# taz.de -- Konflikt an der Alice Salomon Hochschule: Solidarität mit Präside… | |
> Jüdische Studierende und Mitarbeiter der Berliner Hochschule stellen | |
> sich hinter Präsidentin Völter. Die Antisemitismusvorwürfe seien | |
> ungerechtfertigt. | |
Bild: Geduldete Besetzung: Banner hängen aus den Fenstern des Audimax der Alic… | |
Berlin taz | Nach der [1][geduldeten Besetzung eines Hörsaals an der Alice | |
Salomon Hochschule (ASH)] durch propalästinensische Aktivist*innen | |
haben jüdische Studierende und Mitarbeiter*innen ihre Solidarität mit | |
Hochschulpräsidentin Bettina Völter erklärt. | |
Sieben derzeitige und ehemalige Lehrbeauftragte sowie Studierende der | |
Hochschule schreiben [2][in einem öffentlichen Statement], sie stünden | |
„voll und ganz hinter der Entscheidung des Präsidiums, die Besetzung und | |
die damit verbundenen Äußerungen und Symboliken intern und deeskalierend zu | |
beenden und keine polizeiliche Räumung zu veranlassen“. Zudem verteidigten | |
sie Völter gegen den Vorwurf, sie habe „in ihrem Handeln Antisemitismus | |
geduldet, gefördert oder unterstützt“. Das Gegenteil sei der Fall. | |
Bettina Völter und die gesamte Leitung der ASH waren wegen ihres Umgangs | |
mit der Aktion in die Kritik geraten. Am vergangenen Montag hatten | |
Studierende aus Protest gegen das israelische Vorgehen im Gazastreifen das | |
Audimax der Hochschule in Hellersdorf besetzt. Nach Gesprächen erlaubte die | |
Hochschule den Protestierenden, den Hörsaal bis einschließlich vergangenen | |
Donnerstag für „Wissensaneignung, zum Austausch und zur kritischen | |
Auseinandersetzung“ zu nutzen. Im Gegenzug mussten die Besetzer*innen | |
den Raum jeden Abend zur üblichen Schließzeit der Hochschule verlassen. | |
Dabei stellte sich Völter schützend vor die Aktivist*innen, als diese am | |
ersten Abend aus dem Gebäude traten. Videos in den sozialen Netzwerken | |
zeigen ein Wortgefecht mit einem Polizisten, der sich neben der Tür | |
postiert hatte. „Wir erleben es als bedrohlich, dass Sie vorn am Eingang | |
stehen“, sagt Völter darin, und: „Ich habe Sie nicht gerufen. Wir brauchen | |
Sie nicht.“ | |
## Beihilfe zu Straftaten? | |
Seitdem reißt die Kritik an Völter nicht ab. Bereits in der vergangenen | |
Woche hatten sich der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU), | |
Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) und weitere Berliner | |
Politiker*innen zu Wort gemeldet. Wegner etwa nannte Völters Handeln | |
„völlig unverständlich“ und sprach von „vermummten und gewalttätigen | |
Antisemiten“. Zudem bat Wegner Czyborra, „mögliche Maßnahmen“ gegen die | |
Hochschulleitung „zu prüfen“. CDU-Fraktionschef Dirk Stettner forderte | |
Völter zum Rücktritt auf. | |
Am Montag befasste sich auch der Innenausschuss des Berliner | |
Abgeordnetenhauses mit dem Thema. Innensenatorin Iris Spranger (SPD) | |
kritisierte „Verhalten und Äußerungen“ von Völter als „nicht | |
nachvollziehbar und deplatziert“. CDU-Innenpolitiker Burkard Dregger warf | |
der Hochschulleitung vor, durch die Genehmigung der Besetzung Beihilfe zu | |
Straftaten geleistet zu haben. | |
## Raum für jüdische Stimmen geschaffen | |
Die Gruppe jüdischer Hochschulangehöriger widerspricht diesen | |
Darstellungen. In dem Schreiben lobt sie zunächst das Handeln von Bettina | |
Völter seit dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober 2023. Völter habe | |
sich nicht angemaßt, über die Sorgen und Bedürfnisse der jüdischen | |
Studierenden und Mitarbeitenden zu sprechen, sondern diese „aktiv mit ins | |
Boot geholt und Raum für unsere eigenen Stimmen geschaffen“. Damit habe sie | |
etwas geschafft, „was wir im allgemeinen Diskurs schmerzlich vermissen“. | |
Vor diesem Hintergrund habe die Besetzung ohne Räumung die Chance geboten, | |
„mit den Studierenden an den Erfahrungen zu arbeiten und sie nicht nur | |
auszuschließen und gesellschaftlich zu stigmatisieren“. Alle Beteiligten | |
der Besetzung pauschal als „Antisemiten“ zu bezeichnen, sei | |
„diskriminierend und in dieser Verallgemeinerung schlichtweg falsch“, | |
schreiben die Verfasser*innen mit Blick auf die Äußerungen von Wegner. | |
„Wenn jede Solidaritätsbekundung mit den Menschen in Gaza als | |
Antisemitismus markiert wird, verlieren tatsächliche antisemitische | |
Äußerungen und Taten an Bedeutung.“ | |
## Anzeigen wegen Hamas-Slogans | |
Gleichwohl sei es während der Besetzung zu antisemitischen Äußerungen und | |
Handlungen gekommen, heißt es in dem Statement. Man habe | |
Hamas-verherrlichende Symbole gesehen und Parolen gehört. Doch die | |
Hochschulleitung habe „mit persönlichem Einsatz deeskalierende Gespräche | |
geführt und klare Grenzen formuliert“. Daraufhin seien diskriminierende | |
Plakate von den Besetzenden selbst entfernt worden. | |
Das widerspricht einer [3][Darstellung der Deutschen Journalistinnen- und | |
Journalisten-Union] (DJU), wonach die Hochschulleitung bei einem Besuch von | |
Pressevertretern vergangenen Donnerstag „eilig belastendes Material von den | |
Wänden gerissen“ und Journalisten daran gehindert habe, „es zu | |
dokumentieren“. | |
Die Hochschulleitung hat zwölf Vorfälle allerdings auch zur Anzeige | |
gebracht, wie am Montag bekannt wurde. Es seien vier Variationen der Parole | |
„From the River to the Sea“ auf Postkarten sowie sechs [4][rote Dreiecke] | |
registriert worden, berichtete Wissenschaftsstaatssekretär Henry Marx (SPD) | |
im Innenausschuss. | |
Darüber hinaus sei in „verschieden kontextualisierten Sprüchen“ auf die | |
Hamas verwiesen worden – etwa mit dem Schriftzug „Hamas Habibi“ („Hamas, | |
mein Liebling“). „Dies sind klar Dinge, die gewalt- und | |
terrorverherrlichend sind und einen antisemitischen Charakter aufweisen“, | |
sagte Marx. | |
## Büste verhüllt | |
Nicht angezeigt wurde demnach eine Aktion der Protestierenden, die | |
weiterhin für heftige Diskussionen sorgt: Zu Beginn der Besetzung war eine | |
Büste von Alice Salomon, jüdische Namensgeberin der Hochschule, mit einer | |
Kufija verhüllt und auf den Sockel „Palestine“ in roter Schrift gekrakelt | |
worden. Tuch und Schriftzug wurden bald wieder entfernt, von wem, ist | |
unklar. Von einer „Schändung“ sprach am Montag die „Ständige Konferenz … | |
NS-Gedenkorte im Berliner Raum“. Es handele sich um eine „durch nichts zu | |
rechtfertigende antisemitische Verhöhnung ihrer Namensgeberin“. Zuvor | |
hatten auch Bild-Zeitung und B.Z. den Vorfall als „Schändung“ bezeichnet; | |
ein Sprecher der ASH hingegen [5][erklärte laut DJU], die Hochschule würde | |
nicht von einer „Schändung“ sprechen. | |
Neben der Gruppe jüdischer Hochschulangehöriger haben sich in den | |
vergangenen Tagen weitere ASH-Mitarbeiter*innen geäußert. Am Freitag wurde | |
bekannt, dass Hochschul-Kanzlerin Jana Einsporn, verantwortlich für | |
Verwaltung und Finanzen, einen Brief an den Senat geschrieben hat. Darin | |
bat sie den Regierenden Bürgermeister um Hilfe. Kollegen hätten ihr „von | |
Ängsten und Unsicherheiten berichtet, da die Situation vor Ort weniger | |
friedlich wahrgenommen wird, als dies in den Medien dargestellt wird“. Die | |
Besetzung verschärfe das Unsicherheitsgefühl der Mitarbeitenden. | |
Gleichzeitig erhielt Bettina Völter von mehr als 40 Professor*innen und | |
weiteren ASH-Mitarbeiter*innen Rückendeckung. In einem weiteren [6][offenen | |
Brief], der ebenfalls bereits am Freitag veröffentlicht wurde, erklären | |
sie, dass sich die Hochschulleitung im Umgang mit der Besetzung „ihrem | |
Bildungsauftrag entsprechend“ verhalten habe. Inzwischen haben knapp 200 | |
weitere Wissenschaftler*innen den Brief unterzeichnet. | |
## „Ein absoluter Skandal“ | |
Dass die Universitätsleitung die Besetzung geduldet habe, sei „ein | |
absoluter Skandal“, sagte dagegen Hanna Esther Veiler, Präsidentin der | |
Jüdischen Studierendenunion (JSUD) in einem auf Instagram veröffentlichten | |
Video. Menschen studierten an der ASH Bildung und Erziehung oder soziale | |
Arbeit. „Menschen, die gerade mit Plakaten wie ‚I love Hamas‘ über den | |
Campus laufen, das sind Menschen, die in ein paar Jahren | |
Sozialarbeiter*innen werden“, sagt Veiler. | |
Ihr gehe „das Bild nicht aus dem Kopf“, dass diese Leute dann „für Mensc… | |
verantwortlich sind, die aus Ländern geflohen sind vor genau solchen | |
Terrororganisationen, vor Regimen, die die gleiche Ideologie haben wie | |
Hamas“ oder auch vor jüdischen älteren Menschen, die oft wegen Armut auf | |
Sozialhilfe angewiesen seien. „Und dann haben sie jemanden vor sich, die in | |
ihrer Studienzeit Hamas ganz super fand“, sagt Veiler. | |
„Das fände ich auch bedenklich – wenn diese Studenten kommentarlos agieren | |
dürften“, sagt Vered Berman. Sie ist Mitverfasserin des offenen Briefs und | |
Lehrbeauftragte an der ASH. „Aber das ist hier nicht passiert. Und das | |
schätze ich an der ASH“, sagt sie. Manche Besetzer*innen hätten Grenzen | |
überschritten – aber dazu habe es Gespräche gegeben. „Diese Gespräche | |
wurden nicht beendet. Es gibt hier eine Diskussionskultur“, sagt Berman. | |
Auch in ihrem Seminar zum Nahost-Konflikt gäbe es konstruktiven Austausch, | |
Meinungen dürften dort aufeinanderprallen. „Ich kämpfe für den Frieden“, | |
sagt Berman. Intifada-Rufe oder Hamas-Dreiecke zeigten dagegen den Wunsch | |
nach Vernichtung der anderen Seite. „Doch ohne Diskussion gewinnen am Ende | |
nur die Radikalen. Dagegen kämpfe ich, so gut ich kann.“ | |
Mitarbeit: Uta Schleiermacher | |
13 Jan 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Hoersaalbesetzung-in-Hellersdorf/!6057104 | |
[2] https://www.ash-berlin.eu/hochschule/presse-und-newsroom/ash-news/stellungn… | |
[3] https://x.com/ver_jorg/status/1877613227682537955 | |
[4] /Bewertung-aus-dem-Bundesinnenministerium/!6045565 | |
[5] https://x.com/ver_jorg/status/1877646782479335581%20 | |
[6] https://www.ash-berlin.eu/hochschule/presse-und-newsroom/ash-news/hochschul… | |
## AUTOREN | |
Hanno Fleckenstein | |
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