# taz.de -- Geplatzte Koalitionsverhandlungen: Österreichs mühsame Suche | |
> Nach dem Scheitern der FPÖ-ÖVP-Gespräche skizziert Bundespräsident Van | |
> der Bellen vier Optionen. Eine rasche Lösung ist nicht in Sicht. | |
Bild: Alexander Van der Bellen ist ein Wanderer auf einsamen wie auch mühsamen… | |
Wien taz | Der Bundespräsident war in seiner Fernsehansprache Mittwochabend | |
sichtlich bemüht, Ruhe auszustrahlen, wie es eigentlich seine Art ist. Doch | |
ganz konnte Alexander Van der Bellen seinen Unmut nicht verbergen. Immerhin | |
ist mit dem Ende der Gespräche zwischen FPÖ und ÖVP nun schon der dritte | |
Anlauf für eine Regierungsbildung in Österreich gescheitert. | |
Als Hauptursache sieht Van der Bellen die fehlende Bereitschaft zum | |
Kompromiss: „Die politische Landschaft polarisiert sich und Menschen aus | |
unterschiedlichen Parteien stehen einander immer unversöhnlicher gegenüber, | |
statt eben gemeinsam Lösungen zu finden.“ | |
Das ist durchaus als Anspielung auf [1][die rechtsradikale FPÖ] zu | |
verstehen, der ihr Wahlsieg über den Kopf gewachsen ist. Sie ging mit ihren | |
Maximalforderungen in die Gespräche und war kaum zu Zugeständnissen bereit. | |
Doch auch ÖVP und SPÖ tragen Verantwortung für das Scheitern der bisherigen | |
Anläufe. | |
## Van de Bellen sieht vier Optionen | |
Dieses Fiasko fällt auch auf den Bundespräsidenten zurück. Van der Bellen | |
war es, der anfänglich bewusst keinen Regierungsbildungsauftrag an den | |
extrem rechten [2][Wahlsieger Herbert Kickl] vergeben hatte – um ihn nach | |
fehlgeschlagenen Verhandlungen zwischen Konservativen, Sozialdemokraten und | |
Liberalen dann doch damit zu beauftragen. Doch auch Kickl ist nun | |
gescheitert. | |
Das sind prinzipiell gute Nachrichten für die große Mehrheit, die | |
Österreich weiterhin als liberale Demokratie beibehalten will. Offen | |
bleibt, wie es nun weitergeht. Im Wesentlichen gibt es vier Möglichkeiten, | |
die der Bundespräsident kurz skizziert hat, ohne dabei eine Präferenz | |
erkennen zu lassen. | |
Erstens Neuwahlen, vom Nationalrat beschlossen und frühestens im Juni | |
möglich. Bis dahin würde die bestehende schwarz-grüne Regierung die | |
Geschäfte weiterführen. Zweitens eine Minderheitsregierung unter Duldung | |
der anderen Parteien. Diese Form hat im kompromissorientierten Österreich | |
kaum Tradition. Ebenso unüblich wäre, drittens, eine Expertenregierung. | |
Beides sind eher keine tragfähigen Lösungen. | |
## Dynamik innerhalb der Parteien | |
Oder viertens die Möglichkeit, dass sich die im Herbst gewählten Parteien | |
doch noch zu einer Regierung zusammenraufen. Angesichts der Ernüchterung | |
unter den FPÖ-Sympathisanten innerhalb der ÖVP scheint eine | |
[3][Wiederaufnahme der Gespräche zwischen ÖVP und SPÖ] denkbar. Leicht wird | |
diese Lösung freilich nicht, da Konservative und Sozialdemokraten teils | |
fundamental unterschiedliche Positionen vertreten. Zu den Kernforderungen | |
des dezidiert linken SPÖ-Chefs Andreas Babler zählen etwa die | |
Viertagewoche, eine Bankenabgabe sowie eine Vermögenssteuer, allesamt | |
No-Gos für die wirtschaftsnahe ÖVP. | |
Da der Bundespräsident nun Gespräche mit allen Parteivorsitzenden führen | |
will, könnte ein neuerlicher Anlauf von Schwarz-Rot sein Ziel sein. Damit | |
ließe sich eine Neuwahl vermeiden, die einige Monate kosten und dabei die | |
Machtverhältnisse wohl auch nicht fundamental neu ordnen würde. Dann | |
begänne die mühsame Suche nach einem Kompromiss von Neuem. | |
Die Zeit jedenfalls drängt, das weiß auch Van der Bellen. Die | |
Herausforderungen sind groß: die Rekordverschuldung, die Österreich ein | |
EU-Defizitverfahren einbringen könnte. Das bereits dritte Jahr einer | |
hartnäckigen Rezession, die immer mehr Betriebe dahinrafft. Der | |
jahrzehntelange Reformstau etwa bei der Bildung und Gesundheit, der immer | |
offener zutage tritt. | |
Die ersten Gespräche, mit den Parteichefs der liberalen Neos, der Grünen | |
und der ÖVP, fanden bereits am Donnerstag statt. Fraglich ist, welche | |
innerparteilichen Dynamiken nun zutage treten. Allen voran in der SPÖ, der | |
die ÖVP bereits ausrichten ließ, sie solle auf Chef Andreas Babler | |
verzichten. Dieser ist auch in der SPÖ umstritten, nicht zuletzt wegen | |
mangelnden Erfolgs. Doch auch ÖVP-Chef Christian Stocker ist womöglich | |
nicht gesetzt. Der frühere Generalsekretär ist kurzfristig in die | |
Fußstapfen Nehammers gesprungen, aber eher kein Mann der ersten Reihe. | |
13 Feb 2025 | |
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## AUTOREN | |
Florian Bayer | |
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