# taz.de -- Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt: Vieles deutet auf radikal… | |
> Die Zahl der Todesopfer in Magdeburg steigt auf mindestens fünf. | |
> Innenministerin Faeser kündigt Aufklärung an. Es gibt Hinweise auf ein | |
> rechtes Tatmotiv. | |
Bild: Bundeskanzler Olaf Scholz und Ministerpräsident Reiner Haseloff verschaf… | |
Berlin/magdeburg taz | Deutsche und internationale Politiker*innen | |
haben bestürzt auf den mutmaßlichen Anschlag auf den Magdeburger | |
Weihnachtsmarkt reagiert. Die Zahl der Toten stieg am Samstagvormittag auf | |
fünf, über 200 teils schwer Verletzte werden weiter behandelt. Gleichzeitig | |
werden immer mehr Details über den mutmaßlichen Täter bekannt, der ein Auto | |
gezielt in die Menschenmenge in der Magdeburger Innenstadt gelenkt hatte. | |
Am Samstagvormittag traf Kanzler Scholz in Magdeburg ein. Gemeinsam mit dem | |
Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt Reiner Haseloff und | |
Bundesinnenministerin Nancy Faeser beging er den Tatort auf dem | |
Weihnachtsmarkt und trat vor die Presse. Er bezeichnete den Anschlag als | |
„furchtbare, wahnsinnige Tat“. Es gebe keinen friedlicheren und | |
fröhlicheren Ort als einen Weihnachtsmarkt, sagte Scholz. „Was für eine | |
furchtbare Tat ist das, dort mit solcher Brutalität so viele Menschen zu | |
verletzen und zu töten.“ | |
Noch am Freitagabend kündigte Innenministerin Faeser an, dass die | |
Sicherheitsbehörden die Hintergründe der Tat aufklären würden. | |
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff sprach von einer | |
„Katastrophe für die Stadt Magdeburg und für das Land und auch generell für | |
Deutschland.“ | |
Aus dem Ausland kamen am Freitagabend und Samstagmorgen | |
Solidaritätsbekundungen. „Die Vereinigten Staaten sind schockiert und | |
traurig über die tragischen Nachrichten aus Magdeburg“, sagte der Sprecher | |
des US-Außenministeriums, Matthew Miller, am Freitag. Der französische | |
Präsident Emmanuel Macron schrieb auf X, er sei angesichts des „Horrors, | |
der an diesem Abend den Weihnachtsmarkt in Magdeburg“ getroffen habe, | |
„zutiefst schockiert“. | |
Die Ermittlungen der Polizei dauern derweil an, am Samstagmorgen wurden | |
mehrere Objekte bei Magdeburg durchsucht. Gleichzeitig wird der mutmaßliche | |
Täter verhört, den die Polizei unmittelbar nach der Tat festnahm. Laut den | |
Behörden handelt es sich um den 50-jährigen Taleb A., der eine | |
saudi-arabische Staatsbürgerschaft hat und bereits seit 2006 in Deutschland | |
lebt. Er soll zuletzt als Psychiater bei einem Unternehmen in Bernburg, | |
etwa 50 Kilometer von Magdeburg entfernt, gearbeitet haben. | |
In den sozialen Medien machen Screenshots die Runde, die belegen sollen, | |
dass eine Person bereits im September 2023 deutsche Behörden vor einem | |
Anschlag des mutmaßlichen Attentäters gewarnt haben soll. Das ließ sich für | |
die taz bislang nicht überprüfen. Der islamkritische Publizist Hamed | |
Abdel-Samad schrieb am Samstag auf X einen Beitrag aus dem hervorgeht, der | |
Attentäter könnte ihm gegenüber die Tat im November angekündigt haben. | |
Saudi-Arabien soll die deutschen Behörden vor dem Angreifer gewarnt haben, | |
nachdem dieser auf seinem persönlichen X-Account extremistische Ansichten | |
gepostet habe, die „den Frieden und die Sicherheit bedrohten“. | |
## Rechte Posts und Äußerungen gegen den Islam | |
Sein Motiv ist derzeit noch unklar. Auf einen islamistischen Tathintergrund | |
– wie zunächst vielfach vermutet – deutet derzeit wenig hin. Der | |
mutmaßliche Täter scheint dem Islam ganz im Gegenteil feindlich | |
gegenüberzustehen. Darauf weisen auch Äußerungen hin, [1][die A. 2019 in | |
einem Interview mit der FAZ] getätigt hatte, in dem es um seine Hilfe für | |
Personen ging, die vom saudischen Staat verfolgt werden. Er sprach über die | |
Unterdrückung der Frauen in Saudi-Arabien sowie über die Gründe seines | |
Asylantrags in Deutschland. Nachdem er als Facharzt nach Deutschland kam, | |
beantragte er zehn Jahre später Asyl. Ihm sei mit dem Tod gedroht worden, | |
weil er sich öffentlich gegen den Islam ausgesprochen habe, sagte er der | |
FAZ und erklärte: „Ich bin der aggressivste Kritiker des Islams in der | |
Geschichte.“ | |
Diese Position als Ex-Muslim verbreitete er auch in zahlreichen Beiträgen | |
auf auf X (damals Twitter). Auf seinem Profil lässt sich dabei eine | |
Veränderung beobachten. Seine Kritik an deutschen Behörden, sie würden | |
Ex-Muslime und islamkritische Migranten nicht ausreichend schützen, wurde | |
radikaler. In jüngsten Postings gibt es Anzeichen eines Verfolgungswahns. | |
Im Juni teilte er einen Beitrag der AfD-Chefin Alice Weidel zum Anschlag in | |
Mannheim, bei dem ein Polizist ums Leben kam und kommentierte ihn mit den | |
Worten: „Meiner Erfahrung nach, ist die deutsche Polizei der echte Treiber | |
des Islamismus in Deutschland“ (sic!). Und er erklärte: „Wir brauchen die | |
AFD um die Polizei vor sich zu schützen.“ | |
Mitte August schrieb er in einem Posting auf arabischer Sprache, das er | |
oben an seinem Profil anpinnte und welches sich aus der Plattform | |
automatisch übersetzen lässt: „Das Ziel Deutschlands ist klar geworden, | |
nämlich die Verbreitung des Islam in Europa“. Dazu erklärte er: „Ich | |
versichere Ihnen: Wenn Deutschland Krieg will, werden wir ihn haben. Wenn | |
Deutschland uns töten will, werden wir sie abschlachten, sterben oder | |
voller Stolz ins Gefängnis gehen“. | |
Erst am 15. Dezember veröffentlichte eine rechtsradikale und | |
islamfeindliche US-Plattform ein rund 45-minütiges Interview mit Taleb A. | |
Darin spricht er über eine angeblichen gezielten Agenda Deutschlands, aktiv | |
Islamisten ins Land zu holen und dagegen „echte“ Flüchtlinge zu | |
unterdrücken, die sich vom Islam abgewandt haben und vor der Sharia Schutz | |
suchen.“ | |
Und noch kurz vor der Tat veröffentlichte er auf „X“ vier kurze Videos. | |
Darin kritisiert A. erneut, dass Deutschland Islamkritiker verfolgen würde. | |
Auch wirft er einem „Agenten“ vor, dass sie einen USB-Stick aus seinem | |
Briefkasten gestohlen hätten. Auf diesem will er Hinweise auf angeblich | |
kriminelles Verhalten einer saudi-arabischen Frauenrechtlerin gesammelt | |
haben, die 2015 nach Deutschland floh. Auch diese Videos wirken wirr. | |
Zahlreiche AfD-Politiker*innen hatten indes bereits direkt nach der Tat | |
begonnen, diese für ihre rassistische Agenda auszuschlachten. Der | |
Bundestagsabgeordnete und Chef der Jungen Alternative, Hannes Gnauck, | |
postete Magdeburg als Standort und dazu eine Kachel mit KI-Grafik, auf der | |
steht: „Es reicht! Schiebt sie alle ab!“ Dazu kommentierte er: „Sie müss… | |
weg. Dann hört es auf!“ Viele Abgeordnete und AfD-Politiker teilten | |
unverpixelte Aufnahmen von dem Anschlag. | |
Zuletzt hatten die Sicherheitsbehörden immer wieder vor Anschlägen gewarnt. | |
Innenministerin Faeser hatte Ende November gesagt: „Wir haben angesichts | |
der abstrakt hohen Bedrohungslage weiter Grund zu großer Wachsamkeit und | |
konsequentem Handeln für unsere Sicherheit.“ Im Fokus standen nach den | |
Messerangriffen von Mannheim und Solingen dieses Jahr vor allem befürchtete | |
Attacken durch [2][Islamisten]. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte | |
betont, insbesondere Weihnachtsmärkte als „Inbegriff der westlichen Kultur | |
und Lebensweise“ seien dabei im Visier der Fundamentalisten. | |
Am Donnerstag hatte sich der [3][islamistische Anschlag auf den | |
Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidtplatz] zum achten Mal gejährt. Der | |
Täter war 2016 mit einem Sattelschlepper in die Menschenmenge zwischen den | |
Ständen gerast und tötete dabei zwölf Personen. | |
Dieser Text wurde am 21.12.2024 um 13:50 Uhr aktualisiert. | |
21 Dec 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/anschlag-in-magdeburg-das-f… | |
[2] /Islamismus-und-Demokratie/!6016041 | |
[3] /5-Jahre-Breitscheidplatz-Anschlag/!5820775 | |
## AUTOREN | |
Frederik Eikmanns | |
Jean-Philipp Baeck | |
Gareth Joswig | |
Konrad Litschko | |
David Muschenich | |
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