# taz.de -- Einfallstor für EU-Markt: China trumpft mit Türkei-Deal auf | |
> Der weltgrößte Elektroautobauer BYD will südlich von Bursa eine Fabrik | |
> bauen. Damit würde er die geplanten EU-Einfuhrzölle umgehen können. | |
Bild: BYD will in einer neuen Fabrik in der Türkei E-Autos im gehobenen Segmen… | |
Istanbul taz | Es war eine angemessene Zeremonie unter den Augen von | |
Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan: Am Montag unterzeichneten der Chef | |
[1][des chinesischen Elektroautobauers BYD], Wang Chuanfu, und der | |
türkische Industrie- und Technologieminister Mehmet Fatih Kacır eine | |
verbindliche Vereinbarung zum Bau einer großen Elektroautofabrik in der | |
Türkei. | |
Auf einem Gelände südlich von Bursa, in Manisa, soll ein Werk entstehen, in | |
dem BYD im Jahr 150.000 Fahrzeuge produzieren will. Das Investitionsvolumen | |
liegt bei einer Milliarde US-Dollar. Erdoğan applaudierte begeistert, und | |
auch Wang Chuanfu zeigte sich zufrieden. | |
Die Standortwahl ist kein Zufall. Die Türkei wirbt seit Längerem in Peking | |
für große Investitionen aus dem Reich der Mitte und bietet beispielsweise | |
steuerliche Vergünstigungen an. Und für die Chinesen könnte sich eine | |
Fabrik in der Türkei schon in naher Zukunft als strategischer Volltreffer | |
erweisen. Denn nach der 1995 vereinbarten Zollunion zwischen der EU und der | |
Türkei haben türkische Industrieprodukte, also auch Autos, einen | |
bevorzugten Zugang zum Markt der EU. Die [2][von der EU geplante | |
Zollerhöhung für die Einfuhr chinesischer Autos nach Europa] würde also | |
wegfallen, wenn die Fahrzeuge hier produziert würden. | |
Die [3][USA erheben schon länger hohe Einfuhrzölle auf chinesische | |
Elektroautos]. Seitdem ist die EU zum bevorzugten Ziel für BYD, den | |
mittlerweile weltweit größten Elektroautohersteller, geworden. Ein Teil der | |
Fahrzeuge wird mit BYD-eigenen Schiffen nach Europa gebracht. Es wird aber | |
auch bereits ein Werk in Ungarn gebaut, wo ab der zweiten Hälfte 2025 ein | |
BYD-Kleinwagen für den europäischen Markt produziert werden soll. Das | |
gehobene Segment soll dann demnächst aus der Türkei kommen. | |
## Autobauregion unter dem Radar | |
Das ist nicht so ungewöhnlich, wie es sich für europäische Ohren zunächst | |
anhören mag. Die Industrieregion rund ums Marmarameer zwischen Istanbul und | |
Bursa gilt längst als eine der führenden Autobauregionen weltweit. Waren es | |
vor Jahrzehnten noch Joint Ventures mit Renault und Fiat, die den | |
türkischen Automarkt versorgten, sind mittlerweile auch Ford, Toyota, | |
Hyundai und Mercedes mit eigenen Fabriken hier vertreten. Sie beliefern von | |
der Türkei aus auch den Nahen Osten und Teile des europäischen, | |
hauptsächlich osteuropäischen Marktes. Mercedes etwa lässt fast alle | |
Reisebusse in seiner Fabrik bei Istanbul bauen. | |
Seit zwei Jahren ist die Türkei [4][auch mit ihrer eigenen Marke Togg am | |
Start]. Seit 2022 verkauft Togg einen SUV, der in Aussehen und Leistung | |
europäischen Elektro-SUVs ähnelt. Die Batteriezelle kommt derzeit noch aus | |
China, demnächst sollen aber auch in der Türkei Batteriezellen hergestellt | |
werden. | |
Togg ist ein Prestigeprojekt von Erdoğan, zu dem er mehrere türkische | |
Firmen gedrängt hat. Bei einem Preis von knapp 50.000 Euro ist das Auto | |
allerdings nur für wenige Kunden in der Türkei erschwinglich. Stattdessen | |
soll jetzt BYD den hiesigen Massenmarkt und dann auch den in Europa zu | |
erschwinglichen Preisen bedienen. BYD verkauft in Deutschland bislang nur | |
wenige Tausend Autos im Jahr, ist auf anderen Märkten aber schon | |
Weltmarktführer – [5][im letzten Quartal 2023 setzte BYD 526.000 | |
Elektrofahrzeuge ab, erstmals mehr als der US-Gigant Tesla]. Parallel zu | |
den Plänen mit der Türkei und Ungarn hat BYD gerade erst ein Werk in | |
Thailand eröffnet und will nun noch eine große Fabrik in Brasilien bauen. | |
## Günstiges Tor nach Europa | |
Da die [6][EU gegen den deutschen Widerstand gerade erst Probezölle für | |
chinesische Elektroautos eingeführt] hat, könnte sich die Fabrik in der | |
Türkei für die Chinesen als unschlagbar günstiges Tor nach Europa erweisen. | |
Die Türkei selbst verspricht sich von BYD zunächst mehr als 5.000 | |
hochqualifizierte Arbeitsplätze und bald auch günstige E-Autos für den | |
heimischen Markt. | |
Auch europäische Käufer werden von den E-Fahrzeugen von BYD aus der Türkei | |
profitieren. Das ist gut für die Zukunft der Elektromobilität, könnte aber | |
gerade für deutsche Konzerne zum Problem werden. Am härtesten würde es wohl | |
den [7][VW-Konzern treffen, der es immer noch nicht geschafft hat, ein | |
günstiges Modell für den Massenmarkt anzubieten]. Ironie der Geschichte: | |
Das Gelände bei Manisa, auf dem BYD jetzt sein Werk bauen wird, war | |
ursprünglich für eine Volkswagen-Fabrik vorgesehen, bis das Management | |
einen Rückzieher machte. | |
Auch an anderer Stelle tritt BYD bereits in die Fußstapfen von VW. Die | |
chinesische Firma ist Hauptsponsor [8][für die Fußball-Europameisterschaft | |
in Deutschland]. Seitdem kennen die deutschen Fußballfans die chinesische | |
Marke. Der Hauptanteilseigner von Tesla, Elon Musk, sieht in BYD die größte | |
Gefahr für die Autoindustrie außerhalb Chinas. Zu Bloomberg sagte er: „Sie | |
sind extrem gut. Wenn es keine Handelsschranken gibt, werden sie die | |
meisten anderen Autofirmen weltweit zerstören.“ | |
9 Jul 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Deutsche-Autobauer-auf-Pekinger-Messe/!6003593 | |
[2] /China-Besuch-des-Ministers/!6016113 | |
[3] /US-Zoelle-auf-chinesische-Gueter/!6007584 | |
[4] https://www.automobil-produktion.de/produktion/factory-tour/hier-moechte-to… | |
[5] /Absatz-Elektroautos-stockt/!6013317 | |
[6] /Robert-Habeck-in-China/!6016037 | |
[7] /Deutsche-Autobauer-auf-Pekinger-Messe/!6003593 | |
[8] /Schlechte-Oekobilanz-der-Fussball-EM/!6015137 | |
## AUTOREN | |
Jürgen Gottschlich | |
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