| # taz.de -- „Severance“ bei Apple TV+: Unheimliche Work-Life-Balance | |
| > In Ben Stillers neuer Serie werden Privat- und Arbeitsleben durch einen | |
| > Chip im Gehirn komplett getrennt. Eine Mischung aus Satire und Thriller. | |
| Bild: Mark (Adam Scott) ist sich selbst nicht so ganz sicher, was er in seinem … | |
| Beruf und Privatleben voneinander trennen und beidem genug Raum zu geben | |
| ist für viele ein Ideal, ganz unabhängig von aktuell drängenden Fragen zu | |
| Homeoffice oder ausreichenden Kinderkrankheitstagen. Den Job abends nicht | |
| noch mit nach Hause nehmen, sei es gedanklich oder in Form von Aktenbergen, | |
| und sich tagsüber im Büro nicht davon ablenken lassen, welche heimischen | |
| Pflichten warten, ist leichter gesagt als getan. Außer natürlich man | |
| arbeitet bei der Firma Lumon. Denn dort macht man es den | |
| Mitarbeiter*innen leicht, die Sache mit der [1][Work-Life-Balance] auf | |
| konsequente Weise durchzuziehen. | |
| Mark (Adam Scott) etwa, Mitarbeiter in der Archiv-Abteilung, hat sich dazu | |
| entschlossen, am „Severance“-Programm der Firma teilzunehmen, das dieser | |
| von Newcomer Dan Erickson kreierten Serie ihren Namen gibt. Einen Mikrochip | |
| im Gehirn, und schon ist die Trennung zwischen Arbeit und Privatem | |
| vermeintlich unwiderruflich vollzogen. So erinnert sich Mark, wenn er | |
| morgens im Büro erscheint, nicht einmal mehr daran, wo er wohnt oder ob er | |
| Familie hat, sondern kann alle Aufmerksamkeit auf das immer gleiche | |
| Sortieren codierter Zahlen auf seinem Rechner richten. Und kaum verlässt er | |
| zum Feierabend das Firmengebäude, weiß er nicht mehr, womit er sich den | |
| ganzen Tag beschäftigt hat. | |
| Doch spätestens als sein „Outie“-Selbst, also der private Mark der | |
| Außenwelt, der mal Geschichtsprofessor war, seine Frau bei einem Unfall | |
| verloren hat und sich abends in den Schlaf trinkt, von einem verschwundenen | |
| Ex-Kollegen kontaktiert wird, der angeblich das „Severance“-Verfahren | |
| rückgängig machen konnte, fängt er an, sich Gedanken über sein | |
| Arbeitsumfeld zu machen. Derweil bekommt „Innie“-Mark im komplett | |
| tageslichtfreien Büro mit Helly (Britt Lower) eine neue Kollegin, die | |
| prompt sämtliche Lumon-Verhaltensregeln hinterfragt. Aber auch er selbst | |
| beginnt nach und nach, über gewisse Selbstverständlichkeiten an seinem | |
| Arbeitsplatz nachzudenken, angefangen mit der Frage, was genau er in seinem | |
| Job eigentlich macht. | |
| Daran, dass von einem Arbeitgeber nichts Gutes zu erwarten ist, der als | |
| Bonus für erbrachte Leistungen Waffel-Partys veranstaltet, einen Handschlag | |
| zur Beförderung nur auf Nachfrage anbietet und ansonsten von früh bis spät | |
| dem Firmengründer huldigt, besteht kaum ein Zweifel. Doch auch sonst | |
| breiten Showrunner Erickson und der hauptverantwortliche [2][Regisseur Ben | |
| Stiller] von Beginn der neun Episoden an einen Teppich der Unheimlichkeit | |
| aus, der sofort klar macht, dass „Severance“ nicht nur eine bittere | |
| Workplace-Satire samt Kapitalismuskritik ist, sondern auch ein | |
| futuristisch-gruseliger Paranoia-Thriller. | |
| ## Albtraum-Gefühl im Retro-Look | |
| Man muss als Zuschauer*in dabei durchaus geduldig sein, denn es dauert | |
| ein paar Folgen, bis man ein Gespür dafür bekommt, wohin die Reise geht. | |
| [3][Doch anders als bei „Maniac“] gibt es mehr als bedeutungsschwangere | |
| Rätselhaftigkeit und überstylte Bilder. | |
| Nicht dass nicht auch „Severance“ viel Wert aufs Visuelle legt. Das ungute | |
| Albtraum-Gefühl gruseliger Bedrohlichkeit beginnt hier mit der | |
| irritierenden Mischung aus Science-Fiction- und Retro-Look, von den | |
| labyrinthartigen, in gleißendes Neonlicht getauchten Gängen im | |
| Lumon-Gebäude bis hin zu den Computeroberflächen – und setzt sich in den | |
| Performances fort. Adam lotet geschickt sein Image als harmlos-netter Kerl | |
| von nebenan aus. Je weiter die Geschichte voranschreitet, desto komplexer | |
| erweist sich der thematische Unterbau, der die Unmenschlichkeit moderner | |
| Arbeitsbedingungen genauso verhandelt wie den sektenartigen Führungsstil | |
| mancher Großkonzerne. | |
| 18 Feb 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Patrick Heidmann | |
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