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# taz.de -- Bildungspolitik in Berlin: Weiter sparen an Schulen und Demokratie-…
> Die Senatsverwaltung für Bildung entzieht Projekten zu Ende März die
> Förderung. Diese vermuten politische Gründe und kündigen an, sich zu
> wehren.
Bild: Mehrere Tausend Teilnehmer*innen demonstrierten am Samstag gegen die gepl…
BERLIN taz | Es trifft wieder die Schwachen: Das betont Katharina Cam am
Mittwoch bei einer Pressekonferenz der Gewerkschaft für Erziehung und
Wissenschaft Berlin. Cam ist Sonderpädagogin an der Otto-Wels-Grundschule
in Kreuzberg, und in ihrer Stimme klingen Fassungslosigkeit und
Verzweiflung durch, als sie versucht, zusammenzufassen, was die letzte
Woche bekannt gewordenen, nun konkreten Kürzungen für ihre Arbeit bedeuten.
„Wir fangen als Schule sehr viel auf“, sagt Cam. „Einige Kindern, die bei
uns eingeschult werden, fehlen noch die sogenannten Basiskompetenzen. Sie
können noch nicht still auf einem Stuhl sitzen, noch nicht zuhören, keine
Schere halten und ihren Namen noch nicht schreiben.“ Da setze ihre
Förderung an, um diese Kinder auf dem Weg in die Schule zu unterstützen.
„Letztens war die Schulinspektion da und hat uns genau für diese Arbeit
gelobt. Und nun wird uns genau das genommen.“
Ende vergangener Woche hatte die Senatsverwaltung für Bildung
[1][zahlreichen Projekten mitgeteilt, dass sie ihnen ab 1. April die Gelder
streicht]. Betroffen waren politische, kulturelle und queere
Bildungsprojekte, Projekte für Integration und Berufsorientierung und zwei
Projekte gegen Antisemitismus. Begründung: 39 Millionen Euro müssten
eingespart werden. Am Samstag versammelten sich laut Polizei mehr als 5.000
Menschen zu einer Demo gegen die Kürzungen am Roten Rathaus. Die
Veranstalter*innen, ein Bündnis aus Gewerkschaften, betroffenen Projekten
und Initiativen, sprachen von 10.000 Teilnehmer*innen.
## Schulsozialarbeit bedroht
„Es sind nicht nur Kürzungen an unserer Schule direkt, die uns betreffen,
es sind auch die Kürzungen bei unseren Partner*innen“, betont Cams Kollege
Falk Seidel, der [2][als Erzieher an der Otto-Wels-Grundschule] arbeitet.
Er zählt auf, dass der Schule in diesem Jahr 80.000 Euro weniger für die
Schulsozialarbeit zur Verfügung stehen. „Damit sind drei von unseren vier
Stellen bedroht“, sagt Seidel.
Aus dem sogenannten Verfügungsfonds von 17.000 Euro blieben der Schule nur
5.000 Euro übrig – Gelder, von denen sie etwa Dolmetscher bezahlt hätten,
um Lern- und Entwicklungsgespräche mit Eltern zu führen, die kein Deutsch
sprechen, aber auch die Website oder politische Bildungsarbeit. „Wenn
[3][bei der Berliner Initiative gegen Gewalt gekürzt] wird, betrifft uns
das genauso, weil uns dann eine Anlaufstelle für gewaltbetroffene Familien
fehlt“, sagt Seidel.
Die Schulsozialarbeiter wiederum würden vom Kinderschutz über
Streitschlichtung bis zu Demokratiebildung und Elterngesprächen eine
Vielzahl an Aufgaben übernehmen. Dass eine Person das allein stemme – das
sei undenkbar, sagt er. „Die schulpädagogischen Kräfte ermöglichen unsere
Arbeit“, sagt seine Kollegin Cam. „Sie können nicht ersetzt werden. Fallen
sie weg, dann stehen wir vor massiven Problemen, auch in der Arbeit mit den
Eltern“, betont sie.
## „Das ist kein Zufall“
Bei den Projekten vermuten einige, dass Bildungssenatorin Katharina
Günther-Wünsch (CDU) den Spardruck nutze, um ihr ungenehme Projekte zu
beenden. Sehr deutlich wird Olenka Bordo von der Fachstelle für queere
Bildung „Queerformat“: „Dass Projekte wegfallen, die mit vulnerablen
Communitys arbeiten, ist kein Zufall“, meint sie. Dabei brauche es gerade
angesichts wachsender gesellschaftlicher Polarisierung Stellen, die
„Jugendliche und Erwachsene in ihren vielfältigen Identitäten sehen und
fördern“. Der Senatorin wirft sie vor, mit den Kürzungen den
Koalitionsvertrag zu brechen. Dort steht: „Angebote für queere Jugendliche
wird die Koalition weiter ausbauen.“
Die Senatsverwaltung für Soziales und Antidiskriminierung hat inzwischen
zugesagt, den Projekten finanziell beizuspringen, an denen sie sich auch
bisher beteiligt. Allerdings werde dies nur einen Teil der Kürzungen
auffangen. Die Sparmaßnahmen seien „symptomatisch für eine politische
Entwicklung, die gefährliche Auswirkungen hat“, sagt Derviş Hizarcı von der
Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus, die ebenfalls von Kürzungen
betroffen ist. Dass Projekte so kurzfristig ihre komplette Finanzierung
verlören, zerstöre Strukturen, die schwer wieder aufzubauen seien. Es
schade der Zivilgesellschaft – und damit der Demokratie.
„Die Senatsverwaltung ist sich des hohen Engagements und der langjährigen
Arbeit bewusst“, heißt es aus der Bildungsverwaltung. Die aktuellen
Einsparmaßnahmen seien „weder leichtfertig noch willkürlich getroffen“.
Ziel bleibe es sicherzustellen, dass „zentrale Bildungs- und
Unterstützungsangebote langfristig erhalten werden“. Auch Projekte zur
Bekämpfung von Antisemitismus würden „selbstverständlich“ weiter geförd…
Allerdings seien „Doppelstrukturen zu prüfen“.
Die Betroffenen hingegen wollen sich wehren. „Wir sind nicht bereit, die
Kürzungen hinzunehmen“, sagt Erzieher Seidel. Die Demonstration am Samstag
sei nur der Auftakt gewesen. Sie würden bereits an weiteren Informations-
und Protestaktionen arbeiten.
26 Feb 2025
## LINKS
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[3] /Naechste-Kuerzungsrunde-in-Berlin/!6071170
## AUTOREN
Uta Schleiermacher
## TAGS
Sparmaßnahmen
Bildungspolitik
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