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# taz.de -- Serie „Severance“ bei Apple TV+: Second Life als Albtraum
> Die zweite Staffel von „Severance“ entwickelt wieder Mindgames. Die
> hochintelligente Apple-Serie diskutiert die Erweiterung des Körpers für
> Profit.
Bild: Die Privatmenschen sind erst mal ganz zufrieden, aber die Arbeitenden ste…
Schon [1][die erste Staffel] war eine komplexe dystopische Reflexion über
Zukunft und Gegenwart der Arbeit mit einer ordentlichen Prise Satire. Wenn
eine größere Work-Life-Balance wünschenswert ist, bietet es sich dann nicht
einfach an, eine klare Trennlinie zwischen dem arbeitenden und dem privaten
Subjekt zu ziehen?
In „Severance“ ist dem mysteriösen Pharma-Konzern Lumon Industries genau
dies gelungen: Mitarbeiter können so beschäftigt werden, dass sie sich
durch einen ins Gehirn eingepflanzten Chip nicht an die Arbeit erinnern
können. So entsteht eine neue dialektische Spezies der Arbeitsgesellschaft:
die Outies und die Innies. Doch die Innies werden auf der Arbeit so
schlecht behandelt und ihre Tätigkeit erscheint ihnen derart sinnlos, dass
einige rebellieren.
Die Innies von Mark (Adam Scott) und seinen Mitarbeitern Dylan George (Zach
Cherry), Helly Riggs (Britt Lower) und Irving Bailiff (John Turturro)
wollen zudem wissen, wer ihre Outies sind. Das gelingt ihnen zum Ende der
ersten Staffel auch. Allerdings findet Mark heraus, dass es die verstorbene
Frau seines Outies als Innie gibt und sie eventuell noch lebt. Und Helly
ist Innie der Tochter des Konzernchefs und entfacht einen Skandal, weil sie
in der Öffentlichkeit die schlimmen Arbeitsverhältnisse publik macht.
In der zweiten Staffel geht es also um die Suche nach Marks Frau und darum,
wie Helly ein Leben zwischen Outie und Innie vereinbaren kann. Mit diesen
zentralen Handlungssträngen wird wieder eine Mindgame-Dramaturgie
entwickelt, die mit allerhand rätselhaften Situationen und Überraschungen
aufwartet.
## Radikale Work-Life-Balance
Der Spieß der [2][Work-Life-Balance], so wie sie in den letzten Jahren
diskutiert wurde, wird in „Severance“ umgedreht: Während die Privatmenschen
zunächst recht zufrieden sind, streben die Arbeitenden zunehmend nach
Erkenntnis. Das kennen wir von Erzählungen über Roboter und [3][künstliche
Intelligenzen]. Sind die Innies nichts anderes als künstliche Erweiterungen
der Outies?
Darauf, dass es in der Serie auch um die Digitalisierung unserer Lebenswelt
geht, verweist bereits die unsinnige Arbeit, die in der Abteilung, deren
Leiter Mark ist, zu leisten ist: Mit dem Computer müssen sie umherfliegende
Zahlen auf dem Bildschirm einsammeln und in Behälter am unteren Rand des
Displays ablegen. Das mutet wie ein simples Bildschirmspiel an. Und
überhaupt erinnert das Setting mit seinen endlosen Gängen und Türen, hinter
denen sich überraschende Räume auftun, an die gute alte Computerspielzeit
der 1970er und 1980er Jahre. Dieser Retro-Look erzählt aber etwas über
unsere digitale Gegenwart und Zukunft.
## Maschinelles Lernen
Der Konzern selbst nennt seine Erfindung, also im Grunde den entwickelten
Chip, eine transformative Technologie. Es geht also auch um
Transhumanismus. Und diese Theorie und Praxis ist stark mit der
Digitalisierung verwoben. Im Grunde sind die Innies Erweiterungen der
Outies zu Cyborgs.
Ihre Arbeit in der Abteilung Macrodata Refinement könnte auch insofern eine
Verfeinerung oder Veredelung von Daten sein, als sie – der
wirtschaftswissenschaftlichen Theorie von Makro- und Mikrodaten folgend,
wonach die Makroebene die eines Konzerns und die Mikroebene die der
Angestellten ist – der Optimierung des Konzerns dienen. Was den Anschein
eines banalen Sammelns von Daten erweckt, könnte auch [4][maschinelles
Lernen] sein, wodurch Algorithmen des Konzerns optimiert werden.
So erzählt diese hochintelligente Serie von Ben Stiller auch davon, dass
die Erfüllung der Utopie einer gewinnbringenden Erweiterung unseres Körpers
durch digitale Technologie bis hin zu künstlichen Mischintelligenzen immer
von den Konzernen abhängen wird, die sie herstellen.
23 Jan 2025
## LINKS
[1] /Severance-bei-Apple-TV/!5831606
[2] /Work-Life-Balance/!6023187
[3] /Schwerpunkt-Kuenstliche-Intelligenz/!t5924174
[4] /Lernende-Maschinen/!5755050
## AUTOREN
Thomas Klein
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