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# taz.de -- Mark Zuckerberg schafft Faktenchecks ab: Der reichste Bierpong-MC d…
> Er wolle zu den Wurzeln zurückkehren, begründet der Meta-Chef den
> scharfen Rechtsdreh auf seinen Plattformen. Warum das nicht einmal
> gelogen ist.
Bild: Ansage in Abiturienten-Gangsta-Optik: Meta-Chef Mark Zuckerberg
Goldkettchen und Schlabbershirt, die Haare nicht mehr so kreuzbrav
angelegt, ein bisschen Abiturienten-Gangsta-Optik. Die
900.000-Dollar-Armbanduhr war vielleicht etwas dick aufgetragen, [1][als
Meta-Chef Mark Zuckerberg verkündete], dass er, dem gesellschaftlichen
Trend folgend, die professionelle Moderation der schlimmsten Hassrede auf
seinen Plattformen Facebook, Instagram und Threads komplett einzustellen
plane.
Menschenwürde und sonstige Unversehrtheit marginalisierter Personen wird
damit im Wesentlichen einem Mob-Voting ausgesetzt. Was soll schon
schiefgehen? Zuckerberg versteckt sich ein bisschen hinter dem im
angloamerikanischen Raum verbreiteten Free-Speech-Fundamentalismus, also
der Verteidigung des Rechts auf jegliche freie Rede, völlig gleich, welchen
Inhalts sie ist.
Die Kritik an dieser Haltung ist, dass mindestens der Aufruf zu Straftaten,
aber auch besonders üble menschenfeindliche Anwürfe aus Jugend- und
sonstigen Schutzgründen eingehegt werden sollten, um einen noch irgendwie
zivilen Diskurs zu ermöglichen. Was die Kriterien für die Definition roter
Linien sind, wäre transparent zu machen. Überzogene Zensur und Willkür
müssten mit Rechtsmitteln anfechtbar sein. So weit, so gut und Zuckerberg
egal.
Denn genauso kriecherisch, wie er bei Anhörungen im US-Kongress in den
vergangenen Jahren mit seinem artigen „Yes, Sir“ und „No, Sir“ auftrat,
hängt er sein Fähnchen auch jetzt nach dem politischen Wind. Der weht in
den USA nur in Sachen Pornografie zuverlässig immer aus derselben Richtung
(„VERBOTEN!!!“). Rassismus, Misogynie und Transfeindlichkeit sind jetzt
eben „Mainstream“, also erlaubt, wenn nicht gar erwünscht. Das dazu
passende Wahlergebnis wurde ja erst in dieser Woche vom Kongress
zertifiziert.
Zurück zu den Wurzeln, „back to the roots“, nennt Zuckerberg [2][diesen
scharfen Rechtsdreh] – und das ist nicht einmal vollständig gelogen.
Startete der Facebook-Vorläufer Facemash doch als Uniportal, auf dem die
Harvard-Verbindungs-Bros die körperliche Erscheinung ihrer Kommilitoninnen
bewerten konnten. Back to the roots? Zuckerberg ist mit gestandenen 40
Jahren einfach nur der reichste Bierpong-MC der Welt geworden. Dass seine
Gäste vor aller Augen Homos, Ausländer und Brillenschlangen verprügeln, ist
ihm egal, solange der Rubel rollt. Nebenbei: Seine jämmerliche Verkleidung
im Kleinkriminellenlook darf nicht darüber hinwegtäuschen, wie unerhört es
ist, dass Zuckerberg nicht spätestens seit dem auf seiner Plattform
geplanten und geförderten Genozid an den [3][Rohingya in Myanmar] per
internationalem Haftbefehl gesucht wird.
## Ob es zu spät ist, entscheidet nicht Zuckerberg
Ach, Großkapitalismus und Faschismus vertragen sich einfach zu gut: Der
eine funkt dem andern nicht dazwischen. Plattformherrscher wie Mark
Zuckerberg sind dabei nur die deutlich sichtbare Spitze des Eisbergs. Denn
die gesamte Kapitalfraktion, nicht nur ein paar größenwahnsinnige
Techmilliardäre, kehrt weltweit zu ihren Wurzeln zurück. Erinnert sich noch
jemand an das Drama um die letzten Berufungen an den Supreme Court der
USA?
Da ging es selbstverständlich auch um Abtreibungen, Redefreiheit und
Minderheitenrechte – aber noch um einiges mehr. Im Gefühl völliger
Unantastbarkeit und einer seit Jahrzehnten voranschreitenden Schwächung
zivilgesellschaftlichen, gewerkschaftlichen und politischen Widerstands
werden nicht nur ohnehin marginalisierte Menschen zu Freiwild erklärt.
Nein, gleichzeitig werden auch die Rechte abhängig Beschäftigter beseitigt,
Umweltschutzauflagen in die Tonne getreten, Kartellbehörden entmachtet.
Aus derselben großen Koalition der Niedertracht, aus der heraus Frauen das
Recht auf körperliche Selbstbestimmung abgesprochen wird, aus der heraus
LGBTQI als „mental gestört“ bezeichnet werden, aus der heraus abgeschoben
und ermordet wird, wer sich nicht ins autoritäre Normal einfügen kann oder
will – aus genau dieser Ecke werden Krankenhäuser privatisiert und
geschlossen, wird der Mindestlohn unterlaufen, werden Urwälder abgeholzt,
werden unter großen Opfern erkämpfte Errungenschaften wie die
Lohnfortzahlung im Krankheitsfall zur Disposition gestellt. Abermilliarden
werden dort in Rüstung, Überwachungstechnologien und Aufstandsbekämpfung
investiert. Man wird schon wissen, warum.
Mark Zuckerberg, dieser autoritäre Charakter, ist in all seiner
Peinlichkeit einfach der ideale Vertreter einer Oligarchie, die auch in
Deutschland immer unverschämter auftritt. Sie randaliert gegen das bisschen
sozialen Ausgleich, den die westliche Welt sich noch leistet – weil sie in
einer brutal darwinistisch aufgestellten Gesellschaft noch mehr Profite
machen kann. Die Zerstörung des demokratischen Diskurses ist dabei kein
Nebenschauplatz, sondern wesentlicher Teil des Programms zur Verhinderung
jeglicher Organisation von Widerstand und gelebter solidarischer
Übereinkunft. Die sadistische Erniedrigung der Schwächsten ist dabei das
Unterhaltungsprogramm für ein zunehmend verrohtes Publikum.
Die Frage, ob es okay ist, die zentralisierten digitalen Plattformen zu
benutzen, ist längst beantwortet: Nein. Von viel größerer Bedeutung ist
jetzt die Einigung darüber, was stattdessen getan werden kann, um der dort
absichtlich verschärften Vereinzelung und Spaltung noch entgegenzutreten.
Zuckerbergs 900.000-Dollar-Uhr sagt ihm genau, wie spät es ist. Ob es
wirklich zu spät ist, das aber entscheidet nicht er.
10 Jan 2025
## LINKS
[1] /Ende-der-Faktenchecks-bei-Meta-Diensten/!6057296
[2] https://theintercept.com/2025/01/09/facebook-instagram-meta-hate-speech-con…
[3] /Wegen-Verbreitung-von-ethnischem-Hass/!5809680
## AUTOREN
Daniél Kretschmar
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