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# taz.de -- Kolumne Die Couchreporter: Mord, Totschlag und Haute Couture
> Die zweite Staffel von „American Crime Story“ dreht sich um den Mord am
> Modedesigner Gianni Versace. Nicht faktentreu, aber gesellschaftlich
> relevant.
Bild: Donatella Versace (Penélope Cruz) spielt in der Serie leider nur eine Ne…
„Dieses Unternehmen war sein Leben“, sagt Donatella Versace, gespielt von
einer platinblonden Penélope Cruz mit glasigen Augen. In der ersten Folge
von „Der Mord an Gianni Versace“ sitzt sie, frisch aus Mailand eingeflogen,
in einem dunklen Arbeitszimmer in der Villa Versace in Miami. „Und solange
Versace weiterlebt, wird auch mein Bruder am Leben bleiben. Ich werde
diesem Mann, diesem Nobody, nicht erlauben meinen Bruder zweimal zu töten.“
Zugegeben, im Verlauf der Staffel verkommt die Schwester des ermordeten
Modedesigners eher zur Nebenfigur. Leider. Denn Penelope Cruz’ Darbietung
ist umwerfend, ihre ganze Haltung, ihre Mimik, ihre Sprache verkommen nie
zur billigen Imitation einer Donatella, Cruz findet Wege, die Modeikone
auf ganz eigene Weise zu interpretieren. Die beiden kennen sich immerhin.
So soll Donatella Versace, die nach der Ermordung ihres Bruders 1997 die
Leitung des Modelabels übernahm, ihre Dankbarkeit ausgedrückt haben, dass
Cruz in ihre Rolle schlüpft.
Dem Rest der Serie wollte die Designerin dennoch nicht ihren Segen geben.
Mag daran liegen, dass „Der Mord an Gianni Versace“ auf einem äußerst
spekulativen Buch der Vanity-Fair-Journalistin Maureen Orths beruht, die
beispielsweise behauptet, Versace sei HIV-positiv gewesen – was nie belegt
wurde und von der Familie bis heute abgestritten wird. Zum Start der Serie
veröffentlichte Familie Versace dann erneut eine Pressemitteilung, in der
sie die komplette Handlung als fiktionale Arbeit bewertet und sich klar von
allen Details der Erzählung distanziert.
Genau genommen ist „Der Mord an Gianni Versace“ keine Serie, sondern Teil
einer Serie. Es ist der Titel der zweiten Staffel von „American Crime
Story“, einer True-Crime-Anthologie im Serienformat, die sich in jeder
Staffel einem anderen US-amerikanischen Kriminalfall mit popkultureller
Dimension widmet. So handelte die erste Staffel vom [1][legendären
Mordprozess gegen Football-Spieler O. J. Simpson]. Die Serie ist nicht
dokumentarisch angelegt. Sie verwendet zwar einen realen Kontext, dichtet
jedoch Handlungsstränge und Details im Sinne der Dramatisierung hinzu, wie
auch andere Zeitzeugen in der US-Presse mehrmals betonten.
Dem Unterhaltungswert der Serie tut dies keinen Abbruch. Im Gegenteil:
Statt faktentreuer journalistischer Rekonstruktion, bekommen wir stilvoll
arrangierte Bilder, die sich zu einer tragischen Erzählung von Ruhm,
Eleganz und Reichtum verdichten. Neben dem Setting aus [2][Fashion-Catwalks
und dekadenten Strandvillen], sorgt auch die Besetzung der Serie für
Glamour (Gianni Versace wird von Edgar Ramirez verkörpert; seinen
Lebensgefährten Antonio D’Amico spielt Ricky Martin).
## Politisches Zeitporträt
Nach einer epischen Anfangsszene, die, gerahmt von Streicherensembles und
weißen Tauben, die Ermordung des Modeschöpfers am helllichten Tag an der
eigenen Hausschwelle nachstellt, folgt die Handlung in den späteren acht
Episoden wider Erwarten vielmehr dem Werdegang des Serienmörders Andrew
Cunanan.
Dieser ist ein notorischer Lügner, eine Art schwuler Heiratsschwindler, der
mit alten Männern schläft, um sie um Geld zu erpressen oder sie direkt zu
berauben und kaltblütig umzubringen. Dieser Handlungsrahmen verrät viel
über die Stigmatisierung Homosexueller in den 90er Jahren, die durch den
vorwiegend geheimen Charakter ihrer Beziehungen immer auch besonderen
Gefahren ausgeliefert sind. So erzählt die Serie auch davon, wie ein
schwules Mordopfer damals nur dann polizeiliche Ermittlungen nach sich
zieht, wenn das Opfer reich ist und den Nachnamen Versace trägt.
Diese Stärke, aus einer fiktionalisierten Crimestory ein umfassendes
Zeitporträt zu erschaffen, bewies diese Serien-Anthologie bereits in der
ersten Staffel. Dort ging es um die Rolle, die Identitätspolitik beim
Freispruch von O. J. Simpson spielte. Die nächsten beiden Staffeln sollen
sich um Monica Lewinsky und die Opfer von Hurricane „Katrina“ drehen.
10 Jul 2018
## LINKS
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## AUTOREN
Fatma Aydemir
## TAGS
Die Couchreporter
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Krimi
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