# taz.de -- Waffen- und Messerverbotszonen in Berlin: Symbolpolitik in Form von… | |
> Ab Samstag treten in Berlin in drei sogenannten Brennpunktvierteln | |
> Messerverbotszonen in Kraft. Die Verordnung ist ebenso vage wie | |
> wirkungslos. | |
Bild: Dürfen Frauen in den Zonen Pfefferspray mit sich tragen? Darauf gibt die… | |
Wie schneidet man eine Bratwurst mit einem Löffel? Vor genau dieser Frage | |
stehen Berliner*innen ab diesem Samstag – zumindest, wenn sie im | |
Görlitzer Park grillen möchten. Denn dort treten ab dem Wochenende ebenso | |
wie am Kottbusser Tor in Kreuzberg und Leopoldplatz in Wedding | |
[1][dauerhaft geltende Messer- und Waffenverbotszonen] in Kraft. | |
Das Verbot umfasst sämtliche Waffen und Messer, unabhängig von der | |
Klingenlänge, also auch Taschen- und Küchenmesser. Die Polizei darf in den | |
Zonen verdachtsunabhängige Kontrollen durchführen und Waffen einziehen. | |
Verstöße werden [2][mit Geldbußen bis zu 10.000 Euro] geahndet – ohne | |
Ausnahme. | |
Bis auf die 19 Ausnahmen, die in Paragraf 3 der von Berlins Regierendem | |
Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und Innensenatorin Iris Spranger (SPD) | |
erlassenen Verordnung definiert sind. Zum Beispiel für Personen, die ein | |
Messer „nicht zugriffsbereit“ von A nach B befördern. Oder für diejenigen, | |
die Messer „im Zusammenhang mit einem allgemein anerkannten Zweck“ führen … | |
was auch immer das bedeuten mag. | |
Ausgenommen sind natürlich auch alle Messerfreund*innen, die das | |
Klingending „im Zusammenhang mit der Brauchtumspflege, der Jagd oder der | |
Ausübung des Sports“ mit sich führen. Und wer kennt sie nicht, die | |
Indigenen, die am Kotti auf Jagd gehen? | |
## „Bestimmte gewaltaffine Gruppen“ | |
Die vielen Ausnahmen warfen schon vorab ebenso viele Fragen auf: Werden nun | |
auch Pfeffersprays konfisziert, die Frauen zum Schutz mit sich führen? Und | |
Grillmesser auf der Grillwiese im Görlitzer Park? | |
Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik Meisel rief zur Gelassenheit auf | |
und betonte, man werde mit Augenmaß vorgehen. Man werde „die Mutter, die | |
den Apfel schält, natürlich darauf hinweisen, dass sie sich jetzt hier in | |
der Messerverbotszone befindet und diese bitte verlassen soll, und künftig | |
bitte kein Messer mehr mit sich führen soll“. | |
Doch was, wenn sich das Grillmesser nicht in den Händen einer | |
apfelschälenden Mutter, sondern im Rucksack eines migrantisch gelesenen | |
jungen Mannes befindet? | |
Laut Slowik Meisel sollen die Verbotszonen schließlich vor allem dazu | |
dienen, Waffen von „bestimmten gewaltaffinen Personengruppen“ einzuziehen, | |
um schwere oder tödliche Verletzungen zu verhindern. Häufig seien es | |
Straftaten „in kriminellen Milieus, bei Trinkern oder auch | |
Drogenabhängigen“. | |
## Fragwürdige Annahmen | |
Ihre Annahme, die Polizei werde ihren Ermessensspielraum sinnvoll | |
einsetzen, ist mehr als fragwürdig. Gerade im Görlitzer Park und am | |
Kottbusser Tor erleben Menschen mit Migrationshintergrund – insbesondere | |
Männer – [3][regelmäßig Schikane und Racial Profiling] durch die Polizei. | |
Nun eine Verordnung zu erlassen, die genau diese Praxis erleichtert und der | |
Polizei durch ihre vage Formulierung einen weiten Interpretationsspielraum | |
gewährt, ist gefährlich. Auf die „gewisse Vernunft“ der Beamt*innen zu | |
vertrauen, wie es auch Innenstaatssekretär Christian Hochgrebe (SPD) | |
forderte, ist naiv und ignorant. | |
Denn seit wann ist „Wackelpudding-Verordnungen“ (wie es in dem Fall sogar | |
die rechte Deutsche Polizeigewerkschaft ausnahmsweise einmal treffend | |
formulierte) zu trauen? Seit wann ist auf die Vernunft der | |
Polizist*innen zu bauen? Es braucht klare gesetzliche Grundlagen für | |
polizeiliches Handeln. | |
## Wirksamkeit von Verbotszonen nicht belegt | |
Die steigende (Messer-)Kriminalität ist unbestritten ein Problem. [4][2023 | |
registrierte die Berliner Polizei 3.482 Messerangriffe] – ein Plus von 5 | |
Prozent, nachdem die Zahl 2022 bereits um fast 20 Prozent gestiegen war. | |
Doch Messerverbotszonen sind keine Lösung. Ihre Einrichtung ist lediglich | |
ein symbolpolitischer Akt, ein Simulieren von Sicherheit – ohne | |
wissenschaftlichen Beleg für ihre Wirksamkeit. | |
Mehr punktuelle und selektive Kontrollen mögen kurzfristig das subjektive | |
Sicherheitsgefühl erhöhen, nachhaltig gesenkt wird die Kriminalität dadurch | |
nicht. Denn (Messer-)Kriminalität hängt stark zusammen mit sozialen und | |
individuellen Faktoren: Männliches Geschlecht, Machokultur, niedriges | |
Bildungsniveau, Gewalterfahrungen, delinquente Freundeskreise, Alkohol- und | |
Drogenkonsum spielen eine entscheidende Rolle. | |
Junge Männer müssen früh lernen, Konflikte ohne Gewalt zu lösen. Dazu | |
braucht es Selbstkontrollkompetenz-, Empathie- und Konfliktlösungstraining | |
in Schulen, kurzum: Prävention. Aber das bringt eben weniger Schlagzeilen | |
als die Errichtung von Waffen- und Messerverbotszonen. | |
14 Feb 2025 | |
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## AUTOREN | |
Lilly Schröder | |
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