# taz.de -- Lohnfortzahlung im Krankheitsfall: Eine Frage des Vertrauens | |
> Die Lohnfortzahlung am ersten Krankheitstag streichen? Bei Faulpelzen ist | |
> das sicher angebracht. Aber die meisten Kolleg:innen machen nicht | |
> blau. | |
Bild: Vertrauen ist gut | |
Versetzen wir uns einmal in die Lage von Arbeitgeber:innen, also zum | |
Beispiel in die von Allianz-Chef Oliver Bäte. Der Vorstandsvorsitzende des | |
Versicherungskonzerns würde die [1][Lohnfortzahlung am ersten | |
Krankheitstag] am liebsten abschaffen. Es melden sich einfach zu viele | |
Menschen zu oft krank, argumentiert er, nämlich durchschnittlich 20 Tage im | |
Jahr. In der EU hingegen seien es im Durchschnitt nur 8 Tage. | |
Als Ressortleiter:in ist man zwar nicht direkte Arbeitgeber:in, in | |
jedem Fall aber verantwortlich dafür, dass der Laden läuft. Und als | |
Ressortleiter:in weiß man auch, was es bedeutet, wenn Kolleg:innen | |
sehr häufig krank sind: Die Arbeit wird abgewälzt auf jene, die im Büro, an | |
der Werkbank oder wo auch immer brav am Platze sind. Solange das | |
Vertrauensverhältnis zwischen Chef:in und Kolleg:in stimmt, solange sich | |
Vorgesetzte darauf verlassen können, dass ihre [2][Untergebenen nicht | |
blaumachen], ist das alles kein Problem. Wer krank ist, muss sich | |
auskurieren, Ende der Diskussion. | |
Doch wenn sich Kolleg:innen überaus oft krank melden, sogar öfter als 20 | |
Tage im Jahr und gern am Montag oder Freitag, für einen oder zwei Tage, ist | |
es [3][Arbeitgeber:innen nicht zu verdenken, dass sie stutzig werden]. | |
Die Lohnfortzahlung für den ersten Tag dann streichen zu wollen, ist in | |
solchen Fällen durchaus nachvollziehbar. | |
Aber das Ganze könnte nach hinten losgehen. Nein, nein, nicht für | |
Arbeitnehmer:innen, die einen Teil ihrer Krankheitskosten dann selbst | |
tragen müssten, sondern für die Arbeitgeber:innen. Clevere | |
Blaumacher:innen – doch, das darf man sagen, denn die gibt es in jedem | |
Unternehmen – lassen sich dann gleich für eine ganze Woche krankschreiben. | |
So nach dem Motto: Wenn ich schon Miese mache, dann organisiere ich mir | |
wenigstens ein paar Tage mehr Freizeit – und lass mir die bezahlen. | |
Klingt hart, neoliberal, voreingenommen? Vielleicht. Aber die Erfahrung | |
lehrt: Manchmal ist Misstrauen angebracht. All die anderen aber, die | |
Mehrheit der Kolleg:innen, die darf man nicht bestrafen. Man würde nur ihr | |
Vertrauen verlieren. Und: Ressortleiter:innen sind auch nur | |
Arbeitnehmer:innen. | |
7 Jan 2025 | |
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## AUTOREN | |
Simone Schmollack | |
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