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# taz.de -- Kolumne Die Couchreporter: Schon wieder großes Kino
> Verkorkste Alkoholiker im Mittleren Westen der USA, ein Mord, der erst
> der Anfang ist, und eine überragende Amy Adams: Das ist die Serie „Sharp
> Objects“.
Bild: Auf dem Zenit ihrer Kino-Karriere ins Serien-Buisiness gewechselt: Amy Ad…
Das Flyover Country, das danach harrt, dass Amerika wieder groß gemacht
wird, ist in den vergangenen Jahren als Schauplatz für (Filme und) Serien
schon recht groß rausgekommen. Trumps Wahl zum Präsidenten hat den Grusel
und die Exotik dieses Settings noch gesteigert. Man gucke nur einmal in die
Vorspänne von „Justified“, „True Blood“, „True Detective“ – Ruin…
und Shabby Chic.
Oder jetzt hier, bei „Sharp Objects“: Dass es das 21. Jahrhundert ist,
zeigt nur – man muss schnell und genau hinsehen, um es nicht zu übersehen –
das ikonische Obama-Porträt an dem Regal. Links davon ein
Gloria-Steinem-Poster: „We are the women our parents warned us against and
we are proud.“
In Camille Preakers altem Kinderzimmer hängt hingegen immer noch Eleanor
Roosevelt an der Wand. Zwischen beiden Bildern eine Autofahrt im alten
Volvo, der so dreckig ist, dass da einer „DIRT“ in den Schmutz auf dem
Kofferraumdeckel gemalt hat, möglicherweise Camille selbst.
„Dirt“ – so heißt auch die zweite von acht Folgen „Sharp Objects“ (n…
gleichnamigen ersten Roman der „Gone Girl“-Autorin Gillian Flynn). Mit
scharfen Objekten, Nähnadeln zum Beispiel, hat Camille „FUCK U“ und andere
Dinge in ihren Körper geschnitten. Bevor es losgeht verdünnt sie das Wasser
in der Plastikflasche mit einem absolut großzügigen Schuss schwedischen
Wodkas. Aus dem Autoradio tönt Robert Plant („I'm looking for a woman / But
the girl don't come / So don't let her / Play you for a fool / She don't
show no pity, baby / She don't make no rules“), die Fahrt führt vorbei an
der Gateway Arch – es geht raus aus St. Louis, Missouri.
## Schon mal da gewesen – Na und?
Unter den Hillbillies von Missouri spielte vor einem Jahr die Netflix-Serie
„Ozark“. Der kanadische Regisseur Jean-Marc Vallée („Dallas Buyers Club�…
war hingegen zuletzt für seine am pazifischen, scheinbar kultivierten Big
Sur angesiedelte „Desperate Housewifes“-Variante „Big Little Lies“ sehr
gelobt worden. Für deren Hauptdarstellerinnen Nicole Kidman und Reese
Witherspoon waren das fast schon Comeback-Rollen.
Amy Adams, Protagonistin in „Sharp Objects“ hat das nicht nötig – nach
„American Hustle“ und „Arrival“ steigt sie auf dem Zenit ihrer Karriere…
Seriengeschäft ein. Und wie sie einsteigt. „Sharp Objects“ ist, Vorsicht
Superlativ, die beste Serie seit „Patrick Melrose“. Ok, das lief ja gerade
erst. Aber es sind schon wirklich die beiden herausragenden Serien des
Jahres – bislang.
Und die Ähnlichkeiten verblüffen: Beide Male gibt in einer degenerierten
Umwelt (in einem bemerkenswert handlungsarmen Plot) ein Schauspielstar
einen arg gebeutelten Alkoholiker, Selbsteinweisung jeweils inklusive, der
seine Verkorkstheit auf ein (per Flashbacks eingeführtes) Kindheitstrauma
zurückführt, das von einer egozentrischen Mutterfigur nur verstärkt wurde.
Dort der englische Hochadel, Benedict Cumberbatch und Jennifer Jason-Leigh
– hier der amerikanische Mittlere Westen, Amy Adams und Patricia Clarkson,
die als dominante Grand Dame über eine überdimensionierte Puppenstube
herrscht, in der sie das Zimmer von Camilles im Kindesalter verstorbener
Schwester unangetastet gelassen hat und die 13-jährige Halbschwester
ausstaffiert – wie eine Puppe (mehr Albert Marque als Käthe Kruse).
Camille wäre nicht zurückgekehrt – nicht in diesem Leben – aber ihr Chef
(Miguel Sandoval) hat ihr keine Wahl gelassen. Sie ist Journalistin und
ausgerechnet in ihrem kleinen Heimatort Wind Gap wurde eine Teenagerin
ermordet, eine zweite wird vermisst. Wie es da ist, hatte der Chef noch von
Camille wissen wollen: „You got your old money and your trash.“ „Which one
are you?“ „Trash. From old money.“
18 Jul 2018
## AUTOREN
Jens Müller
## TAGS
Miniserie
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