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# taz.de -- Apple-TV-Serie „Tehran“: Blick auf die andere Seite
> Apples neue TV-Serie „Tehran“ erzählt von einer israelischen Agentin im
> Iran. In Israel wurde die Serie zum Quotenrenner.
Bild: Die israelische Schauspielerin Niv Sultan in der Serie „Tehran“
Eine Serie über den schwelenden Konflikt zwischen Israel und dem Iran als
spannender Zeitvertreib während einer globalen Pandemie? Was eher
fragwürdig klingt, wurde mit „Tehran“ in diesem Sommer Realität. In Israe…
wo die erste Staffel bereits im Juni anlief, wurde sie schnell zum
Quotenrenner. Nun ist sie auch international auf dem Streaming-Kanal Apple
TV+ zu sehen.
Unterhaltung statt politischer Kontroversen war es wohl auch, was die
Macher*innen der Serie im Sinn hatten, darunter Autor Moshe Zonder, der
das Drehbuch für die erste Staffel der Erfolgsserie „Fauda“ schrieb, und
Produzentin Dana Eden.
In „Tehran“ geht es weniger um die [1][Abbildung politischer Realitäten]
als um einen klassischen Spionage-Thriller: Um aus der Luft iranische
Atomanlagen ausschalten zu können, schleust der Mossad die junge Hackerin
Tamar Rabinyan (Niv Sultan) unter falscher Identität in den Iran ein. Der
Plan scheitert, und schnell ist ihr Faraz Kamali, der Sicherheitschef der
iranischen Revolutionsgarde, auf der Spur und die unerfahrene Agentin muss
in Teheran untertauchen.
Statt abgeschreckt zu sein von zu viel Nähe zum „Erzfeind“, waren die
israelischen Zuschauer*innen vor allem neugierig, wie Zonder in einem
kurzen Videotelefonat erklärt: „Wir kennen den Iran ja nur aus den
Schlagzeilen. Aber die Reaktionen auf unsere Serie haben mir gezeigt, dass
die Leute geradezu darauf gewartet haben, auch mal einen kleinen, echten
Einblick in den modernen Alltag dort zu bekommen.“
Wie wahrhaftig der nun in „Tehran“ tatsächlich ist, sei trotz
exil-iranischer Berater*innen am Set mal dahingestellt. Gedreht wurde die
Serie jedenfalls komplett in Griechenland – und auch Zonder betont, er habe
nicht die geringsten dokumentarischen Ansprüche gehabt.
Es ist nicht so, dass die Serie die bittere, aus den Nachrichten bekannte
Seite des Iran ausblenden würde. Bereits in der Auftaktfolge muss Tamar
[2][eine öffentliche Hinrichtung] mit ansehen, später kommt es zu
Ausschreitungen bei einer studentischen Demonstration. Auch die
Lebensgefahr, die einem Israeli dort drohen würde, ist in „Tehran“
omnipräsent.
Man sieht aber auch einen vermeintlich normalen Großstadtalltag: illegale
Partys, schwule Küsse, sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz. Und Kamali,
der seiner Gegenspielerin stets dicht auf den Fersen ist, muss regelmäßig
mit seiner Ehefrau telefonieren, die in Paris auf eine lebensrettende
Operation wartet.
„Ich bin da vorgegangen wie schon beim Antagonisten in ‚Fauda‘“, erklä…
Zonder mit Blick auf sein Bemühen, die übliche Schwarzweißmalerei zu
umgehen und durch Menschlichkeit und Nachvollziehbarkeit zu ersetzen.
„Solche Typen werden in Israel gemeinhin nicht als menschliche Wesen
gezeigt, sondern es geht nur um die Frage: Töten wir ihn oder nicht? Dabei
weiß ich nicht zuletzt durch meine Arbeit als investigativer Journalist im
Hamas-Milieu, dass natürlich auch Männer wie diese liebende Familienväter
sein können. Deswegen wäre es mir zu simpel, meine Figuren in Gut und Böse
einzuteilen. Menschen sind nun einmal komplexer.“
## Spannend, aber unglaubwürdig
Teil dieser Komplexität ist auch die Familiengeschichte der Protagonistin:
Tamar wurde selbst im Iran geboren. Erst 15 Jahre nach der Islamischen
Revolution sind ihre jüdischen Eltern nach Israel geflohen. Eine zum Islam
konvertierte Tante lebt noch in Teheran.
Die Serie ist also auch eine Geschichte über das Wiederentdecken von
Wurzeln und kulturellen Zugehörigkeiten. Dies ist eigentlich der
spannendste Aspekt – und kommt dann doch zu kurz. Für tiefergehende
Identitätsfindungen in politisch brisanten Kontexten bleibt keine Zeit,
wenn nebenbei ständig jemand auf der Flucht ist, Überwachungskameras
gehackt, Geiseln genommen und Betrüger enttarnt werden müssen und der
Mossad mit internen Intrigen ringt.
In erster Linie ist „Tehran“ eben doch [3][eine flotte
Geheimagentenkolportage]. Zonder sowie Regisseur Daniel Syrkin ziehen die
Spannungsschrauben immer wieder an, auch über die Glaubwürdigkeitsgrenzen
hinaus.
8 Oct 2020
## LINKS
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## AUTOREN
Patrick Heidmann
## TAGS
Serie
Schwerpunkt Iran
Israel
TV-Serien
Geheimdienst
Israel
Homeland
Palästina
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