krisenherde zu nennen. | |
## Mehr Frauen in Parlamenten, heißt weniger Kriege | |
Nennen wir die Männer, die für diese Kriege maßgeblich verantwortlich sind: | |
Wladimir Putin, die Hamas-Anführer und Mitglieder der Terrororganisation, | |
Benjamin Netanjahu, die Al-Shabaab-Milizen und die Wagner-Truppen, | |
haitianische kriminelle Männerbanden, die afrikanischen Herrführer und die | |
Militärregierungen in Myanmar und Mali. Nicht zu vergessen der aktuelle | |
US-Präsident Donald Trump (und seine Getreuen, allen voran Multimilliardär | |
Elon Musk), der gerade nicht nur sein Land und die Demokratie auf der Welt | |
schrottet, sondern auch Grönland mit Annexion droht und die Ukraine seinem | |
neuen Verbündeten Russland zum Fraß vorwirft. | |
[2][Frauen spielen in diesen Kriegen keine Rolle als Kriegstreiberinnen, | |
ganz im Gegenteil, sie stehen auf der anderen Seite: als Opfer.] Sie haben | |
mit Hunger und schlechter Gesundheit zu kämpfen, sie werden vergewaltigt, | |
gefoltert, ermordet, sie müssen fliehen und leben in Angst und | |
Unsicherheit. Sie müssen unter widrigsten Umständen für die Sicherheit | |
ihrer Kinder und alter Angehöriger sorgen. Und sie verlieren ihre Söhne, | |
Väter, Brüder, Cousins, die an den Fronten kämpfen müssen. | |
Den Zusammenhang zwischen Frauen, Krieg und Frieden zu untersuchen, ist | |
nicht ganz einfach. Eine [3][Studie der Universität Birmingham] weist indes | |
deutlich daraufhin, dass mehr Frauen in einer Regierung eines Staates für | |
mehr Frieden sorgen: Wenn in zwei Staaten mehr Frauen in der Legislative | |
vertreten sind, sinkt den Forscher:innen Aida Paskeviciute und Patrick | |
M. Regan zufolge die Gefahr eines bewaffneten Konflikts zwischen diesen | |
beiden Ländern. Ob sich Konflikte in Krisenregionen auch seltener zu | |
Kriegen entwickeln, wenn Frauen an militärischen Entscheidungen teilhaben, | |
konnten die Forscherinnen allerdings nicht beweisen. | |
Die Erfahrung der vergangenen Jahrzehnte zeigt aber, dass mehr Frauen in | |
politischen Entscheidungspositionen zu mehr Frieden führen. Je höher der | |
Frauenanteil in einem Parlament, desto weniger Bürgerkriege werden geführt | |
– im 21. Jahrhundert lässt sich das zumindest beobachten. Um es klar und | |
deutlich zu sagen: Kriege sind und bleiben männlich. | |
Dass sich der Frauenanteil in Regierungen und politischen Spitzenpositionen | |
in welcher Region der Welt auch immer in naher Zukunft erhöhen wird, ist | |
angesichts der globalen Lage nicht zu erwarten. Da liest sich der Anspruch | |
der [4][UN-Resolution 1325] ein bisschen wie ein Hohn. Die wichtige und | |
einst Hoffnung gebende Resolution, die Frauen in Kriegen vor Gewalt | |
schützen soll und ihnen eine aktive Rolle im Kampf gegen Kriege und beim | |
Aufbau von Zivilgesellschaften nach kriegerischen Auseinandersetzungen | |
zuspricht, scheint in Vergessenheit geraten zu sein. Gewalt gegen Frauen | |
und vulnerable Gruppen hat sich als Kriegswaffe jedenfalls fest etabliert. | |
8 Mar 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://www.journals.uchicago.edu/doi/abs/10.1086/707011 | |
[2] /Zu-wenig-Friedensmangagerinnen/!5134363 | |
[3] https://www.jstor.org/stable/3648332 | |
[4] /10-Jahre-UN-Resolution-fuer-Frauen-in-Kriegen/!5133200 | |
## AUTOREN | |
Simone Schmollack | |
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