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# taz.de -- Kolumne Couchreporter: Die Briten und ihre Obsession
> Filmadaptionen von Shakespeares Klassiker „König Lear“ gibt's viele. Die
> BBC und Amazon haben nun noch eine gemacht – in einer totalitären
> (Parallel-)Welt .
Bild: Anthony Hopkins als King Lear
Die Angelsachsen und ihre Shakespeare-Obsession…
Okay, selbst in Berlin ist die große Lars-Eidinger-als-„Richard III.“-Show
an der Schaubühne immer lange vorher ausverkauft. Den „Hamlet“ hat er
natürlich auch schon gegeben. Überhaupt der „Hamlet“. Die Rolle scheint da
auf der Insel für einen jeden ernst zu nehmenden – oder ernst genommen
werden wollenden – Mimen quasi obligatorisch zu sein.
Man muss sich nur einmal die Besetzungsliste der neusten „King
Lear“-Verfilmung durch die BBC und Amazon (interessante Kooperation)
jenseits der Großschauspieler Anthony Hopkins (von dem der Guardian
geschrieben hat, er sei „in Lears Haut zuhause“) und Emma Thompson
angucken.
Es ist natürlich nicht die erste „King Lear“-Verfilmung – aber
wahrscheinlich wurmt es die sich selbst genügenden Brexit-Briten ganz
furchtbar, dass die weltberühmteste aller „King-Lear“-Adaptionen
ausgerechnet ein Japaner besorgt hat. Dass dieser gewisse Kurosawa es mit
seinem anerkannten Meisterwerk „Ran“ (1985) auch noch gewagt hat, die
Handlung nach Japan zu verlegen! Solche Verschickungen der historischen
Shakespeare-Stoffe durch Zeit und Raum …, aber dazu später.
## Alle waren mal Hamlet
Zunächst zu den „Hamlets“ in „King Lear“: Andrew Scott, dem Fernsehpub…
bekannt als „Sherlock“-Gegenspieler Moriarty, hat seinen „Hamlet“ gerade
erst 2017 hinter sich gebracht, im Almeida Theatre, London; Christopher
Eccleston, seines Zeichens neunter „Doctor Who“, hat ihn bereits 2002 am
West Yorkshire Playhouse, Leeds, gespielt; Tobias Menzies – „Game of
Thrones“, „Outlander“ – war 2005 der „Hamlet“ am Royal Theatre,
Northampton.
Die Zahl der Film-Adaptionen von Shakespeare-Stücken ist Legion, man wüsste
gar nicht, wo man anfangen sollte. Man stelle sich das nur mal in
Deutschland vor: Gewiss, es gibt auch eine stattliche Zahl an
Goethe-Verfilmungen. Aber wenn man das vergleicht, nicht nur mengenmäßig,
zuletzt etwa die „Götz von Berlichingen“-Variante aus dem Hause RTL (2014):
Henning Baum hat ihm ziemlich genau soviel an ironisch-lässiger Distanz
verpasst wie seinem „Letzten Bullen“. Nicht unsympathisch war das – aber
eben auch das genaue Gegenteil der englischen Schule.
Die hat sich also beim Regietheater abgeguckt, die alten Geschichten in
eine modernere, vorzugsweise totalitär regierte (Parallel-)Welt zu
verlagern (in „King Lear“ gibt es Mixed Martial Arts, fahren Panzer auf,
fliegen Hubschrauber und Jets am Himmel – nur keine Learjets). Kürzungen
auf spielfilmübliche Längen sind erlaubt (im Falle von „King Lear“ auf
konsumentenfreundliche 115 Minuten).
Aber die Schauspieler, die in in „King Lear“ gerne in Camouflage-Uniformen
gewandet sind – der achtzigjährige Hopkins am Ende in eine Art farblich
darauf abgestimmten, also olivgrünen Schlafanzug: Wie sie maximal
theatralisch und gänzlich ironiefrei die über 400 Jahre alten Verse
originalgetreu rezitieren! Was mögen sie sich nur dabei denken? Und: Was
wollen sie und Regisseur Richard Eyre ihren Landsleuten und uns damit
sagen, wenn nun also in einer Zeit, die äußerlich unserer Gegenwart
entspricht, eine französische Invasion vom Kontinent über Britannien kommt?
Oder wollen sie weiter gar nichts sagen, weil es einfach nur darum geht:
die Angelsachsen und ihre Shakespeare-Obsession?
„King Lear“ ist bei Amazon Prime zu sehen.
22 Oct 2018
## AUTOREN
Jens Müller
## TAGS
Die Couchreporter
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