# taz.de -- Neue Netflix-Serie „Maniac“: Auf Pillen im Elfenwald | |
> Die Starbesetzung um Emma Stone sowie der „True Detective“-Regisseur Cary | |
> Fukunaga machen Lust auf „Maniac“. Doch die Netflix-Serie ist zu wirr. | |
Bild: Zwei „Dumme“, ein Gedanke ist in „Maniac“ wörtlich zu nehmen | |
„Wir wissen beide nicht, wer wir wirklich sind!“ Diese Worte wispert ein | |
Isländer namens „Snorri“ einer mindestens beim FBI, CIA, NSA oder noch | |
geheimer ausgebildeten blonden Agentin zu, die sich mit ihm schießend und | |
prügelnd einen Weg aus einem Regierungsgebäude bahnt. Falls das Ganze nicht | |
nur in seiner Fantasie stattfindet. Oder in ihrer: Bei „Maniac“ | |
verschmelzen die Gedanken zweier ProbandInnen während einer experimentellen | |
Tablettenstudie, bei der lang unterdrückte Traumata im Schlaf freigelegt, | |
benannt und gelöst werden sollen. Alles mithilfe von Pillen. | |
„Maniac“ könnte man also durchaus als eine Art Therapievorschlag | |
betrachten: Der „Snorri“-Charakter stammt aus einem Teil des Gehirns von | |
Owen (Jonah Hill), eines diagnostiziert schizophrenen, depressiven Mannes, | |
der kurz davor steht, in einem Strafprozess als Zeuge zugunsten seines | |
Bruders auszusagen – und von seiner Familie von jeher verlacht wird. Die | |
Agentin heißt im richtigen Leben Annie [1][(Emma Stone)] und ihr Trauma | |
wurde durch den tödlichen Unfall ihrer Schwester ausgelöst. | |
Regisseur Cary Fukunaga, der „Maniac“ ideell vom norwegischen | |
Serienoriginal gleichen Namens adaptierte, gibt sich am Anfang viel Mühe, | |
die Charaktere anständig einzuführen: So sieht man Außenseiter Owen | |
missmutig den väterlichen Geburtstag inklusive Chorgesang ertragen und | |
erlebt seine Avancen gegenüber einer Schwägerin. Annie dagegen trifft ihren | |
Vater, der in einem futuristischen, luftdicht abgeschlossenen | |
Kühlschrankbett in seinem Garten zu leben scheint, ansonsten vegetiert sie | |
in einer heruntergekommenen WG auf dem Sofa und knallt sich mit Tabletten | |
zu. | |
## Zwischen Coney Island und der 20er-Jahre-Party | |
Die Motivation, die beide in die Arme der Wissenschaftlerriege treibt, ist | |
also sehr unterschiedlich – sie will die Droge, er eine stabilere Psyche. | |
Aufgrund des von einem Computerbug ausgelösten Gleichklangs beider | |
Gehirnströme sehen sich die beiden andauernd in verschiedenen | |
Traum-Settings wieder – mal in den 80ern als Pärchen auf Coney Island, mal | |
in einem „Herr der Ringe“-Elfenwald, mal auf einer burlesken | |
20er-Jahre-Party. | |
Doch Fukunaga, dessen Inszenierungen von [2][„True Detective“ viel gelobt | |
wurde] und der mit „Beasts of no Nation“ seine politische und mit „Jane | |
Eyre“ auch eine romantische Seite beeindruckend ausspielte, entgleiten nach | |
einem pittoresken, an frühe Lynch-Filme erinnernden Beginn komplett die | |
Zügel des seriellen Psycho-Experiments: Es scheint, als übernehme der Nerd | |
in ihm und vermische statt einer zwingenden Geschichte nur noch Zitate aus | |
anderen Serien, Gags und Knallchargentum – in einem niedlichen, | |
retrofuturistischen Setting. „Als Kind der 60er bin ich mit ,Star Trek' | |
aufgewachsen“, sagt Fukunaga im Interview. „Ich wollte für die Technik in | |
der Serie darum eine Logik, die ich verstehen kann, nichts wirklich | |
Digitales, sondern große Computerscreens mit dicken Knöpfen und | |
Transistoren.“ | |
Immer höher türmt Fukunaga gemeinsam mit den DrehbuchautorInnen Patrick | |
Somerville und Amelia Gray dabei die surrealen Settings, immer | |
unverständlicher werden die Plots, immer lächerlicher die Side-Gags. Wie | |
egal die Dramaturgie irgendwann geworden ist, zeigt Fukunagas Aussage, die | |
vorletzte, neunte Episode kurzerhand mit der fünften getauscht zu haben. | |
Keiner hat’s gemerkt – weil es wurscht ist, wann in der Geschichte Annie | |
als spitzohrige Ranger-Elfe durch den Wald schlurft, wann Owen als Isländer | |
Snorri aus Versehen einen Außerirdischen kaltmacht oder wann bei einer | |
Mordszene à la Tarrantino literweise Blut an die Wände spritzt. | |
An Einfällen, so bestätigt der Regisseur, hat es nicht gemangelt: „Über 70 | |
Ideen waren gesammelt – dabei ist gleich, in welcher Welt was spielt, ich | |
kann dieselbe Story als Western oder im 16. Jahrhundert erzählen“. Dass | |
Motivationen und Ziele bei „Maniac“ durch diese Konzentration auf | |
Äußerlichkeiten jedoch schneller verloren gehen, als man „schade“ sagen | |
kann, ist ebendies: schade. | |
21 Sep 2018 | |
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## AUTOREN | |
Jenni Zylka | |
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