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# taz.de -- Gedenken an Auschwitz-Befreiung: „Die Verantwortung Deutschlands …
> 80 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz fühlen sich jüdische Menschen
> in Deutschland bedroht. Kanzler Scholz gibt sich selbstkritisch.
Bild: Vor 80. Jahren wurde das Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz…
Frankfurt taz | Am Sonntagabend kamen rund 700 Menschen im Frankfurter
Ignatz-Bubis-Gemeindezentrum zusammen, um anlässlich des 80. Jahrestages
der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz durch
die Soldaten der Roten Armee an einem ganztägigen Gesprächs- und
Erinnerungsformat teilzunehmen.
Unter den Gästen befanden sich Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft,
Kirchen, Kultur und Stadtgesellschaft, darunter Bundeskanzler Olaf Scholz,
Vorstandsvorsitzender der Jüdischen Gemeinde Frankfurt am Main, Benjamin
Graumann, Publizist Michel Friedman sowie der Präsident des Zentralrats der
Juden in Deutschland, Josef Schuster.
„50 Menschen meiner Familie wurden von Deutschen ermordet“, erinnerte
Michel Friedman während der Podiumsdiskussion „80 Jahre Befreiung von
Auschwitz – was nun?“. Er fügte hinzu: Irgendjemand müsse verantwortlich
sein, dass jüdisches Leben 80 Jahre nach Auschwitz so gefährdet, bedroht
und perspektivlos sei wie nie zuvor. Trotz aller gesellschaftlichen und
politischen Versprechen sei so wenig erreicht worden, dass man auch heute
noch über die Sicherheit jüdischen Lebens in Deutschland sprechen müsse.
„Deutschland garantiert, dass es keinen Platz für Antisemitismus gibt, doch
seit Befreiung von Auschwitz gibt es jeden Tag Platz für Judenhass in
Deutschland“, so Friedman. Der 68-jährige Autor sei zudem tief erschüttert
darüber, dass er sich heute noch fragen müsse, ob es ein Fehler gewesen
sei, dass seine „Eltern nach Deutschland zurückgekehrt sind“ und seine
Kinder hier leben. Diese Sicherheit, so Friedman, „bitte ich nicht von der
Politik oder der Gesellschaft, ich verlange sie als Bürger dieses Landes.“
## Alltägliche Bedrohung
Auch Benjamin Graumann wies darauf hin, dass seit dem 7. Oktober 2023 immer
mehr Jüdinnen und Juden sich aus der Öffentlichkeit zurückziehen. „Die
Erwartung, dass meine Kinder in diesem Land sicher leben können, ist zur
Illusion geworden“, erklärte er. Auch die Schauspielerin und Aktivistin
Sarah Maria Sander berichtete, dass sie sich als Jüdin in Berlin bedroht
fühle. Sie forderte stärkeren Schutz für jüdische Menschen und kritisierte
Aufrufe wie „Intifada“ scharf: „Das zu verbieten wäre ein konsequenter
Schritt.“ Sander sprach zudem von Hass und Anfeindungen, denen sie online
ausgesetzt sei.
„Es kann nicht sein, dass wir genug getan haben, wenn die Ergebnisse so
aussehen“, betonte Kanzler Scholz, forderte ein kontinuierliches Engagement
der Politik und betonte: „Die Verantwortung Deutschlands wird niemals enden
– es gibt keinen Schlussstrich.“ Deswegen verfolge Deutschland mit den
Mitteln des Strafrechts diejenigen, die Terrorismus unterstützten und
antisemitisch hetzten, zudem sei neben dem Schutz jüdischer Gemeinden im
neuen Staatsangehörigkeitsrecht klar geregelt worden, dass Antisemitismus
einer Einbürgerung entgegenstehe.
Das Land müsse „die Erinnerung an den von Deutschen begangenen
Zivilisationsbruch der Shoah wachhalten und jeder Generation in unserem
Land immer wieder neu vermitteln“, forderte Scholz in seiner Rede. „Dabei
geht es gerade heute – gegen jede Relativierung – um die Vermittlung der
historischen Wahrheit, der unzweifelhaften Fakten, denen sich jede und
jeder in unserem Land stellen muss“, so Scholz. 80 Jahre nach der Befreiung
von Auschwitz sei es wichtiger als je zuvor, die richtigen Lehren daraus zu
ziehen.
## Appell an den Kanzler
Marc Grünbaum, Vorstandsmitglied der Jüdischen Gemeinde Frankfurt am Main,
machte zudem darauf aufmerksam, dass viele Menschen in Deutschland aktuell
große Angst hätten, da eine „rechtsextreme und antidemokratische Partei
bundesweit zur zweitstärksten Kraft“ aufgestiegen sei. „Demokratie ist ein
Kampf – nehmen Sie diesen Kampf an, Herr Kanzler“, forderte er. Auch Josef
Schuster betonte, dass eine wehrhafte Haltung gegen die Propaganda des
„Schuldkults“ notwendig sei, deren parlamentarischer Arm mit der AfD
bereits in Landtagen und im Bundestag sitze.
Am 27. Januar jährt sich zum 80. Mal die Befreiung des Konzentrations- und
Vernichtungslagers Auschwitz durch die Soldaten der Roten Armee. Die Nazis
hatten dort mehr als eine Million Menschen ermordet, überwiegend Juden.
Seit 1996 wird der 27. Januar in Deutschland als Holocaust-Gedenktag
begangen. Zum ersten Mal beging die Jüdische Gemeinde Frankfurt am Main
diesen Tag mit unterschiedlichen Gesprächs- und Erinnerungsformaten.
20 Jan 2025
## AUTOREN
Yağmur Ekim Çay
## TAGS
Olaf Scholz
Auschwitz
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Antisemitismus
GNS
Schwerpunkt AfD
Holocaust-Gedenktag
Holocaust
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Antisemitismus
Schwerpunkt Nationalsozialismus
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