| # taz.de -- Ausverkauf in Dresden: Sozial ist, was Wohnungen schafft | |
| > Um die Schulden zu tilgen, verkaufte Dresden im Jahr 2006 für 982 | |
| > Millionen Euro ihren Wohnungsbestand. Das beeinflusst die | |
| > Landeshauptstadt bis heute. | |
| Bild: Da wurde noch nichts privatisiert: Der Dresdner Stadtteil Gorbitz entstan… | |
| Dresden taz | Als Florian Bau 2010 als Rechtsberater beim | |
| Mieter:innenverein Dresden und Umgebung begonnen habe, sei Markt in | |
| der Stadt noch von Leerstand und bemühte Vermieter:innen geprägt | |
| gewesen. Damals habe es noch entgegenkommende Angebote gegeben, erzählt er: | |
| „Die ersten zwei oder drei Kaltmieten frei.“ Aber mittlerweile könne „es | |
| dem Vermieter völlig egal sein, ob seine Mieter zufrieden sind. Jeder | |
| Mieterwechsel führt dazu, dass der nächste noch mehr Geld bezahlt.“ Während | |
| die durchschnittliche Kalt miete bei 7,33 Euro pro Quadratmeter liegt, | |
| zahlen Mieter:innen bei neuen Verträgen auch mal 12 oder 13 Euro. | |
| Bei Mieter:innen sei nun „schlicht Angst“ da, die angemietete Wohnung zu | |
| verlieren, berichtet Bau. Für diese Angst habe er Verständnis. Es gebe | |
| Fälle, in denen Vermieter:innen Eigenbedarf vortäuschen, um die | |
| Mieter:innen loszuwerden. „Und es ist nicht so einfach, sich dagegen zu | |
| wehren“, sagt der Rechtsberater. | |
| Der Mietenmarkt in der sächsischen Landeshauptstadt ist komplex und | |
| dynamisch, wie überall in deutschen Großstädten. Steigende Baukosten | |
| verzögern den Wohnungszuwachs, Nachfrage und Profitinteressen ziehen die | |
| Preise in die Höhe. Laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung | |
| tragen vor allem ärmere Haushalte hohe Mietbelastung. | |
| Im Kontext von Dresdens Geschichte zeigt sich besonders gut, wie Städte | |
| Mieten zu beeinflussen können. Eine, die das eindrücklich erklären kann, | |
| ist Kristin Klaudia Kaufmann (Linke), die seit 2015 als Beigeordnete der | |
| Stadt für die Wohnungspolitik in Dresden zuständig ist. | |
| ## Neubau im preisintensiven Segment | |
| „Fakt ist, dass wir seit 2013 auf Basis eines Indikatorensets einen | |
| [1][angespannten Wohnungsmarkt] in Dresden nachweisen können“, sagt sie. | |
| Zwar würden neue Wohnungen gebaut, „allerdings im preisintensiven Segment“, | |
| und das sei nun mal vom Bedarf her betrachtete das falsche. Denn eigentlich | |
| herrsche insbesondere beim Teilsegment des günstigen Wohnungsmarktes „eine | |
| sehr intensive Anspannung“, berichtet Kaufmann. | |
| Vor etwa zwanzig Jahren war das noch anders, da stand in Dresden etwa jede | |
| zehnte Wohnung leer. Insgesamt gab es etwa 290.000 in der Stadt, etwa | |
| 48.000 gehörten damals der stadteigenen Wohnungsbaugenossenschaft Woba. | |
| Durch sie war die Stadt selbst größte Vermieterin auf dem Markt in Dresden. | |
| Doch 2006 trieb der damalige Oberbürgermeister Ingolf Roßberg (FDP) den | |
| Verkauf aller Woba-Wohnungen voran, um mit dem Erlös die Schulden der Stadt | |
| – rund 750 Millionen Euro – zu tilgen. | |
| Mieter:innenvereine warnten, dass private Vermieter:innen die | |
| Instandhaltung vernachlässigen konnten. Die Stadtregierung konterte bei | |
| einer Einwohner:innenversammlung: „Jedem Vermieter, der kein Geld in die | |
| Instandhaltung und Modernisierung steckt, laufen die Mieter in Scharen | |
| davon!“ Letztlich stimmte der Stadtrat für den Verkauf mit dem Netto-Erlös | |
| von ca. 982 Millionen Euro. | |
| Der Markt habe sich mittlerweile komplett gedreht. Mit den 48.000 Wohnungen | |
| hätte die Stadt heute nennenswerten Einfluss – hat sie aber nicht. Kaufmann | |
| bewerte den Verkauf als „einen der größten kommunalpolitischen Fehler“, | |
| schließt aber im selben Atemzug an: „Es hilft mir nichts zu jammern.“ | |
| ## Sozialer Wohnungsbau liegt auf Eis | |
| 2017 hat die Stadt eine neue Wohnungsbaugesellschaft gegründet, die Wohnen | |
| in Dresden (WiD), die soziale Wohnungsversorgung für besondere | |
| Bedarfsgruppen sicherstellen soll. Mittlerweile gibt es in Dresden rund | |
| 310.000 Wohnungen, von denen rund 80 Prozent vermietet werden. Der WiD | |
| gehören etwa 2.250 davon. Hinzu kommen etwas mehr als 10.000 vertraglich | |
| gebundene Belegungsrechte, die die Stadt noch aus dem Woba Verkauf beim | |
| Immobilienunternehmen Vonovia hat. Sollte eine dieser Wohnungen frei | |
| werden, hat die Stadt ein vierzehntägiges Erstzugriffsrecht, um | |
| anspruchsberechtigten Bürger:innen diesen Wohnraum anzubieten. Das Recht | |
| gilt noch bis 2036. | |
| Eigentlich sollte die WiD auch neue [2][Sozialwohnungen] bauen, aber wegen | |
| der gestiegenen Baukosten, liegen die Neubauprojekte erstmal auf Eis. | |
| Teurer Bau führt zu teuren Mieten. | |
| Neben dem stadteigenen Wohnungsbau versuche Dresden mit der | |
| Mietpreisbremse, Bauförderung durch den Freistaat und stetigem Austausch | |
| mit Investor:innen, Eigentümer:innen, Anbieter:innen sowie | |
| Nachfrager:innen den Wohnungsmarkt zu beeinflussen. „Aber unsere | |
| Handlungsoptionen sind recht begrenzt“, sagt Kaufmann. | |
| Der wohnungspolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Dresdner Stadttat, | |
| Peter Krüger, unterstütze die Idee, dass die Stadt mit einem eigenen | |
| Bestand von mindestens 10.000 eigenen Wohnungen ab 2036 den Mietmarkt | |
| beeinflussen kann. Auch er weiß, dass die Angebotsmieten in Dresden für | |
| viele unbezahlbar sind. Aber auf den Woba-Verkauf angesprochen, erinnert | |
| Krüger zunächst an die Situation von 2006 in Dresden: „Die Stadt war völlig | |
| handlungsunfähig, weil sie bis über die Nasenspitze verschuldet war.“ Der | |
| Verkauf der 48.000 Wohnungen habe ein beispielloses Infrastrukturprogramm | |
| ermöglicht. | |
| ## Umland soll interessanter werden | |
| Dresden konnte Schulen und Kitas bauen oder sanieren. Gleichzeitig „war | |
| dadurch nicht eine Wohnung weniger auf dem Markt – nicht eine“, betont | |
| Krüger. Aber hätte es etwas geändert, wenn die Stadt ihren Wohnungsbestand | |
| nicht verkauft hätte? Rechtsberater Florian Bau glaubt: „Auch ohne Verkauf | |
| hätten sich wahrscheinlich die Mieten erhöht. Aber das war meines Erachtens | |
| ein Brandbeschleuniger, dass man diesen Wohnungsbestand an den privaten | |
| Vermieter veräußert hat.“ Die Schuldenfreiheit habe sich Dresden 2006 | |
| „teuer erkauft“. | |
| Neben neuen Wohnungen sollten Dresden und Sachsen versuchen, findet Bau, | |
| das Umland attraktiver zu gestalten. Konkret meine er damit etwa, | |
| „ÖPNV-Infrastruktur ausbauen, dass man unproblematisch vom ländlichen Raum | |
| in die Großstadt und zurück pendeln kann, ohne private Autos nutzen zu | |
| müssen.“ | |
| Im vergangenen Jahr berechnete die liberale Bertelsmann Stiftung | |
| Bevölkerungssteigerungen für Leipzig und Dresden. Die anderen elf Kreise | |
| und kreisfreien Städte schrumpfen hingegen, teils um bis zu –19 Prozent. | |
| „Das muss man doch irgendwie zusammenlegen können. Da sind echt schlaue | |
| Ideen gefragt“, sagt Bau. | |
| 5 Feb 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Neue-Studie-zum-Wohnen/!6067354 | |
| [2] /Soziologe-Andrej-Holm-ueber-Wohnpolitik/!6060775 | |
| ## AUTOREN | |
| David Muschenich | |
| ## TAGS | |
| Dresden | |
| Wohnungsbau | |
| Sozialer Wohnungsbau | |
| Wohnungswirtschaft | |
| Wohnungsmangel | |
| Wohnungsnot | |
| Sozialer Wohnungsbau | |
| Social-Auswahl | |
| Schwerpunkt Bundestagswahl 2025 | |
| Bauen | |
| Schwerpunkt Bundestagswahl 2025 | |
| Wahlkampf | |
| Mieten | |
| Sozialer Wohnungsbau | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Wohnungsnot in Deutschland: Bauen bleibt Luxus | |
| Die Ampelkoalition wollte das Bauen einfacher und günstiger gestalten. | |
| Wegen der vorgezogenen Bundestagswahl wird daraus erstmal nichts. | |
| Investitionen für bezahlbaren Wohnraum: „Chronischer Burn-out“ | |
| Die Zahl der Sozialwohnungen sinkt, der Bedarf steigt. Das Bündnis Soziales | |
| Wohnen fordert milliardenschwere Investitionen und will Baukosten senken. | |
| Gutachten vom Expertenrat Klima: Klimaschutz quält sich voran | |
| Bei der Energiewende läuft es gut, aber Gebäude und Verkehr emittieren noch | |
| zu viel CO2. Der Expertenrat Klima empfiehlt mehr soziale Gerechtigkeit. | |
| Mietenpolitik der Parteien: Mietenexplosion? War da was? | |
| Welche Partei hat die Interessen der Mieter*innen im Blick? Mieterbund | |
| und das Bündnis „Mietendeckel jetzt“ haben die Wahlprogramme durchforstet. | |
| Neue Studie zum Wohnen: Mieten steigen erneut deutlich | |
| Berlin steht mal wieder an der Spitze der Mietsteigerungen. Auch werden | |
| bundesweit immer noch nicht genug Neubauten fertiggestellt. | |
| Wohnungskrise in Berlin: Rettungsprogramm für den sozialen Wohnungsbau | |
| Jährlich fallen tausende Wohnungen in Berlin aus der Mietpreisbindung. Die | |
| Linke stellt nun ein Maßnahmenpaket gegen den Schwund vor. |