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# taz.de -- Wie Tesla mit Krankmeldungen umgeht: Dein Chef prüft, ob du krank …
> Wer für Tesla arbeiten soll, aber stattdessen krank zu Hause ist, bekommt
> schon mal unangemeldet Besuch von den Chefs. Wundert das noch irgendwen?
Bild: Kranken hinterherspionieren: Mischung aus Argwohn, Generalverdacht und Hi…
Im Anschluss an eine Betriebsversammlung der Gigafactory von Tesla im
brandenburgischen Grünheide [1][wurde publik], dass offiziell krank
gemeldeten Mitarbeiter:innen Kontrollbesuche abgestattet wurden. Der
Hintergrund: Im August stieg der Krankenstand bis auf phänomenale 17
Prozent und ist damit dreimal so hoch wie in der Branche üblich.
Mögliche Ursachen gibt es viele. [2][Die Unfall- und Verletzungsgefahr bei
Tesla ist bekanntermaßen hoch,] die Bezahlung schlecht, und CEO Elon Musk
hasst und bekämpft Arbeitnehmervertretungen wie die Pest. Wer unter
schlechten Bedingungen arbeitet, sich schlecht ernährt, lange und mühsame
An- und Abfahrtswege hat, ist schon mal tatsächlich öfter krank als zum
Beispiel der Autor dieser Zeilen, der, um 11 Uhr morgens noch im bequemen
Nachtgewand an seinem Schreibtisch aus Palisander sitzend, zur Arbeit
kolumbianischen Hochlandkaffee und Müsli aus dem Bioladen mit im Garten
selbst gepflückten Himbeeren nascht (dies für die zahllosen Interessierten
nur am Rande zum Making-of).
Ein weiterer Faktor könnte in einer miesen Identifikation mit dem
Arbeitgeber liegen. Man stelle sich vor, der eigene Boss negiert jede Form
der Regulierung, kommt mit der Rakete ins Büro, teilt viele
Charaktermerkmale mit griechischen Göttern, Waschbären sowie Donald Trump,
hofiert Faschisten, gilt als libertärer Rechtsaußen und ist ein
pathologisch gekränkter Feind jedes zivilen Sozialbegriffs.
Er konterkariert die Vorstellung, die man von klimafreundlich(er)en
Projekten und deren Protagonisten hat, ist dabei jedoch ein unangenehm
leuchtendes Beispiel dafür, wie lohnenswert die Ökoindustrie auch für
Megakapitalisten sein kann – für die meisten von ihnen sowieso das einzige
Argument, mit dem man sie kriegt. Würde es sich für sie rentieren, Altöl im
Naturschutzgebiet zu verklappen, würden sie ebendas tun.
## Offenbarungseid des schlechten Gewissens
Da ziehe ich doch jeden Tag mit der Tesla-Hymne auf den Lippen frohgemut
ins Werk. Nein, wer hier kontrolliert, weiß schon selbst, dass im eigenen
System was faul ist; es ist im Grunde ein Offenbarungseid des schlechten
Gewissens. Angesichts der exemplarischen Mischung aus Argwohn, öffentlich
geschürtem Generalverdacht und Hilflosigkeit können sich die
Empfänger:innen von Bürgergeld ja ebenfalls schon mal auf was gefasst
machen. Kontrolle ist gut, mehr Kontrolle ist besser. Das Prinzip ist
ähnlich wie in einer Diktatur: Ohne Druck, Angst und einen umfangreichen
Kontrollapparat droht das System aufgrund seiner immanenten Schwächen sonst
schnell instabil zu werden.
Wir malen uns gerne aus, in welcher Zahl, Attitüde und Gewandung die
Schergen des Automobilbauers bei den Krankgeschriebenen vorbeischauen. Das
härene Büßergewand stünde ihnen eigentlich besser zu Gesicht als den zu
Kontrollierenden. Dennoch stellen wir uns die Simulantenhäscher eher als
marodierendes Rollkommando vor, das mit Baseballschlägern an die Türen
hämmert, während es in einem fort Sturm klingelt. Oben wird der Schornstein
verschlossen, damit die Verdachtsperson sich der Kontrolle nicht durch
Flucht entzieht. Rohe Gesell:innen in ausgefransten Lederkutten oder
Flecktarnuniformen, am Gürtel Handschellen, Taschenlampe und
Fieberthermometer, stoßen brüllend Kündigungsdrohungen aus.
Öffnen die Faulenzer:innen nicht, wird die Tür aufgebrochen und die
eingebildeten Kranken werden mit den im matten Fieberglanz irrlichternden
Augen zum Linoleum hin zu Boden gebracht, zack, Pyjamahose runter, und dann
kommt erst einmal das Thermometer in den Popo, während der Sergeant der
Werksfeldjäger die zumindest äußerliche Echtheit der Krankschreibung des
hustenden Schwänzers überprüft.
Aber nein, denn [3][Werksleiter André Thierig und Personalchef Erik Demmler
sollen höchstselbst vor den Wohnstätten der Siechen und Maladen aufgetaucht
sein.] Das ist, als stünde der Sheriff von Nottingham persönlich in der
Hütte seines Leibeigenen, um sie nach gewilderten Fasanen zu durchsuchen.
So ist es immerhin auch zu erklären, dass Demmler in besagter
Betriebsversammlung persönlich von „latent aggressiven“ Reaktionen der
Heimgesuchten zu berichten weiß: Man habe ihm die Tür vor der Nase
zugeknallt oder sogar mit der Polizei gedroht.
## Auch mal an die Wirtschaft denken
Dabei seien, so die Führungskraft in weinerlicher Enttäuschung über seine
undankbaren Knechte, schließlich nur dreißig der besonders auffällig lang
„Erkrankten“ (Interpunktion von Tesla) sowie viele Erstbescheide unter den
Überprüften.
Ach was. Ich bin also Mitarbeiter bei Tesla und melde mich zum ersten Mal
krank, weil ich Krebs habe oder Cholera oder [4][Corona] (über das mein
Chef, Herr Musk, irreführende Fakten auf seiner eigenen Plattform X
weiterverbreitet). Und am nächsten Tag dringt ein Typ mit goldenen
Manschettenknöpfen in meine Privatsphäre ein, um herauszufinden, ob ich ein
arbeitsscheuer Lügner bin oder ein lügender Arbeitsscheuer. Da freue ich
mich doch sicher über den hohen Besuch und habe für alles Verständnis,
oder? Man muss doch auch mal an die deutsche Wirtschaft denken. Ironie aus.
25 Sep 2024
## LINKS
[1] https://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/tesla-gruenheide-chefs-m…
[2] https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/tesla-gruenheide-arbeitsun…
[3] https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/tesla-in-gruenheide-soll-uebe…
[4] https://www.manager-magazin.de/lifestyle/long-covid-konferenz-wir-muessen-u…
## AUTOREN
Uli Hannemann
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