# taz.de -- Berufsvorbereitung in Berlin: Besser orientiert aus der Schule | |
> IHK und Bildungsverwaltung wollen Schüler*innen gemeinsam auf ihre | |
> Berufswahl vorbereiten. Niemand soll die Schule mehr ohne Perspektive | |
> verlassen. | |
Bild: Auch Mädchen können mit heißen Eisen hantieren: Schülerinnen probiere… | |
Es sind voraussichtlich wieder rund 3.000 Schüler*innen, die am Ende dieses | |
Schuljahres noch nicht wissen, wie es für sie weitergeht. Das sind laut | |
Bildungsverwaltung knapp 10 Prozent der Schulabgänger*innen, die die Schule | |
verlassen, ohne Aussicht auf eine Ausbildung oder weiterführende Schule. | |
Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) will dem gemeinsam mit der | |
Industrie- und Handelskammer (IHK) entgegensteuern – durch mehr gezielte | |
Berufsorientierung. | |
So wolle sie sicherstellen, dass Schüler*innen in Zukunft besser | |
vorbereitet sind auf diesen Übergang zwischen dem Ende der Schulpflicht und | |
weiterführenden Schulen, Job, Freiwilligendienst oder Ausbildungsplatz, | |
erklärte die Senatorin am Montagmorgen in der Willy-Brandt-Sekundarschule | |
in Gesundbrunnen. | |
Andrea Franke, die dortige Schulleiterin, zeigte ein Schaubild mit der | |
Überschrift „Deine Zukunftsreise“: Darauf sind Kreise für die Schuljahre | |
von der 7. bis zur 10. Klasse zu sehen, umringt von Stichwörtern wie | |
„Tagespraktikum“, „Girls’/Boys’ Day“, „Betriebsbesichtigung“ und | |
„Schulmesse“. Solche Übersichten hingen in den Klassenzimmern aus, damit | |
die Schüler*innen vor Augen hätten, wo sie selbst stehen, erläutert | |
Franke. Es sei wichtig, schon an der Schule „berufliche Erlebnisse“ zu | |
schaffen. | |
„Wir haben zwei zusätzliche Praktika eingeführt, und wir haben einmal im | |
Jahr eine eigene Berufsmesse an der Schule, bei der Unternehmen vor allem | |
aus der Umgebung sich vorstellen“, sagt Franke. Ihre Schule hat dafür | |
bereits als Pilotprojekt mit der IHK zusammengearbeitet. Die Maßnahmen | |
würden dabei ständig auch von den Schüler*innen bewertet um zu | |
evaluieren, was gut funktioniert – und was nicht. | |
## Zahl der Vermittlung in Ausbildung steigt | |
Die Schulleiterin sieht bereits Erfolge: An ihrer Schule gäbe es kaum noch | |
Schüler*innen, die nach der 10. Klasse ohne Perspektive da stünden. „Kein | |
Kind geht uns verloren“, sagt sie. Die Zahl der Schüler*innen, die sich | |
Richtung Ausbildung orientieren, steigt an der Schule demnach | |
kontinuierlich, 2023 waren es noch 15 Schüler*innen, im Jahr danach 28 und | |
aktuell seien es 40. | |
Einer von ihnen ist der 16-jährige Juan Zordan, der bereits seinen | |
Ausbildungsvertrag zum Pflegefachmann unterschrieben hat. „Ich bin nicht so | |
für die Schule gemacht“, sagt er, daher sei eine weiterführende Schule | |
nicht infrage gekommen. Dass er in die Medizin gehen will, das habe er in | |
Gesprächen mit Mitarbeiter*innen der Vermittlungsorganisation Joblinge | |
herausgefunden, die zweimal die Woche an der Schule beraten. | |
„Sie haben mit mir meine Talente herausgefunden und geholfen, eine richtig | |
gute Bewerbung zu schreiben“, sagt er. Gut findet er auch, dass er nicht | |
lange auf Termine dort warten musste. „Ich weiß jetzt: Ich kann das und ich | |
will das“, sagt er. Auch andere Zehntklässler*innen erzählen, wie | |
wichtig für sie gerade die persönlichen Beratungsgespräche bei | |
Berufsberatungsinitiativen wie Joblinge, TeachFirst oder der | |
Jugendberufsagentur gewesen seien. | |
„Damit gute Berufsorientierung kein Zufallsprodukt ist, wollen wir sie | |
verbindlich und dauerhaft an den Schulen verankern“, betont die Senatorin | |
Günther-Wünsch. Dafür schickt die IHK nun | |
„Berufsorientierungs-Manager*innen“ an zunächst ein Dutzend Schulen. Die | |
Manager*innen sollen etwa Kontakte zwischen Schulen und Betrieben | |
herstellen. „Die Pädagogen vor Ort sind nicht allein für alles zuständig�… | |
betonte sie. Mit der IHK hätten sie „starke Partner“ an der Seite. | |
## IHK hofft auf mehr Azubis | |
Die IHK wiederum will damit Unternehmen unterstützen, die Schwierigkeiten | |
haben, Auszubildende zu finden. „Die Erfahrung zeigt: Das Interesse wächst, | |
wenn Schüler*innen in Berufe reinschnuppern können“, sagt Manja | |
Schreiner, Hauptgeschäftsführerin der IHK Berlin, die am Montag das | |
Abkommen mit der Senatorin unterschrieb. Immerhin seien bei der IHK mehr | |
als 300 Berufe organisiert. Für die Unternehmen wiederum sei es bisher | |
schwierig gewesen, mit Schulen in Kontakt zu treten. | |
„Große Messen sind auch sinnvoll, vor allem, um den Schülerinnen und | |
Schülern zu zeigen, was es für Berufe gibt“, sagt Schreiner. Doch wenn es | |
darum gehe, tatsächlich Ausbildungsverträge abzuschließen, dafür seien | |
kleinere Aktionen viel erfolgversprechender und zielführender. „Die Schüler | |
fahren eben nicht unbedingt durch die ganze Stadt“, sagt auch die | |
Schulleiterin, auch deshalb sei die Zusammenarbeit mit Unternehmen vor Ort | |
so wertvoll. | |
## Abkommen auch für 11. Pflichtschuljahr | |
Es ist bereits das zweite Abkommen zwischen IHK und Bildungsverwaltung. | |
Denn [1][ab dem kommenden Schuljahr führt die Bildungsverwaltung ein 11. | |
Pflichtschuljahr] ein. Es soll den Schüler*innen eine „klare | |
Anschlussperspektive“ bieten. Schüler*innen müssen es allerdings nicht | |
zwingend an einer Schule ableisten. | |
Als erfüllt gilt das 11. Pflichtschuljahr, wenn Schüler*innen in die | |
gymnasiale Oberstufe wechseln, wenn sie eine Berufsausbildung beginnen, | |
wenn sie etwa einen Freiwilligendienst ableisten – oder aber wenn sie einen | |
Berufsbildungsgang an den berufsbildenden Schulen beginnen. | |
Alle anderen Schüler*innen sollen verpflichtend an einer sogenannten | |
„Ankerschule“ den Bildungsgang IBA-Praxis durchlaufen, bei dem ebenfalls | |
die IHK Kooperationsmanager*innen stellt, um Kontakte zu Betrieben | |
herzustellen. Ankerschulen sind Oberstufenzentren, die diesen laut | |
Bildungsverwaltung sehr praxisorientierten Bildungsgang anbieten. Dabei ist | |
bereits jetzt [2][eine Beratung für alle Schüler*innen in der 10. | |
Klasse] verpflichtend. | |
## Kritik an ausbildenden Betrieben | |
Die Opposition wiederum kritisiert die Situation vom anderen Ende her: „In | |
Berlin sind weiterhin tausende junge Menschen ohne Ausbildungsplatz, weil | |
es zu wenige Stellen gibt“, schrieb Damiano Valgolio, Sprecher der | |
Linksfraktion für Arbeit und Wirtschaft anlässlich einer Sitzung des | |
Bündnisses für Ausbildung am Montag. „Auf 100 Bewerber:innen kommen in | |
Berlin nur 83 offene Ausbildungsplätze“, schrieb er, das sei bundesweit im | |
Vergleich der schlechteste Wert. | |
„Es ist höchste Zeit in Berlin eine Ausbildungsplatzumlage einzuführen. Mit | |
diesem Instrument entstehen nachweislich mehr Ausbildungsstellen, weil die | |
Ausbildungsbetriebe von den Kosten entlastet werden“, forderte der | |
Linken-Politiker. In solch eine Umlage müssten den Plänen zufolge alle | |
Betriebe einzahlen, die nicht ausbilden. In der Baubranche habe sich die | |
Ausbildungsquote nach Einführung der Umlage innerhalb von drei Jahren fast | |
verdreifacht. Auch in der Pflege und bei den Schornsteinfeger:innen | |
ist die Umlage aus seiner Sicht „eine Erfolgsgeschichte“. | |
Die Umlage sei keinesfalls eine Belastung, meint Valgolio, dadurch würden | |
nur die Kosten der Unternehmen, die tatsächlich ausbilden, auf alle | |
umverteilt. Das Bündnis für Ausbildung hatte sich [3][im August 2023 darauf | |
verständigt, bis zum Sommer 2025 mindestens 2.000 zusätzliche | |
Ausbildungsverträge] zur Unterschrift zu bringen. Es setzt bisher auf ein | |
freiwilliges Umdenken der Betriebe – [4][von denen in Berlin demnach rund | |
11 Prozent ausbilden]. Im Bundesschnitt bilden rund 19 Prozent der Betriebe | |
aus. | |
26 May 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Berufsorientierung-in-Berlin/!6013554 | |
[2] https://www.berlin.de/sen/bildung/schule/bildungswege/11-pflichtschuljahr/ | |
[3] /Buendnis-fuer-Ausbildung/!5953399 | |
[4] /Ausbildungsreport-Berlin-Brandenburg/!6070289 | |
## AUTOREN | |
Uta Schleiermacher | |
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