# taz.de -- Blitz-Parteitag der CDU: Jetzt bloß kein Streit | |
> Die Union stehe geschlossen hinter Friedrich Merz, betont die CDU auf | |
> ihrem Parteitag. Doch seit der gemeinsamen Abstimmung mit der AfD rumort | |
> es. | |
Bild: Selbst Markus Söder (CSU) stichelt nur ganz sanft gegen Merz | |
Berlin taz | Es ist eine Tradition, auf die man in der CDU stolz ist: Vor | |
Parteitagen kommen die Delegierten zu einem ökumenischen Gottesdienst | |
zusammen. Doch diesmal steht die Zusammenkunft in der evangelischen | |
Grunewaldkirche in Berlin unter dem Eindruck von vergangener Woche, als die | |
Kirchen deutliche Kritik an den restriktiven Migrationsplänen der Union und | |
der gemeinsamen Abstimmung mit der AfD übten. | |
In seiner Predigt am Montag schwächt der katholische Prälat Karl Jüsten | |
diese Kritik gegenüber der anwesenden CDU-Parteiführung zu einer zaghaften | |
Mahnung ab: „Wir können als Christen nicht anders, als für Weltoffenheit, | |
Toleranz und Gerechtigkeit zu streiten“, sagt er. Und: „Wir erwarten, Herr | |
Merz, dass Sie das Wort, das Sie uns gegeben haben, auch halten werden.“ | |
Er spielte damit auf das Versprechen des CDU-Chefs an, nach den Wahlen sich | |
nicht mit Stimmen der AfD zum Kanzler wählen zu lassen. Merz wiederholt | |
diese Aussage auf dem Parteitag: „Wir werden mit der Partei, die sich | |
Alternative für Deutschland nennt, nicht zusammenarbeiten.“ Die Partei | |
stehe gegen alles, was der CDU wichtig sei: Westbindung, Nato, Euro. | |
Als Merz das sagt, formiert sich ein kurzer Protest im Saal. | |
Demonstrierende halten Schilder mit Buchstaben hoch: „Brandmauer“ ist | |
darauf zu lesen. Merz bemerkt die Intervention gar nicht – der | |
Sicherheitsdienst beendet die Aktion schnell und führt die Protestierenden | |
aus dem Saal. | |
## Ihren Fünfpunkteplan will die Union weiterverfolgen | |
Die Demonstrant*innen, die am Wochenende zu Hunderttausenden gegen rechts | |
auf die Straße gingen, kritisiert Merz hingegen von der Bühne aus: „Wo ist | |
denn der Aufstand der Anständigen, wenn in Deutschland Palästinenserflaggen | |
geschwenkt werden und Israelfahnen verbrannt werden“, ruft er in den Saal. | |
Und er fügt unter Applaus hinzu: „Ihr habt Euch im Datum und im Thema | |
geirrt.“ | |
Zuvor spannte Merz einen Bogen von Konrad Adenauer über Ludwig Erhard und | |
Helmut Kohl bis zur heutigen Situation. Immer wieder habe die CDU wichtige | |
Entscheidungen erkämpft. Das gelinge nur, wenn die Union zusammenstehe. | |
Dies sei auch heute nötig, so Merz. Die große Mehrheit in der Bevölkerung | |
sei der Meinung, dass es in der Migrationspolitik so wie bisher nicht | |
weitergehe. „Jetzt kommt es darauf an, Kurs zu halten.“ | |
Die Union möchte ihren Fünfpunkteplan zur Migration, den sie vergangene | |
Woche mit den Stimmen der AfD als Antrag durch den Bundestag gebracht | |
hatte, weiterverfolgen. Das Vorhaben, Asylsuchende pauschal an den Grenzen | |
abzuweisen, ist Teil des eine Seite umfassenden Sofortprogramms, das die | |
CDU im Falle eines Wahlsieges direkt angehen will. | |
## Oberflächliche Harmonie | |
Der Parteitag verabschiedet dieses Programm einstimmig: Die ersten Punkte | |
[1][drehen sich um die Wirtschaftspolitik], die die CDU bis zu den Morden | |
in Aschaffenburg nach eigenen Angaben ins Zentrum ihres Wahlkampfs stellen | |
wollte. Die Union möchte etwa die Stromsteuer und Netzentgelte senken, das | |
deutsche Lieferketten- und Heizungsgesetz abwickeln und Überstunden | |
steuerfrei stellen. | |
Doch auch um Sicherheit geht es dem Sofortprogramm, darunter auch das | |
Merz’sche Fünfpunkteprogramm zur Migration, mit dem die CDU den | |
Familiennachzug für subsidiär Geschützte beenden will. Bei der Einbürgerung | |
will die Union die Fristen wieder verlängern, die Cannabislegalisierung | |
wieder rückgängig machen. Keiner der Punkte wird auf dem Parteitag | |
inhaltlich diskutiert, und den Zeitplan gibt Merz schon vor der Abstimmung | |
vor: Bis zur Sommerpause sollen die Punkte umgesetzt werden. | |
Vordergründig herrscht auf dem CDU-Parteitag Harmonie. Daran, dass die | |
Union die nächste Regierung stellt, will hier niemand zweifeln. Knapp drei | |
Wochen vor der Bundestagswahl will niemand Merz in den Rücken fallen. „Bis | |
zum 23. Februar sind wir eine geschlossene Partei“, sagt einer am Rande des | |
Parteitags. Aber seit die Unionsfraktion am vergangenen Mittwoch einen | |
Antrag für eine radikale Verschärfung der Asylpolitik mit den Stimmen der | |
AfD durch den Bundestag brachte, ist es hinter den Kulissen vorbei mit der | |
ungeteilt guten Stimmung. | |
Viele teilen zwar den Vorstoß in der Sache, aber die Strategie, mit der | |
Merz versucht, Stimmen von der AfD zur Union umzuleiten, halten manche in | |
der CDU für viel zu riskant. An den Wahlkampfständen in den vergangenen | |
Tagen habe es viel Zustimmung gegeben, heißt es. Aber zahlreiche | |
Christdemokrat*innen waren dort auch mit der Forderung konfrontiert, | |
dass man mit den extrem Rechten auf gar keinen Fall gemeinsame Sache machen | |
dürfe. | |
## Auch die Liberalen in der CDU stehen hinter Merz | |
Auch die Großdemonstrationen vom Wochenende betrachten manche in der CDU | |
mit Sorge, in Berlin zogen um die 200.000 Menschen bei einem „Aufstand der | |
Anständigen“ am Sonntagnachmittag [2][bis vor die CDU-Parteizentrale]. | |
Der Wahlverlust von 2021 steckt der Partei bis heute in den Knochen. | |
Nacheinander steigen neben den Ministerpräsidenten Hendrik Wüst, Boris | |
Rhein und Michael Kretschmer auch Parteivize Silvia Breher und Karin Prien | |
auf die Bühne, um Merz zu unterstützen. Prien, die liberale Vizechefin der | |
Partei, stellt sich fest an die Seite des CDU-Kanzlerkandidaten. „Unsere | |
DNA ist antifaschistisch und antitotalitär, und da stehe ich, lieber | |
Friedrich, fest an deiner Seite.“ | |
Es sei infam, dass SPD und Grüne der CDU vorwerfen würden, der AfD auch nur | |
einen kleinen Finger zu reichen. Klar sei: „Keine Zusammenarbeit, keine | |
Koalition, keine Minderheitsregierung“, rief Prien. Und: „Wir brauchen | |
keinen antifaschistischen Nachhilfeunterricht.“ | |
Es ist diese Argumentationslinie, die die Delegierten in unterschiedlichen | |
Färbungen durchspielen: [3][Weil SPD und Grüne sich einem schärferen Kurs | |
in der Migrationspolitik verwehrt hätten], sei es zu der gemeinsamen | |
Abstimmung mit der AfD gekommen. „Das war ein Offenbarungseid von Rot und | |
von Grün, was wir erlebt haben“, sagte CDU-Generalsekretär Carsten | |
Linnemann. Dies mache klar, „dass es mit SPD und Grünen keinen | |
Politikwechsel bei der Migration geben wird“. | |
## Selbst Markus Söder stichelt nur sanft | |
Wie geeint die Union steht, wird auch in der Rede des notorischen | |
CDU-Spitzenkandidatenfressers, CSU-Chef Markus Söder, deutlich. Er redet | |
über das Gendern (pfui), Bratwürste (hui) und stellt sich hinter Merz. | |
„Letzte Woche war schon ein steiler Move. Friedrich Merz hat eine | |
Leitentscheidung getroffen, so wie es ein Kanzler tun muss.“ | |
Die AfD ist ihm einen Seitenhieb wert: „Nein, nein, nein zu jeder | |
Zusammenarbeit mit der AfD, wir bekämpfen die Partei.“ Die maximale | |
Stichelei, die er sich gegen Merz erlaubt: „Ich war sogar im Sauerland.“ Er | |
wisse nicht, ob er noch einmal in die Heimat des CDU-Kandidaten reisen | |
werde, nur so viel: „Heute in drei Wochen ist alles vorbei, und wir haben | |
ein Ziel: Friedrich Merz wird Bundeskanzler.“ | |
3 Feb 2025 | |
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## AUTOREN | |
Cem-Odos Güler | |
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