# taz.de -- Kolumne Die Couchreporter: Esskultur ist rassistisch | |
> In der Netflix-Doku-Serie „Ugly Delicious“ geht es um die hässliche Seite | |
> von Pizza, Tacos, Dumplings und Fried Rice. Sollte man nicht hungrig | |
> gucken. | |
Bild: Bei „Ugly delicious“ geht es nicht um French Cuisine, sondern um soge… | |
Schauen Sie sich diese Sendung nicht hungrig an. Ein Satz, der für | |
eigentlich jede Rezension einer Kochshow oder Food-Doku als Einstieg taugt. | |
Denn zu sehen, wie Essen zubereitet und verspeist wird, weckt Gelüste. So | |
auch die neue Doku-Serie „Ugly Delicious“, produziert von Netflix. | |
Hier geht es nicht um hohe french cuisine, sondern um sogenanntes | |
Comfort-Food: Pizza, Tacos, Dumplings oder Fried Rice. Oder, wie der | |
US-amerikanische Koch David Chang (Besitzer der Restaurantkette „Momofuku“, | |
Magazinherausgeber, TV-Moderator und Michelin-Preisträger) es sagen würde | |
„ugly delicious food“. | |
Pro Folge widmet Chang sich jeweils einem Gericht. Er zeigt auf, wie es in | |
unterschiedlichen Regionen zubereitet wird und welche Geschichte dahinter | |
steckt. | |
Auf der Suche nach der besten Pizza der Welt führt es Chang und den | |
Restaurantkritiker Peter Meehan in der ersten Episode nach New York, New | |
Haven und Neapel – und auf eine Liefertour mit dem Pizzaservice Domino’s. | |
Restaurantbesuche und Interviews mit den Köch*innen werden unterbrochen von | |
Fake-Werbungen, Animationen oder Parodien von japanischen | |
TV-Comedy-Sendungen. | |
## Rassismus als Bestandteil der Essenskultur | |
Mit dem Comedian und Schauspieler Aziz Ansari reist Chang schließlich nach | |
Japan, um neue Pizzakreationen mit Fisch und Mayonnaise zu probieren. Wer | |
beim Zuschauen nicht selbst gerade eine neapolitanische Pizza mit | |
Büffelmozarella verspeist, quält sich nur unnötig selbst. | |
Doch es sind weder die Star-Besuche noch ist es das appetitliche Essen, das | |
diese Serie so besonders macht. Vielmehr ist es die Offenheit, mit der | |
Rassismus als wesentlicher Bestandteil der Essenskultur diskutiert wird. | |
Dürfen Weiße Fried Chicken essen, ohne die Geschichte hinter dem Gericht zu | |
kennen? Dürfen sie es zubereiten und verkaufen? Fragen, die Chang mit | |
anderen Köch*innen und Essensliebhaber*innen diskutiert. Es geht um das | |
rassistische Stereotyp, das frittierte Hühnchen stets mit | |
afroamerikanischen Menschen in Verbindung bringt. | |
Und so gelingt es der Doku, an einem Fast-Food-Gericht entlang einen | |
Kommentar zu den Themen Stereotype, kulturelle Aneignung und amerikanische | |
Geschichte der Sklaverei abzugeben. In einer weiteren Episode geht es um | |
Fried Rice – und um die Diskriminierung, der chinesische Migrant*innen in | |
den USA seit Jahrzehnten ausgesetzt sind. | |
## Wenig diverse Sendung | |
Die geschichtlichen Einordnungen und Diskussionen kommen dabei ohne | |
erhobenen Zeigefinger aus. Gut so! Den dürfte Chang sich auch nicht | |
erlauben – denn um Diversity ist es in seiner eigenen Sendung nicht | |
besonders gut bestellt. Abgesehen von der Folge um Fried Chicken sind | |
afroamerikanische Menschen unterrepräsentiert, auch Frauen nehmen nur einen | |
Bruchteil der Sprechrollen ein. | |
Dass in den gehobenen Küchen vor allem Männer hinterm Herd stehen, wird in | |
„Ugly Delicious“ nicht problematisiert. Auch Probleme wie etwa | |
Massentierhaltung werden komplett ignoriert. | |
Wer sich daran nicht stört, Lust auf Heißhunger hat und etwas über die | |
soziologischen und historischen Komponenten von Essen lernen möchte – guten | |
Appetit. | |
8 May 2018 | |
## AUTOREN | |
Carolina Schwarz | |
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