# taz.de -- E-Mobilität: Kein zweites Automärchen | |
> Als das Auto auf den Markt kam, waren Pferdekutschen schnell verdrängt. | |
> Prognosen erwarteten Ähnliches vom E-Auto – und lagen völlig daneben. | |
Bild: Kein Andrang an der Ladestation: E-Autos haben sich noch nicht durchgeset… | |
Prognosen können großer Quatsch sein. Im Jahr 2014 behauptete der | |
einflussreiche [1][Technikoptimist Tony Seba], unter anderem Dozent an der | |
US-Universität Stanford, dass sich das E-Auto schon 2025 komplett | |
durchgesetzt haben würde. Der Verbrennermotor werde dann ein Fall fürs | |
Museum sein. | |
Im Jahr 2024 ist davon nichts zu sehen; E-Autos sind noch immer ein | |
Minderheitengefährt. Im vergangenen Jahr wurden weltweit fast 14 Millionen | |
E-Autos verkauft, was beachtlich klingt. Doch insgesamt wurden mehr als 80 | |
Millionen Pkw verkauft, so die Internationale Energieagentur (IEA). E-Autos | |
kamen also nur auf einen Anteil von 18 Prozent. Der Rest waren Benziner und | |
Dieselfahrzeuge. | |
An welcher Stelle hat Seba sich verkalkuliert? Er hat allzu sehr auf die | |
Macht der Analogie vertraut. Er schloss vom Siegeszug des Autos auf einen | |
ähnlichen Triumph der E-Variante. Denn das Automobil setzte sich in den USA | |
erstaunlich schnell durch. Im Jahr 1910 machten Autos erst 11 Prozent aller | |
Fahrzeuge aus – der Rest war zu Pferde unterwegs. 1920 dominierte das Auto | |
bereits mit 81 Prozent. In zehn Jahren hatten die Amerikaner zwei völlig | |
neue Industriebranchen aus dem Boden gestampft: die Autoindustrie und den | |
Straßenbau – während zeitgleich der Erste Weltkrieg war. | |
Eine ähnliche Dynamik ist bei strombetriebenden Autos nicht zu beobachten. | |
Auch, weil sie immer noch vergleichsweise teuer sind. Seba hatte 2014 | |
prognostiziert, dass ein E-Auto im Jahr 2025 im Durchschnitt nur noch | |
10.000 Dollar kosten werde – schön wär’s. Tatsächlich werden derzeit | |
mindestens 28.000 Euro pro Stromer fällig. Damit bekäme man einen Renault | |
Twingo, der laut ADAC am billigsten ist. Die meisten E-Autos kosten aber | |
eher um die 40.000 Euro und mehr. | |
Da [2][E-Autos teuer sind, werden sie weltweit subventioniert]. Ob in | |
Europa, den USA oder China – ohne staatliche Hilfe würde sich dieser Markt | |
gar nicht entwickeln. Das ist ein weiterer Unterschied, den Seba übersehen | |
hat: Der Verbrennermotor hat sich vor hundert Jahren ganz allein | |
durchgesetzt, da musste keine Regierung nachhelfen. | |
Wie wichtig staatliche Subventionen sind, zeigt sich bei Tesla. [3][Seit | |
Jahresanfang werden E-Autos in Deutschland nicht mehr bezuschusst] und | |
schwupp – schon brach der Absatz ein. Auf dem Werksgelände im | |
brandenburgischen Grünheide stapelten sich die Karossen. Auch in den USA | |
änderten sich die Regeln dazu, wie E-Autos von der Steuer abgesetzt werden | |
können. Schon wenig später musste Tesla-Chef Elon Musk ankündigen, dass | |
weltweit zehn Prozent seiner Angestellten gehen sollen. | |
Trotzdem wäre es falsch, das Ende der E-Autos zu verkünden. Es kommen neue | |
Anbieter auf den Markt, vor allem aus China, und der weltweite Absatz | |
wächst. Allein in diesem Jahr sollen die Verkaufszahlen laut IEA um 20 | |
Prozent steigen. Dann wären wir schon bei 17 Millionen E-Autos pro Jahr. | |
[4][Das fossilfreie Auto hat schon deswegen eine Zukunft, weil es eine | |
Zukunft haben muss]. | |
Der Straßenverkehr ist weltweit für ein Sechstel der emittierten | |
Treibhausgase verantwortlich, denn Benziner und Diesel sind extrem | |
ineffizient. Sie produzieren mehr Wärme als Bewegungsenergie und dazu | |
enorme Mengen an CO2. | |
Seba freute sich einst, dass Tesla bald mit einem „Porsche 911 Carrera | |
konkurrieren“ könne. Diese Prognose war tatsächlich richtig, und trotzdem | |
irrt er sich. Die heutigen Teslas sind nicht die Zukunft. Die E-Autos | |
müssen klein und leicht werden, damit Rohstoffe und Ökostrom insgesamt | |
reichen. | |
20 Jul 2024 | |
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## AUTOREN | |
Ulrike Herrmann | |
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