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# taz.de -- Serie auf Apple TV: Hingebungsvolle Performance
> In der neuen Serie „Die letzten Tage des Ptolemy Grey“ brilliert Samuel
> L. Jackson als dementer Messie. Die Erzählung ist hingegen etwas träge.
Bild: Samuel L. Jackson und Dominique Fishback in „Die letzten Tage des Ptole…
Wer sich umsieht im Apartment von Ptolemy Grey, bekommt eine Ahnung davon,
wie es in seinem Kopf zugeht: dunkel und zugemüllt mit Gerümpel und allem,
was sich ein Leben über ansammelt, ein Zimmer ist fest verschlossen, der
Klassiksender im Radio und der Nachrichtenkanal im Fernsehen laufen beide
dauerhaft und gleichzeitig. Ptolemy [1][(Samuel L. Jackson)] ist 91 Jahre
alt, seine Demenz schreitet voran.
Ihn suchen Erinnerungen heim, an die Kindheit auf den Baumwollfeldern der
Südstaaten oder die Frau, die Jahrzehnte später seine große Liebe wurde.
Doch wenn sein Neffe Reggie (Omar Benson Miller) vor der Tür steht, um nach
dem Rechten zu sehen und ein paar neue Dosen Bohnen bringt, weiß der
Protagonist in „Die letzten Tage des Ptolemy Grey“ fünf Minuten später
nicht, worüber sie eigentlich gesprochen haben.
Als eines Tages Reggie nicht mehr kommt, schlägt die [2][sechsteilige
Serie], für die der Schriftsteller Walter Mosley seinen eigenen Roman
adaptiert hat, eine neue Richtung ein. Nicht ganz freiwillig nimmt sich die
17-jährige Robyn (Dominique Fishback) des alten Herren an, die Tochter
einer Freundin seiner Nichte, verwaist und ohne Zuhause.
Auf der Suche nach Familienanschluss und einer Aufgabe, zieht sie bei ihm
ein und räumt auf. Bald sieht nicht nur Ptolemys Wohnung wieder sauber und
bewohnbar aus, auch der Nebel in seinem Kopf beginnt, sich zu lichten.
Zunächst nur zaghaft, dank der neuen Stütze in seinem Leben. Dann
drastischer, denn er stellt sich und seinen Körper einem Arzt (Typ:
windiger Schmierlappen und verkörpert von Walton Goggins) für ein noch
nicht zugelassenes Versuchsverfahren zur Verfügung.
Für eine gewisse Zeit erlangt er die Erinnerung zurück an alles, was in
seinem langen Leben passiert ist. Um den Preis allerdings, dass sein
Zustand mit Nachlassen der Wirkung schlechter sein wird als zuvor. Diesen
futuristisch angehauchten Pakt mit Satan, wie Ptolemy den Doktor nicht ohne
Grund nennt, rückt die Serie gar nicht allzu sehr in den Fokus, wie
überhaupt viele der Nebenplots nur bis zu einem gewissen Punkt verfolgt
werden.
Ein wertvoller Schatz, vor langer Zeit versteckt von Ptolemys Onkel und
Mentor Coydog (Damon Gupton), der einst vor den Augen des Jungen gelyncht
wurde; die aufgebrachte entfernte Verwandtschaft des Rentners, die Robyn
unterstellt, sich eine Erbschaft erschleichen zu wollen; und schließlich
die von Vergeltungsgedanken befeuerte Frage, wer Reggie erschossen hat und
warum.
Diese [3][Handlungsstränge] blähen die ohnehin nicht gerade rasant erzählte
Serie mehr auf als nötig, auch weil der vor allem für seine Krimis bekannte
Mosley („Teufel in Blau“) zu eng am eigenen Roman bleibt statt
Verdichtungen zu wagen.
## Geniales Schauspiel-Duo
Als emotional eindringliches, manchmal auch ein bisschen zu
gefühlsduseliges Drama überzeugt die unter anderem von Ramin Bahrani und
Debbie Allen inszenierte Serie durchaus. Die sich zögerlich und über viele
Gespräche entwickelnde Freundschaft zwischen Ptolemy und Robyn, die geprägt
ist von alten Weisheiten, neuen Erkenntnissen und Lektionen auf beiden
Seiten, stellt das Herz der Geschichte dar, anhand derer auch viel darüber
erzählt wird, was ein Menschenleben ausmacht. Nicht nur, aber vor allem als
Schwarze Person of Color in den USA des 20. Jahrhunderts.
Wirklich sehenswert ist „Die letzten Tage des Ptolemy Grey“ deswegen nicht
zuletzt wegen der Schauspiel-Duos im Zentrum. Für Samuel L. Jackson, dessen
Mutter an Alzheimer litt, war das Projekt eine Herzensangelegenheit, seit
er sich vor rund zehn Jahren die Rechte an dem Roman sicherte (gemeinsam
mit seiner Ehefrau LaTanya Richardson Jackson gehört er nun zu den
Produzent*innen).
Nach Jahren, in denen er sich größtenteils darauf zu beschränken schien, in
Marvel-Gastauftritten und mittelmäßigen Actionfilmen darstellerisch auf
Autopilot zu schalten, zeigt er hier eine nuancierte, hingebungsvolle
Performance, die glaubhaft mehrere Dekaden abdeckt und zu den besten seiner
langen Karriere gehört.
Kaum weniger Lob gebührt Dominique Fishback, die mit 30 Jahren glaubhaft
einen Teenager verkörpert, vergangenes Jahr schon in „Judas and the Black
Messiah“ beeindruckte und sich ohne Frage für Größeres empfiehlt.
12 Mar 2022
## LINKS
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## AUTOREN
Patrick Heidmann
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