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# taz.de -- Pressefreiheit in Österreich: Propaganda im Sinne der Partei
> Die rechtsextreme FPÖ plant einen radikalen Umbau der österreichischen
> Medienlandschaft. Besonders der öffentlich-rechtliche Rundfunk steht im
> Fokus.
Bild: Rechtsextremer mit Regierungsauftrag: FPÖ-Chef Herbert Kickl beim Neujah…
Wien taz | Bei den aktuellen Koalitionsverhandlungen in Wien zwischen
[1][der rechtsextremen Freiheitlichen Partei] (FPÖ) und der konservativen
Volkspartei (ÖVP) ist einer der größten inhaltlichen Streitpunkte die
künftige Medienpolitik Österreichs. „Machen wir es dem Orbán nach“, laut…
das erklärte Motto von FPÖ-Chef Herbert Kickl im Wahlkampf. Damit meint er
vor allem die restriktive Zuwanderungspolitik und eine russlandfreundliche
Außenpolitik. Gemeint ist aber auch, und daran lässt die FPÖ keinen
Zweifel, ein Umbau der Medienlandschaft.
Am 24. September fand die Nationalratswahl in Österreich statt. Die FPÖ
wurde unter Kickl erstmals zur stärksten Kraft mit 28,8 Prozent der
Stimmen. Nach dem Scheitern der Koalitionsverhandlungen zwischen der ÖVP,
den Sozialdemokraten und den liberalen Neos beauftragte Bundespräsident
Alexander Van der Bellen den FPÖ-Chef im Januar mit der Regierungsbildung.
[2][Die Verhandlungen dauern an]. Und die Angriffe auf die Presse nehmen in
der Zwischenzeit zu.
„Fünf gute Jahre, wenn es dieses Scheißblatt nicht mehr gibt“, schrieb der
Wiener Landesparteiobmann Dominik Nepp kürzlich über die Tageszeitung Der
Standard in einem X-Posting. Nachsatz: „Presseförderung nur mehr für echte
Qualitätsmedien.“
Stein des Anstoßes war kritische Berichterstattung über einen öffentlichen
„FPÖ-Stammtisch“ im französischen France Télévisions, [3][die der Stand…
aufgegriffen hat]. Weil die französischen Journalisten trotz intensiver
Versuche keinen offiziellen Termin bekamen, besuchten sie die
Veranstaltung mit versteckter Kamera. Dort fielen etliche problematische
Aussagen zweier anwesender FPÖ-Parlamentsabgeordneter: Sie bezeichneten
Geflüchtete aus Afghanistan etwa als „Gesindel“ und sprachen sich für ein…
EU-Austritt Österreichs aus.
## Die FPÖ als „Opfer“
Anhand der Berichterstattung darüber fühlte sich die FPÖ einmal mehr als
Opfer der „Mainstreammedien“. Wie offen und unverhohlen sie aber
mittlerweile Drohungen ausspricht, ist selbst für ihre Maßstäbe neu.
Beflügelt von mehreren Wahlsiegen in Serie, tritt die Partei
selbstbewusster denn je auf.
Dass Medienpolitik in Österreich jahrzehntelang vernachlässigt und
allenfalls für Parteiinteressen missbraucht wurde, erleichtert der FPÖ die
Argumentation. Doch auch das Vertrauen ist stark gesunken: Nur 35 Prozent
der Bevölkerung vertrauen laut Reuters Institute Digital News Report 2024
den hiesigen Medien, so wenige wie nie zuvor. In der Schweiz liegt der Wert
immerhin bei 41, in Deutschland bei 43 Prozent.
Für den Vertrauensverlust gibt es viele Gründe, unter anderem das
tatsächlich zu enge Verhältnis mancher Medien zur Politik. Dazu zählt auch
die lange Zeit von vielen Österreicher:innen als zu unkritisch
empfundene Berichterstattung zur Pandemiepolitik. Vor allem die von ÖVP und
Grünen beschlossene (wenn auch nie umgesetzte) Impfpflicht stieß vielen im
Land sauer auf. Die FPÖ hat frühzeitig auf dieses Thema gesetzt und davon
nachhaltig profitiert.
Wie schnell der Umbau der Medienlandschaft gehen kann, sieht man wenige
Kilometer östlich von Wien. Die ungarische Regierung ließ unter Viktor
Orbán zahlreiche Zeitungen aufkaufen, um Kontrolle auf sie auszuüben. Den
öffentlich-rechtlichen Rundfunk machte sie zum reinen Propagandafunk. Auch
die slowakische Regierung setzt Medien aktuell zunehmend unter Druck. Und
ein Blick nach Polen zeigt, wie schwer sich einmal zerstörte Strukturen,
etwa der öffentlich-rechtliche Rundfunk TVP, wieder reparieren lassen.
## Die Öffentlich-Rechtlichen im Visier
Ähnliches droht nun auch in Österreich, daran lässt die FPÖ keinen Zweifel.
Im Visier hat sie dabei vor allem den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ORF.
Er ist mit 1,1 Milliarden Jahresumsatz das mit Abstand größte Medienhaus
Österreichs, kämpft aber mit trägen Strukturen, nötigen Einsparungen und
politischem Einfluss auf die Führungsebenen. Relevante politische Debatten
und investigativer Journalismus finden überwiegend anderswo statt. Auch
Selbstkritik und Transparenz sind nicht seine Stärken, dennoch bietet der
ORF verlässlichen Journalismus in hoher Qualität.
Wenn es nach der FPÖ geht, soll der ORF künftig mit weniger Geld auskommen.
Sie will dem Haus mindestens 15 Prozent zusätzliche Kürzungen auferlegen
sowie, so ein zentrales Wahlversprechen der Partei, die erst kürzlich
reformierte ORF-Gebühr abschaffen.
Denn die ORF-„Haushaltsabgabe“ wurde erst 2024 in dieser Form eingeführt.
Anders als früher müssen nun alle Haushalte zahlen, unabhängig davon, ob es
ein Radio- bzw. Fernsehgerät gibt oder nicht. Damit wurden 400.000
zusätzliche Haushalte abgabenpflichtig. Die FPÖ will die Abgabe abschaffen
und den ORF aus dem Bundesbudget finanzieren. Damit hätte die Regierung
größeren Einfluss auf die Finanzierung.
Im ORF steigt angesichts dieser Pläne die Nervosität. „Die Zerstörung des
ORF beginnt“, schrieb der ORF-Redakteursrat jüngst. „Statt Information
durch unabhängige Medien wie dem ORF und andere Qualitätsmedien, soll es
Propaganda ganz im Sinne der Partei geben“, heißt es in einer Aussendung.
## Stichwort „Scheißblatt“
Außer einer etwas platten Werbekampagne („ORF. Für dich und mich und alle�…
fällt dem Unternehmen wenig ein, seinen Wert zu vermitteln. Mehr denn je
bemüht sich das Haus, der FPÖ keine Angriffspunkte zu bieten. So bat
ORF-Generaldirektor Roland Weißmann seine Mitarbeiter per Mail um
„besonderes Augenmerk auf die Einhaltung des Objektivitätsgebots“ während
der laufenden Regierungsverhandlungen.
Doch auch die Printmedien will die FPÖ stärker an die Kandare nehmen,
Stichwort „Scheißblatt“. Der größte Hebel ist auch hier das Geld. Nicht
nur über die verschiedenen Medienförderungen, die nicht unbedingt immer
Innovation und Qualität fördern, dabei aber wenigstens transparent
vergeben werden.
Finanziell deutlich gewichtiger sind Werbeschaltungen der Regierung. Seit
Jahrzehnten verteilen Bundeskanzleramt und Ministerien nach Gutdünken
Inserate in zweistelliger Millionenhöhe an die Zeitungen. Am besten steigen
dabei die Boulevardmedien aus, was mit deren Auflagen argumentiert wird.
Doch auch Qualitätsmedien lassen sich auf diese Art subventionieren und
sorgen dafür, dass dieses System Bestand hat.
Die Vergabe dieser Inserate ist undurchsichtig, Kriterien gibt es nicht.
Medien machen sich dadurch erpressbar, wenn sie von denjenigen, die sie
kritisch kontrollieren sollen, Geld entgegennehmen. Selbst nach den
Vorwürfen, dass unter Österreichs Ex-Kanzler Sebastian Kurz Umfragen im
Tausch gegen verstärkt geschaltete Anzeigen quasi gekauft worden sein
sollen, blieb eine Systemänderung aus. Das rächt sich nun.
## Systematische Sabotage
Die FPÖ will die Inseratenvergaben, von denen jahrzehntelang vor allem die
einstigen Großparteien ÖVP und SPÖ profitierten, keineswegs sinnvoll
reformieren. Vielmehr will sie die Medienförderung nun auch auf
rechtspopulistische „Alternativmedien“ wie AUF1 und „unzensuriert.at“
ausweiten. Auch das parteieigene Mediennetzwerk mit Fokus auf Youtube
(FPÖ-TV) und soziale Medien soll weiter wachsen, unter anderem mit einem
eigenen FPÖ-Radiosender und einer neuen Nachrichtenseite.
Der Presseclub Concordia, eine Vereinigung österreichischer
Journalist:innen, appelliert nun an die Volkspartei: „Die Medienlandschaft
und damit der öffentliche Diskurs dürfen nicht einer Partei ausgeliefert
werden, die unabhängigen Journalismus systematisch sabotiert.“
Ob es der FPÖ gelingt, ihre Vorhaben umzusetzen, liegt jetzt vor allem an
der ÖVP und der Frage, wie weit sie Herbert Kickl entgegenkommt. Zuletzt
gab es Unstimmigkeiten in den Verhandlungen, weil sich die FPÖ bei mehreren
Kernthemen wie etwa der EU-Ausrichtung offenbar wenig kompromissfähig
zeigte. Zuletzt stand auch ein Platzen der Verhandlungen im Raum.
8 Feb 2025
## LINKS
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## AUTOREN
Florian Bayer
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